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Erst 1657 legte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm eine ständige Garnison in die Residenzstadt Berlin-Cölln, die er nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) durch Johann Gregor Memhardt zur Festung ausbauen ließ. Ein eigenes Militärkir-
chenwesen mit einem kurfürstlich-brandenburgischen Garnisonprediger hatte der Kurfürst zwei Jahre zuvor getreu seinem Motto "Gott meine Stärke" ins Leben gerufen. 1657 bestand die Berliner Garnisongemeinde schon aus 1.500 Soldaten und 600 Familienangehörigen. Die Gründung der Gemeinde im bald größten Militärstandort Brandenburgs steht im Zusammenhang mit dem Neuaufbau des Staatswesens. Der Kurfürst rüstete für die drohende Auseinandersetzung mit Schweden im Ostseeraum. Im sogenannten Brandenburgischen Landtags- rezeß von 1653 wurde den Ständen die Bewilligung der finanziellen Mittel für ein die bisherige Söldnertruppe ablösendes stehendes Heer abgerungen.
Die "Gemeinde, so zum Regiment gehörig", besaß allerdings noch kein eigenes Gotteshaus, sondern war dem Heilig-Geist-Hospital in der Spandauer Straße angegliedert. Da dessen Kirche zu klein war, fanden die Gottesdienste auf dem Kirchhof statt. Der Lehrer und Organist der Garnisonschule, Johann Friedrich Walther, schreibt dazu in seiner 1743 erschienenen "Historischen Nachricht von den Garnison Kirch- und Schulanstalten": Unter den alten Linden, "welche auch in so vielen Zweigen sich ausgebreitet, daß sie fast den ganzen Kirchhof bedeckten, weßwegen dieselben mit Unterzügen von Bauholtz unterstützet und in die Höhe gezogen werden müssen, war eine Cantzel, nebst unterschiedlichen Chören auch vielen Stühlen und Bäncken erbauet, damit zu Sommers-Zeiten und bey gutem Wetter, die hiesige Garnison den Gottesdienst daselbst halten können."
Da die Heilig-Geist-Kirche und der Kirchhof sich dann den vermehrten Ansprüchen gegenüber als unzureichend erwiesen hatten - vom 18. April 1701 datiert ein Gesuch der Berliner Offiziere an den Landesherrn, eine ausschließlich für das Militär bestimmte Kirche zu bauen und dafür eine Kollekte aufzulegen -, ließ der am 18. Januar 1701 in Königsberg zum ersten König in Preußen gekrönte Friedrich I. die Grundsteinlegung des Kirchenbaus vorbereiten und am 24. September 1701 vollziehen. Wie die militärischen Angelegenheiten der Residenz zur Zeit des Großen Kurfürsten bereits in den Händen des Gouverneurs gelegen hatten, so ist dieser auch in der Grundsteinlegungsurkunde als der erste Patron der Garnisonkirche aufgeführt.
Bauplatz der Kirche war die Bastion XII des erst einige Jahre bestehenden Festungswerkes, das "Spandauische Bollwerk" vor dem gleichnamigen Tor unweit der Heilig-Geist-Kirche, ein zur Krone gehöriges Gelände. Bis 1702 wurde der barocke Kirchenbau nach dem Entwurf des aus dem ostdeutschen Insterburg gebürtigen königlichen Landbaudirektors Martin Grünberg (1655-1706) in der damals bevorzugten Bauform eines Zentralbaus über dem Grundriß eines griechischen Kreuzes nach niederländischen Vorbildern errichtet. Den genauen Einweihungstag der Garnisonkirche konnte man der lateinischen Inschrift über der Haupttür entnehmen: "Im Namen des allmächtigen Gottes, des Herrn der Heerscharen, hat Friedrich I., König in Preußen, der Vater des Vaterlandes und seines Heeres, diese Kirche zum andächtigen Besuch für die Besatzung dieser Städte erbaut und sie einweihen lassen am 1. Januar 1703 im 3. Jahre seines Reiches."
Über das Aussehen der Kirche sind wir vornehmlich durch die Zeichnungen des Architekten Christoph Pitzler von 1704 in seinem Reisetagebuch und die Stiche in Walthers Werk gut informiert. Schon der erste Bau besaß ein Gruftgewölbe, in dem hohe Militärs und Hofbeamte aus bedeutenden Adelsfamilien beigesetzt wurden. Als erster hoher Offizier wurde 1709 der 1670 in Königsberg geborene und 39jährig im spanischen Erbfolgekrieg in der Schlacht bei Malplaquet gefallene Generalmajor Daniel von Tettau beigesetzt. Noch im Jahr zuvor hatte er der Kirche anonym zwei Altarleuchter gestiftet, die aber später zu anderem Altargerät umgeschmolzen wurden.
Die Grünbergsche Kirche wurde schon am 12. August 1720 bei der Explosion des Pulverturms am Spandauer Tor zerstört. Dieser zersprang nach Chronist Walther "mit einem erschröcklichen Blitz und gedoppelten Knall in Fünf Stücke, und schlugen solche, nachdem sie erst durch die Gewalt des Pulvers in die Lufft geworffen, mit großem Krachen nieder." 72 Menschen, darunter vor allem Kinder der benachbarten Garnisonschule, fanden dabei den Tod. Der Landesherr, nunmehr der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., der schon als Kronprinz den Grundstein zur ersten Kirche gelegt hatte, beschloß sogleich den Bau einer noch größeren Kirche an gleicher Stelle. Dieser dreischiffige Quer-saalbau mit hohem Walmdach wurde 1720 bis 1722 von Oberbaudirektor Philipp Gerlach d. J. errichtet. Für den Bau der Kirche griff der König nicht nur in die Privatschatulle, sondern verfügte eine Zahlungspflicht für die gesamte preußische Beamtenschaft von Kleve bis Königsberg.
1962 wurde die 1943 zur Ruine ausgebrannte Kirche, der älteste und größte Sakralbau der Garnisongemeinde in Brandenburg-Preußen, mit ihrer über zwei Jahrhunderte währenden Geschichte - ungeachtet ihres Wertes auch als Architekturdenkmal - abgerissen. Die Grüfte wurden durchschlagen und mit dem Bauschutt des Gotteshauses verfüllt. An den Standort der Garnisonkirche erinnern außer dem Gebäude des ehemaligen Garnison-Pfarramts seit Frühjahr 2000 das Straßenschild "Garnisonkirchplatz". 1998 wurde bei Gleisarbeiten für die neue Straßenbahn östlich des Pfarramts die Nordwestecke der Kirche mit Resten der Gruftgewölbe und deren Zugang aufgedeckt. Es muß diese Treppe gewesen sein, die der Maler Adolph von Menzel im Sommer 1873 - Jahrzehnte nach der endgültigen Schließung der Gruft um 1830 - hinabgestiegen ist, um die von ihm zuweilen als "alte Bekannte" bezeichneten mumifizierten Generäle Friedrichs des Großen zu porträtieren. Die zum Teil zerfallenen Särge waren damals auf Veranlassung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, des späteren Kaisers Friedrich III. (1888), "behufs Feststellung der Namen" und der geplanten Überführung eines Großteils auf den ab 1867 belegten Garnisonfriedhof in Wedding geöffnet worden.
Als besonderer Fund von 1998 sind die aus dem Gruftteil geborgenen Marmorteile zu nennen, die als Mensa, Rückwand und eine der Säulenstützen des klassizistischen Altartisches von 1853/54 identifiziert werden konnten. König Fried-rich Wilhelm IV., der Kirchenpatron, hatte den Altartisch zusammen mit einem marmornen Ziborium (Baldachin) zum 150jährigen Jubiläum der Einweihung der ersten Garnisonkirche gestiftet. Die gesamte, von Friedrich August Stüler, dem "Architekten des Königs", entworfene Altaranlage ist einzig im Frontispiz der von Pfarrer Georg Goens verfaßten "Geschichte der Königlichen Berlinischen Garnisonkirche" von 1897 abgebildet.
Mit der Stiftung des Altars führte der König, so Friedrich Adolph Strauß, der bei der Einweihung des Altars 1854 assistierende Divisionsprediger und Seelsorger Friedrich Wilhelms III., "die Gedanken seines in Gott ruhenden Vaters aus, und gebot einen Marmor-Altar unter glänzendem Dache zu erbauen." Wegen "unzureichender Mittel" konnte der Altar bei dem 1817 durch Baumeister Friedrich Rabe erfolgten Umbau des Kircheninnern im Schinkelschen Klassizismus und danach "nicht mehr in so glänzender Weise hergestellt werden, als der König es beabsichtigte".
Die Marmorsorten des nun im Lapidarium des Alten Berliner Garnisonfriedhofs in der Kleinen Rosen-thaler Straße 3 untergebrachten Altartisches bestimmte unlängst Diplom-Geologin Gerda Schirrmeister. Bei dem grauweißen Marmor des Tisches als Ganzes handelt es sich um Großkunzendorfer Marmor bei Oppeln in Niederschlesien. Die beiden roten Felder der Rückwand bestehen aus Marbre du Roi aus Villefranche-de-Conflent im Departe- ment Pyrenées-Órientales in Frankreich und deren Rahmung aus Grünem Gabbro vom Zobtenberg wiederum in Niederschlesien. Der helle, leicht gefärbte Marmor der Säule kann leider nicht mehr bestimmt werden, da diese von der Baustelle gestohlen worden sein soll. Aus letzterem Grunde wurden die Säulen von der Firma Helmich & Theel in Stahl nachempfunden.
Der durchgreifende klassizistische Umbau hatte seine tiefere Ursache in der Einführung der neuen, vom Regenten und seinem Hofprediger Bischof Rulemann Friedrich Eylert verfaßten Agende von 1816/17, die eine vereinheitlichte Liturgie beider evangelischer Konfessionen zum Ziel hatte und Veränderungen der Struktur und der Ausstattung des Innenraumes nach sich zog. Auf Befehl des Königs, der sehr darunter gelitten hatte, daß er als Reformierter und seine geliebte lutherische Frau unterschiedlichen Konfessionen und Kirchen angehört hatten, trat die neue Gottesdienstordnung in der Berliner Garnisonkirche und der Potsdamer Garnison- und Hofkirche sofort in Kraft. Von dort fand sie bald in allen Garnisonkirchen Preußens Verbreitung. Durch die Agende von 1816/17 und eine weitere von 1821/22 wurde das Zeremoniell am Altar wieder zum wichtigsten Teil des Gottesdienstes. Altarschmuck - Kruzifix und zwei Kerzenleuchter als äußeres Zeichen der Union - und liturgische Chöre (lutherische Tradition) wurden wiedereingeführt, während die bisher im Mittelpunkt stehende Predigt auf der Kanzel (reformierte Tradition) an Bedeutung verlor.
Der Altar bekam eine Wichtigkeit, die er besonders in Brandenburg und hier wiederum in Berlin in beiden Konfessionen seit längerem nicht mehr besaß. Er wurde jetzt räumlich herausgehoben und nach altchristlichem Brauch im Ostteil der Kirche aufgestellt. In der Berliner Garnisonkirche entstand unter Wegnahme des in reformierter Tradition unter der Kanzel an der nördlichen Langseite stehenden Tischaltars wie auch des gegenüber aufgestellten Taufsteins aus der Mitte des quergerichteten Kirchenraumes - Kanzel, Altar und Taufstein bildeten dort die liturgische (Quer)Achse - ein eher längsgerichteter Saalbau mit auf zwei Stufen erhöhtem Altarraum am Ostende des Mittelschiffes und vor den Stufen plaziertem Taufstein in der nunmehrigen liturgischen (Längs-)Achse.
Wie der marmorne Altartisch das einzige, nunmehr wiedergewonnene Ausstattungsstück des zweiten Kirchenbaus von 1722 darstellt, so ist das reich mit plastischem Schmuck versehene, Andreas Schlüter oder seiner Werkstatt zugeschriebene Taufbecken aus Sandstein das einzige noch erhaltene Ausstattungsstück des ersten Baus von 1703. Der Taufstein kann seit 1994 in dem zur Stiftung Stadtmuseum Berlin gehörenden Museum Nikolaikirche bewun- dert werden.
Die erste Berliner Garnisonkirche: Stich von Johann David Schleuen aus der Zeit um 1760 von dem von 1701 bis 1703 errichteten Martin-Grünberg-Bau
Der Ziborium-Altar des Nachfolgebaus: Der Altartisch und der marmorne Baldachin sind eine Stiftung des Kirchenpatrons König Friedrich Wilhelm IV. aus Anlaß der 150. Wiederkehr des Einweihungstages der ersten Garnisonkirche. Der Entwurf stammt vom "Architekten des Königs", Friedrich August Stüler (im Vordergrund der Taufstein des ersten Kirchenbaus) Foto: Goens
Der klassizistische Altartisch des Nachfolgebaus: Mensa, Rückwand und eine Säulenstütze wurden 1998 aus dem Gruftteil geborgen |
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