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Dies geschieht sicher auch hin und wieder in anderen Landeskirchen, nicht jedoch so unverblümt und spektakulär wie hier. Wegen der im wahren Wortsinne heil-losen Vermengung, in der das Wort Gottes zum politischen Werkzeug umfunktioniert wird, kehren Jahr für Jahr Tausende gläubiger Christen ihrer Kirche den Rücken, suchen Zuflucht bei Freikirchen oder ziehen sich resignierend in ein privates, gemeindeloses Nischenchristentum der eigenen vier Wände zurück.
Über den Lukas-Vers "Lohn der Nachfolge" soll er predigen predigen in einem Gottesdienst : Gregor Gysi, listenreichster, zynischster und zugleich eloquentester Wagenlenker der neuformierten SED, die sich in den Tagen des Zusammenbruchs der Honecker-Tyrannei zur Wählertäuschung das Tarnkürzel PDS Partei des Demokratischen Sozialismus übergestülpt hat. Für 52 Sonntage organisierte der Leiter der Evangelischen Akademie Thüringen mit dem Segen der Landeskirche Prediger zum Thema "Reden über Gott und die Welt" für die Kirchen der Europäischen Kulturstadt 1999 Weimar und Umgebung als Beitrag der Kirche zum Weimarer Festjahr!
Von Ministerpräsident Bernhard Vogel über die Bürgerrechtlerin Freya Klier und die agitationsmächtige sozialdemokratische Sozialministerin Brandenburgs Regine Hildebrandt bis zum Grünen Bundestagsabgeordneten und bundesdeutschen Schwulensprecher Volker Beck waren oder sind Prominente aus aller politischen Welt aufgefordert, die Kanzeln zu besteigen. Darunter, wie gesagt, Gregor Gysi. Bekennende Christen wie der Katholik Vogel, Thüringens lutherische Ministerin für Bundesangelegenheiten Christiane Lieberknecht, Freya Klier und andere haben nein gesagt. Wegen Gysi, aber keineswegs nur wegen Gysi, sondern auch aus Achtung vor dem Auftrag der Kirche, im Gottesdienst klar und unverfälscht das Wort Gottes zu verkündigen und es nicht mit dem politischen Wort zu vermengen. Die Reaktion der Kirchenleitung verständnisloses Schulterzucken. Was solls, Gysi hat ja zugesagt.
Vielleicht hören die Linksbeheimateten in der Kirchenleitung wenigstens auf die Stimme des sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten und Ost-Berliner Synodalen Stephan Hilsberg, die ihnen mahnend zuruft: "Die Kirche soll bei den Menschen sein ... Es gibt viele Menschen in unserem Land, die der Nähe der Kirche bedürfen, ... weil sie sich in unserer offenen Gesellschaft nicht zurechtfinden. Die Partei von Gregor Gysi hat in der DDR Millionen Menschen in tiefe Not gestürzt. Da sind die Maueropfer, Bautzen, Enteignung, Vertreibung, Denunziation. Diese Not wirkt nach und ist lebendig ... Eine Kirche, die wirklich bei den Menschen sein will, muß diese Not ernst nehmen und den Menschen eine neue Orientierung im Geist des Gekreuzigten geben. Solch ein Wort kommt von Gregor Gysi sicher nicht ."
Doch der Akademieleiter redet freudig davon, daß "nur der Heilige Geist seine Finger im Spiel gehabt haben" könne, weil "plötzlich in der Presse theologische Dispute geführt" würden. Also nicht nur ein Kanzelgeschenk an einen Vertreter der Partei der Kirchenverfolger, sondern auch noch der Versuch, den Heiligen Geist für dieses unheilige Werk zu rekrutieren. Hilsberg: "Die Predigt Gysis von der Kanzel ... ist Gift für die Kirche, und weil die Kirche eine politische Dimension hat, auch Gift für die Gesellschaft." Er hat recht.
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