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Das vom BdV geplante "Zentrum gegen Vertreibungen", auch innerhalb der Vertriebenenorganisationen nicht unumstritten, ist zum Gegenstand heftiger Attacken aus dem In- und Ausland geworden. Eine Gruppe von Politikern, Künstlern und Historikern aus Deutschland, Tschechien und Polen wendet sich in einem Aufruf gegen ein solches "nationales Projekt" und fordert stattdessen ein "europäisches Zentrum, das nicht nur das Schicksal der aus ihrer Heimat vertriebenen Deutschen in den Mittelpunkt stellt".
Zu den Unterzeichnern zählen die "üblichen Verdächtigen": Literat urnobelpreis-Träger Günter Grass, Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth, deren Amtsnachfolger Wolfgang Thierse, aber auch der tschechische Vize-Premier Petr Mares sowie die früheren polnischen Außenminister Wladyslaw Bartoszewski und Bronislaw Geremek; auch deren früherer deutscher Kollege Hans-Dietrich Genscher ist mit von der Partie.
Die Kritiker werfen den Initiatoren des geplanten Zentrums vor, sie wollten "das Leid der einen gegen das Leid der anderen aufrechnen". Genau diesen Eindruck hatte BdV-Präsidentin Erika Steinbach unbedingt vermeiden wollen, was ihr im Gegenzug den Vorwurf eintrug, die Dimension der Vertreibung der Deutschen nicht angemessen zur Geltung zu bringen.
Frau Steinbachs Pläne werden von weiten Teilen der Unionsparteien unterstützt, aber auch von prominenten Sozialdemokraten. So steht der frühere SPD-Geschäftsführer Prof. Peter Glotz gemeinsam mit der BdV-Präsidentin (die wiederum der CDU/CSU-Bundestagsfraktion angehört) an der Spitze der "Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen". Auch Bundesinnenminister Otto Schily hat sich mehrfach für ein solches Projekt ausgesprochen und seine Parteifreunde zur Unterstützung aufgerufen. Schließlich befinden sich unter den mehr als 400 Städten und Gemeinden, die das Zentrum mit einer "Patenschaft" (fünf Cent pro Einwohner) finanziell fördern, auch zahlreiche sozialdemokratisch geführte.
Die Kritiker, denen die linksorientierte Süddeutsche Zeitung immerhin einen Seite-1-Aufmacher widmet, wehren sich sowohl gegen den vorgesehenen Standort Berlin als auch gegen eine "vorwiegend nationale", sprich deutsche Orientierung. Mit anderen Worten: Über das Schicksal der 15 Millionen aus ihrer Heimat verjagten (und auch der drei Millionen dabei ermordeten) Deutschen darf, wenn überhaupt, dann nur im Kontext aller sonstigen europa- oder gar weltweiten Vertreibungen gesprochen werden; wer der eigenen Opfer gedenken will, darf dies nur, wenn er sich dem Ritual globaler Trauerarbeit zu unterziehen bereit ist.
Derartigen Vorstellungen unmißverständlich entgegenzutreten, ist die derzeit wichtigste Aufgabe der BdV-Präsidentin. Nur so kann sie innerhalb der Freundeskreisen - und hier vor allem an der Basis - jene Geschlossenheit herstellen, ohne die ein würdiges Gedenken an die deutschen Flucht-, Vertreibungs- und Enteignungsopfer ein (wie Erika Steinbachs sozialdemokratischer Mitstreiter Peter Glotz befürchtet) "totgeborenes Kind" wäre, auf dessen Realisierung man wohl mindestens "die nächsten dreißig Jahre" warten müsse. Nina Schulte |
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