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Liebe bedeutet nicht, einander anzuschauen, sondern gemeinsam in dieselbe Richtung zu blicken", hat der Dichter Antoine de Saint Exupéry einmal gesagt. Und was könnte schöner sein, als im Wonnemonat Mai über die Liebe zu reden. Über die himmelhoch jauchzende, über die zarte, über die beständige Liebe, über die ersten verstohlenen Blicke (ja, auch in unseren freizügigen Zeiten gibt es sie noch!), die zaghaften Versuche, einander näher zu kommen, über Briefe, verziert mit rosaroten Herzchen, über Telefonate, die endlos dauern und die ja keiner mithören darf. Liebe ohne Verständigung - was war (ist) das schon? Das dachten sich wohl auch die Tochter eines Försters bei Eutin und ein Leipziger Schokoladen-Fabrikant, die sich unsterblich ineinander verliebt hatten, allerdings sehr zum Unwillen des Vaters. Die beiden Verliebten aber fanden einen Ausweg: Das Astloch einer alten Eiche diente ihnen als Briefkasten für ihre heimlichen Liebesbotschaften. Ein langes Jahr hielten sie aus, dann erst durften sie heiraten. Das war im Jahr 1891.
Das Beispiel der beiden Unermüdlichen aber machte Schule, und der Baum erhielt bald den Namen "Bräutigamseiche", da immer wieder Heiratswillige, Verliebte und andere Kontaktsuchende den Baum und sein Astloch als Briefkasten benutzten. Die Bräutigamseiche hat sogar eine eigene Postanschrift (Dodauer Forst, 23701 Eutin), und die Deutsche Post liefert tatsächlich Kontaktwünsche aus aller Welt dorthin aus. Ja, richtig gelesen: aus aller Welt, denn die Geschichte des Baums und seine Anschrift sind als Kuriosum auch in einem Lehrbuch "Deutsch als Fremdsprache" zu finden ...
Einen Nachbau der Bräutigamseiche, die mittlerweile mehr als 500 Jahre alt ist, einen Stammumfang von fünf Metern und eine Wipfelhöhe von 25 Metern hat, kann man jetzt sogar auf einer Ausstellung bestaunen. Samt Astloch und "Zettelwirtschaft" steht dieser Naturbriefkasten im Hamburger Museum für Kommunikation, Gorch-Fock-Wall 1, wo er eine Ausstellung zum Thema "Liebe" bereichert. Unter liebe.komm - Botschaften des Herzens sind bis zum 5. September (dienstags bis sonntags 9 bis 17 Uhr) Liebesbriefe, Liebesbilder und allerlei Wissens- und Staunenswertes zur Kulturgeschichte des Anbandelns zu sehen. Zur Ausstellung, die später auch in Nürnberg und Berlin gezeigt wird, ist ein umfangreiches Begleitbuch erschienen (240 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, 19,80 Euro), in dem Männer und Frauen sich Gedanken machen über die Liebe einst und jetzt.
Wie sehr hat sie sich doch geändert, die Art und Weise, wie Liebende zueinander kommen. War es einst der wunderschöne, mit zarten Worten verfaßte Liebesbrief, ist es heute die SMS (Short Message Service, eine Zusatzfunktion des Mobiltelefons). Textnachrichten in einer Länge von maximal 160 Zeichen können so von Handy zu Handy übermittelt werden. Mittlerweile haben etwa 57 Millionen Deutsche ein Mobiltelefon, und wenn man bedenkt, daß jeder Handy-Nutzer rund 35 SMS im Monat verschickt, müßte die Luft nur so summen von den geheimen Botschaften.
Wo wenig Zeichen zur Verfügung stehen, wird natürlich auch im Ausdruck, wenn man überhaupt davon sprechen kann, gespart. Da heißt es lapidar: hdl (hab dich lieb); geantwortet wird ebenso kurz: hdal (hab dich auch lieb); Purzelbäume schlagen die Gefühle, wenn es heißt: hdgdl (hab dich ganz doll lieb). Ganz Verwegene nutzen Buchstaben als grafische Grundelemente: @-))- (wenn man genau hinschaut, kann man tatsächlich eine Rose erkennen).
Was konnte da ein Herr von Goethe im vollen schwelgen, wenn er an Charlotte von Stein schreibt: "Sag mir Lotte ein Wort. Es ist mir in deiner Liebe als wenn ich nicht mehr in Zelten und Hütten wohnte als wenn ich ein wohlgegründetes Haus zum Geschenk erhalten hätte, drinne zu leben und zu sterben, und alle meine Besitzthümer drinne zu bewahren ..." Auch die spätere Frau Klopstock nimmt kein Blatt vor den Mund, als sie an ihren Verlobten schreibt: "Komm, Klopstock, komm daß ich dich umarme, daß ich dich recht heiß küße, u dich dann nicht wieder von meinen Lippen u aus meinen Armen laße ..."
Eine Besonderheit der Liebeskorrespondenz bietet die elektrische Telegrafie, die zunächst nur von staatlichen Stellen und von Wirtschafts-
unternehmen genutzt wurde. Preußen war übrigens der erste kontinentaleuropäische Staat, der am 1. Ok- tober 1849 seine Telegrafenlinien auch für Privatpersonen öffnete. Briefe, Zettelchen, Postkarten mit codierten Nachrichten, SMS oder E-Mails (die übrigens die Kunst des Briefeschreibens wieder aufleben lassen, wenn auch in anderer Form) - sie alle sprechen von der Zuneigung, die ein Mensch für einen anderen hegt. Am Anfang aber ist immer Gott Amor, der mit seinen Pfeilen treffen muß. Kein Wunder also, wenn man ihm in der Hamburger Ausstellung begegnet. Bei den Stichlingen, die in einem Heinz-Sielmann-Film zu sehen sind, wird der Gott der Liebe allerdings wohl nicht tätig geworden sein. Ratgeber in Liebesdingen, Tischtelefone, Kontaktanzeigen ("Honettes Frauenzimmer ledigen Standes sucht Doctor oder Advokaten, um Erbe antreten zu können") erzählen vom ersten zarten Anbandeln. Wenn schließlich Geschirr zerbricht und harte Worte fallen, dann ist es vorbei mit der Liebe - und auch mit dem Rundgang in der sehenswerten Ausstellung, leider. Peter van Lohuizen
Turteln am Telefon: Ob nun am altmodischen schwarzen Apparat oder am Handy - Liebesbotschaften sind immer aktuell Foto: Museum
Liebesgrüße per Post: Ob sich hier wohl auch eine zarte Botschaft verbirgt? /font>
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