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Angst vor dem Sultan?

 
     
 
Da kann man nur noch den Kopf schütteln. Kein Politiker in Deutschland hat es gewagt, die Türkei oder auch nur das heimische Publikum auf die EU-Untauglichkeit des Erdogan-Staates hinzuweisen. Ist es Feigheit? Ist es Wirklichkeitsverdrängung? Ist es die Haltung der Marquise de Pompadour: Nach mir die Sintflut? Dabei bietet die Aktualität mehr als nur einen Grund, der Türkei die EU-Untauglichkeit zu bescheinigen.

Den jüngsten Grund lieferte der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte in Straßburg. Er gab der Klage des Kurdenführers Öcalan statt, der Prozeß gegen ihn hatte den rechtsstaatlichen Kriterien nicht entsprochen. Nun muß der Prozeß neu aufgerollt werden. Denn eine Berufung auf ein höheres Gericht ist nicht möglich und die Türkei hat die Grundlage für dieses Urteil, die Europäische Menschenrechtskonvention, anerkannt. "Sultan" Erdogan aber meint, die Türkei sei ein Rechtsstaat. Nur mühsam konnte er seine Verachtung für den Gerichtshof in Straßburg verbergen. Für ihn haben die nationalen und religiösen Instanzen Vorrang. Man darf jetzt gespannt sein, ob das Verfahren neu und nach den rechtsstaatlichen Kriterien, die in Europa üblich sind, aufgerollt wird. Geschieht es nicht, kann die Türkei nicht in die EU aufgenommen werden.

Aber das stört Leute wie den deutschen Bundeskanzler oder auch den deutschen EU-Kommissar Verheugen wenig. Sie wollen Europa weiter säkularisieren und entseelen. Überhaupt kein Interesse zeigen sie für den Stand der Religionsfreiheit in der Türkei. Anläßlich des Staatsbesuchs Schröders Anfang Mai in Ankara wies das Internationale Katholische Missionswerk "missio-Aachen" auf die massiven Menschenrechtsdefizite hin. "In der Türkei ist bis heute keine kollektive Religionsfreiheit gegeben. Die Türkei verweigert nichtmuslimischen Minderheiten noch immer den Rechtsstatus, was im Widerspruch zum Friedensvertrag von Lausanne aus dem Jahr 1923 steht und damit völkerrechtswidrig ist", kritisiert Otmar Oehring, Leiter der Missio-Fachstelle "Menschenrechte". Auch der türkische Generalstab habe sich erst kürzlich gegen mehr Rechte für Minderheiten, insbesondere für die noch rund 150.000 Christen in der Türkei ausgesprochen. "Die Kirchen sind in ihrer Existenz bedroht, denn ohne Rechtsstatus können sie keinen Klerus ausbilden noch ihre inneren Angelegenheiten regeln."

Die zwei Beispiele allein zeigen: Die Türkei ist kein Rechtsstaat nach europäischen Kriterien. Wenn aber schon die führenden Politiker in diesem Land gleichgültig darüber hinweggehen, erhebt sich die Frage, was sie überhaupt unter Recht verstehen. Vielleicht geht man darüber auch besser schweigend zur pusseligen Tagesordnung über mit Finanzlöchern, Kapitalismus-Schelte und den offenbar alles entscheidenden Fragen, wer was wird in einer noch zu wählenden Regie-rung. F. Salzmacher

 Erdogans Stütze: Schröder befürwortet einen EU-Beitritt der Türkei.
 
     
     
 
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