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Als das Deutsche Reich starb

 
     
 
Das Deutsche Reich starb an dem sonnigen Morgen des 23. Mai 1945 in der Nähe des Ostseehafens Flensburg." Was das US-amerikanische Magazin Time zu dieser pathetischen Formulierung veranlaßte, war die Gefangennahme des letzten Staatsoberhauptes und der letzten (geschäftsführenden) Regierung des Deutschen Reiches durch die Besatzungsmächte. Fortan war das Reich handlungsunfähig und nur noch Objekt, nicht mehr Subjekt.

Am 8. Mai 1945 hatte die Deutsche Wehrmacht
mit Wissen und im Auftrage von Großadmiral Karl Dönitz, den Adolf Hitler vor seinem Selbstmord am 30. April zu seinem Nachfolger als deutsches Staatsoberhaupt bestimmt hatte, bedingungslos kapituliert. Da die Besatzungsmächte selber Deutschland regieren wollten, war das Ende der Amtszeit des Reichspräsidenten und der von ihm gebildeten sogenannten vorläufigen Reichsregierung nur eine Frage der Zeit. Es war klar, daß die Sieger beide nur solange im Amte belassen würden, wie sie ihnen bei der Abwicklung der Kapitulation nützlich erschienen und sie selber noch keine Besatzungsverwaltung aufgebaut hatten.

Angesichts der eigenen Machtlosigkeit nach der Kapitulation war innerhalb der Reichsführung der Gedanke ventiliert worden zurückzutreten. Dönitz entschied sich jedoch dagegen, um nicht den Alliierten die Ausrede frei Haus zu liefern, sie hätten eine Militärregierung einsetzen müssen, da der Rücktritt von Staatsoberhaupt und Regierung im Reich ein staatsrechtliches Vakuum geschaffen hätte.

Anfänglich behandelten die Sieger tatsächlich die Reichsführung als Verhandlungspartner. Ihr Amtssitz in der Marineschule Mürwik bei Flensburgbildete de facto eine kleine Exklave mit eigenem deutschen Wachbataillon. Die Wende erfolgte am 23. Mai, als man glaubte die Deutschen nicht mehr zu brauchen und die Regierung vollständig selber übernehmen zu können. Als Dönitz am Nachmittag des Vortages die Aufforderung des Chefs der Alliierten Kontrollkommission beim Oberkommando der Wehrmacht (OKW), Generalmajor Rooks, erreichte, sich am nächsten Morgen in Begleitung des Chefs des OKW, Generaloberst Jodl, und des Oberkommandierenden der Marine, Generaladmiral v. Friedeburg, um 9.45 Uhr auf dem vor der Marineschule ankernden Wohnschiff "Patria", dem Sitz der Kommission, einzufinden, ahnte er bereits Böses und antwortete vielsagend "Koffer packen!". Die Befürchtungen verdichteten sich, als beim Empfang auf der "Patria" die bisher üblichen militärischen Ehrenbezeugungen unterblieben. In Anwesenheit des britischen Kommissionsmitgliedes Brigadier Foord und des sowjetischen Mitgliedes Truskow gab Rooks seinen Gästen gegenüber die folgende Erklärung ab:

"Meine Herren, ich habe Anweisung aus dem Obersten Hauptquartier des Europäischen Kriegsschauplatzes von dem Obersten Befehlshaber, General Eisenhower, erhalten, Sie heute morgen zu mir zu rufen, um Ihnen mitzuteilen, daß er in Übereinstimmung mit dem Sowjetischen Oberkommando entschieden hat, daß heute die Geschäftsführende Deutsche Reichsregierung und das Oberkommando der Deutschen Wehrmacht mit seinen verschiedenen Angehörigen als Kriegsgefangene festgenommen werden sollen. Hierdurch wird die Geschäftsführende Deutsche Reichsregierung aufgelöst. Diese Maßnahme geht nun vor sich. Truppen der 21. Armeegruppe nehmen die verschiedenen zivilen und militärischen Mitglieder und gewisse Dokumente in Gewahrsam. Gemäß diesen Anweisungen hat jeder von Ihnen von diesem Moment an sich als Kriegsgefangener zu betrachten. Wenn Sie diesen Raum verlassen, wird sich ein Alliierter Offizier Ihnen anschließen und Sie zu Ihrem Quartier begleiten, wo Sie packen, Ihren Lunch haben und Ihre Angelegenheiten regeln werden, wonach Sie um 1.30 Uhr zum Flugplatz begleitet werden zum Abflug. Sie dürfen das Gepäck, das Sie brauchen, mitnehmen. Das ist alles, was ich zu sagen habe."

"Es erübrigt sich jedes Wort", lautete Dönitz kurzer Kommentar, als er anschließend gefragt wurde, ob er noch etwas zu sagen habe. Wie ihm geheißen, fuhr er zurück, um sich mit den anderen Festgenommenen auf seinen Abtransport ins Ausland vorzubereiten. Gegen 11 Uhr wurde er von den Briten abgeholt und zum Polizeipräsidium in Flensburg gebracht. Dort erfolgte eine peinliche körperliche Untersuchung, die damit begründet wurde, daß man verstecktes Gift suche, um einen Selbstmord unmöglich zu machen. Zeitgleich wurde an anderer Stelle das Gepäck der Deutschen durchsucht. Dabei wurden neben Schriftstücken auch private Gegenstände wie Aktenmappen, Füllhalter, Fotos von Angehörigen sowie der Marschallstab und der Interimsstab des Großadmirals entnommen. Anschließend wurden die Inhaftierten im Hof des Polizeipräsidiums der Presse vorgeführt.

Am späten Nachmittag wurden Dönitz und die anderen Festgenommenen auf Lastkraftwagen verladen und mit Panzerbegleitung zum Flughafen gebracht, von wo sie mit einer Maschine ins luxemburgische Bad Mondorf geflogen wurden, wo sie in das extra für sie umgebaute Palasthotel verbracht wurden. Es folgte eine Art Untersuchungshaft bis zu den Prozessen, die dann wieder in Deutschland stattfanden, in Nürnberg.

Der Oberbefehlshaber der Marine, Generaladmiral v. Friedeburg, hatte eine derartige Behandlung bereits befürchtet und nach der Festnahme auf der "Patria" den Freitod gewählt. Das half ihm allerdings auch nichts. Die Sieger fledderten seine Leiche. D. Beutler

Der Moment der Festnahme: Großadmiral Dönitz, an der rechten Seite des Tisches mit Generaladmiral v. Friedeburg zu seiner Linken und Generaloberst Jodl zu seiner Rechten, wird von Generalmajor Rooks die Entscheidung der Alliierten mitgeteilt.
 
     
     
 
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