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Der in einer Neuauflage erschienene Roman "Marianna Sirca" der Literaturnobelpreisträgerin von 1926, Grazia Deledda, erzählt von der leidenschaftlichen Liebe zwischen einem jungen Mädchen aus gutem Hause und dem stolzen Banditen Simone Sole. "Und da kam er auch schon angeritten. Seine großen schwarzen, sehr lebhaften Augen, die sein trauriges Antlitz aufhellten, suchten sofort Marianna. Kaum war er vor ihr, die sich schweigend erhoben hatte, behende vom Pferd gestiegen, als er ihr den Arm um die Schultern legte und sie, da sie etwas größer war als er, von unten halb vertraulich, halb spöttisch ansah."
Simone Sole, der einst als Kind auf dem Hof von Mariannas Eltern gedient hat, kehrt eines Tages als schöner erwachsener junger Mann zurück. Über all die Jahre hat er seine ehemalige Dienstherrin nicht vergessen können! Marianna, die in ihrem Leben noch nie die Liebe eines Mannes erfahren hat, begegnet den Gefühlen Simones ihr gegenüber zunächst recht mißtrauisch. Doch beeindruckt und hingerissen von der Heftigkeit seiner Leidenschaft, beginnt sie bald seine Liebe zu erwidern. Doch um mit Simone glücklich werden zu können, verlangt Marianna von ihm seine Schuld, die er als Räuber und Dieb auf sich geladen hat, im Gefängnis abzubüßen. Simone schwört ihr die Treue und gelobt nach erfolgter Buße zu ihr zurückzukehren, um sie zu ehelichen.
In seiner Abwesenheit unterrichtet Marianna ihren gestrengen Vater von ihrem Plan, den ehemaligen Knecht des Gutes zu heiraten. ",Vater , sagte sie tonlos, ohne ihn anzusehen, ,es ist tatsächlich ein Bandit, den ich ins Haus gelassen habe und den ich heiraten will. Und um gleich alles zu sagen: Es ist Simone Sole. Die Hände zwischen den Knien gefaltet, schien der alte Mann sich zunächst demütig zu fügen und die vollendete Tatsache hinzunehmen. Doch der Schlag traf ihn so hart, daß er ihm fast den Atem nahm. Schließlich hob er die Augen flehentlich auf, ohne dem Blick seiner Tochter zu begegnen." Doch das Warten auf die Rückkehr Simones fällt Marianna mit jedem vergehenden Tag schwerer.
Die 1875 auf Sardinien geborene und 1936 in Rom gestorbene Autorin beschreibt, wie die empfindsame Marianna unter der Abwesenheit leidet und wie ihr ihr eigenes Leben ohne den leidenschaftlichen, wenn auch etwas theatralisch angehauchten Simone immer sinnloser und leerer erscheint.
Deledda beschwört in diesem Buch eine leichte Melancholie herauf, die direkt auf den Leser übergeht und ihn eine nachdenkliche Stimmung versetzt.
Da die Handlung eher langsam voranschreitet, wird das Gefühl erweckt, als ob die Zeit stillstehen würde.
Ein Gefühlsdrama vom Feinsten einer zu Lebzeiten hoch gelobten Autorin, das durch ein tragisches Ereignis zu einem emotionsbewegenden und völlig unerwarteten Ende finden wird. Ein Sturm von Gefühlen, für einen gemütlichen Herbstabend bei Kerzenlicht genau das richtige.
Grazia Deledda: "Marianna Sirca", Patmos Verlags haus, Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf 2004, geb., 224 Seiten, 19,90 Euro
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