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Der Droste Verlag und die Deutsche Verlags-Anstalt (DVA) haben die Amtszeit des inzwischen neunten deutschen Bundespräsidenten zum Anlaß genommen, aktualisierte Fassungen ihrer Standardsammelbiographien über die Amtsinhaber des höchsten bundesdeutschen Staatsamtes auf den Markt zu bringen.
Das Resümee von Ingelore M. Winters Sammelbiographie "Unsere Bundespräsidenten" beginnt mit der Feststellung: "Mit unseren Bundespräsidenten haben wir ... großes Glück gehabt." Das ist bezeichnend, und so sucht man lange, bis man ein kritisches Wort über einen der so Gelobten findet. Wenn Winter auch alle Präsidenten wohlwollend beschreibt, so hat sie doch einen Favoriten, und das ist der dem rechten CDU-Flügel zugeschriebene Karl Carstens. Dazu paßt ihre Kritik an der SPD, Lübke erst für die Große Koalition instrumentalisiert und anschließend fallen gelassen zu haben.
In der vom 2003 verstorbenen langjährigen Leiter des Bonner Büros der Deutschen Welle Günther Scholz angefangenen und von Martin E. Süskind fortgeführten Sammelbiographie "Die Bundespräsidenten" wird Karl Carstens ungleich weniger wohlwollend behandelt. Zur Veranschaulichung sei nur die folgende Passage zitiert: "Je älter er wurde, je größer der Abstand zur direkten politischen Verantwortung, desto weniger Zweifel zeigte dieser ehemalige Bundespräsident daran, daß die Deutschen in der besten aller Welten lebten. Sie hatten es nur noch nicht alle gemerkt."
Überhaupt ist "Die Bundespräsidenten" kritischer als "Unsere Bundespräsidenten", wie der Unterschied im Titel schon fast vermuten läßt. Eine Ausnahme bildet die Darstellung des sozialdemokratischen Bundespräsidenten Johannes Rau. Es ist schon bemerkenswert, wie hier Süskind versucht, ausgerechnet Johannes Rau dem Leser als ideales gesamtdeutsches Staatsoberhaupt zu präsentieren. Das Fehlen wissenschaftlicher oder journalistischer Distanz zu dem Thema wird in der Kommentierung der Rede des israelischen Präsidenten vor den beiden Kammern des deutschen Parlaments vom 16. Februar 1996, deutlich: "Israels Staatspräsident Ezer Weizman stand am Pult und trug auf hebräisch einen Text vor, den andere geschrieben haben. Ein ganzes Volk hatte ihn geschrieben, und jetzt war es, als ob dieses ganze Volk und seine Geschichte seit den Tagen Abrahams aus dem Munde dieses Mannes sprächen." Zum Glück für den Leser sind nicht alle Beiträge in "Die Bundespräsidenten" so wie der von Bruder Martin über Bruder Johannes.
Daß Ingelore M. Winter eine Lanze für den Christdemokraten Karl Carstens und Martin E. Süskind eine für den Sozialdemokraten Johannes Rau bricht, kann man bis zu einem gewissen Grade als symptomatisch für die unterschiedlichen politischen Präferenzen bezeichnen. Es sind jedoch nicht nur und nicht einmal primär diese tendenziellen Unterschiede in der parteipolitischen Verortung, welche die beiden Bücher unterscheiden.
"Die Bundespräsidenten" ist schwerere Kost als "Unsere Bundespräsidenten". Und das gilt nicht nur im wörtlichen Sinne. "Unsere Bundespräsidenten" hat mit seinen auch schon immerhin 285 Seiten nur gut halb so viele wie "Die Bundespräsidenten" mit 535. Winters Werk ist jedoch nicht nur kürzer, sondern auch leichter verdaulich. Die neun Präsidentenbiographien sind in kurze Unterkapitel unterteilt, deren Überschriften neugierig machen und zum Stöbern anregen. Zum Weiterlesen laden auch die diversen Anekdötchen ein, auf die man beim Lesen stößt. "Unsere Präsidenten" ist wie ein Teller mit Appetithäppchen. Man greift gerne zu, aber gesättigt ist man anschließend nicht. Oder um es weniger bildhaft zu formulieren: Nach der Lektüre des Buches hat man nicht das Gefühl, einen Überblick über die Vitae unserer Bundespräsidenten zu besitzen.
Das ist bei "Die Bundespräsidenten" anders. Hier bekommt man ein Hauptgericht. Der eine oder andere mag es bieder finden, aber auf jeden Fall doch grundsolide werden in den neun Biographien die Präsidentenleben mit der Geburt beginnend und der Präsidentschaft beziehungsweise dem Tod endend der Chronologie folgend dargestellt. Eine gute Idee ist, daß auf jeder zweiten Seite oben eine Jahresangabe steht, so daß man abschätzen kann, welcher Teil der Biographie hier gerade behandelt wird. In Verbindung mit der chronologischen Erzählweise ist dadurch dem Leser ein ziemlich gezielter Zugriff auf einzelne Stationen in dem Leben oder der Amtszeit der Präsidenten möglich, was dem Werk schon fast Nachschlagewerkqualität verleiht.
Anders als bei "Unsere Präsidenten" werden bei "Die Präsidenten" die Biographien der Amtsinhaber durch einen 76 Seiten starken Überblick über das Amt ergänzt. Resümierend läßt sich feststellen, daß jeder, der sich über die neun Bundespräsidenten schlau machen will oder muß und nicht die Zeit oder nicht die Muße hat, neun Einzelbiographien durchzuarbeiten, um "Die Bundespräsidenten" kaum herumkommt. A. Liedfeger
Ingelore M. Winter: "Unsere Bundespräsidenten - Von Theodor Heuss bis Horst Köhler", 5. Auflage, Droste Verlag, Düsseldorf 2004, 285 Seiten 16,95 Euro; Günther Scholz und Martin E. Süskind: "Die Bundespräsidenten - Von Theodor Heuss bis Horst Köhler", DVA, München 2004, 535 Seiten, 29,90 Euro |
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