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Mit Inkrafttreten des Sommerfahrplans wird die Deutsche Bahn keine Direktverbindungen nach Stettin und nach Ostdeutschland mehr bedienen (Das berichtete). Alle Direktverbindungen nach Stettin, Danzig und Königsberg entfallen; ohne Umsteigen geht dann nichts mehr: es wird nur noch Regionalzüge geben.
Die gestrichene Verbindung nach Berlin trifft auch Landsleute aus Pommern, die wegen ihres deutschen Passes im Großraum Berlin arbeiten, und vor allem den sommerlichen Bäderverkehr nach Swinemünde . Auch in Allenstein herrscht Bestürzung über die Entscheidung der Deutschen Bahn.
Vertreter der polnischen Eisenbahngesellschaft PKP betonten gegenüber der Tageszeitung "Gazeta Wyborcza", mangelnde Rentabilität könne in ihren Augen, wie die Deutsche Bahn behaupte, nicht der Grund für die Einstellung der Direktverbindung sein. Man vermute vielmehr, daß die Ursache dafür in den immer häufigeren Waggonbeschädigungen durch Vandalismus zu suchen sei. Denn in der Sommerzeit erreiche die Auslastung der Strecken ziemlich genau 100 Prozent. Die meisten Passagiere, so meint Lidia Toloko von der Abteilung Personenverkehr bei der Eisenbahngesellschaft PKP, reisten von Allenstein nach Danzig oder Gdingen. Während der Reisezeit nutzten aber auch viele Deutsche die Züge nach Masuren.
Die Auslastung der Züge jenseits der Oder interessiert die Deutsche Bahn allerdings nicht. Auf Anfrage der "Berliner Zeitung" gab Marlene Schwarz, Sprecherin der Deutschen Bahn, zu verstehen, daß es aus ihrer Sicht für Züge über Stettin hinaus kaum Nachfrage gebe. Den Schnellzug nach Gdingen würden nach Erhebungen der DB durchschnittlich nur 30 bis 40 Reisende nutzen, den Interregio nach Allenstein rund hundert Passagiere. Ebenfalls etwa hundert Personen würden täglich im Nachtzug nach Gdingen mit dem Kurswagen nach Königsberg sitzen.
Adolf-Heinrich v. Arnim vom Deutschen Bahnkundenverband (DBV) sieht die Verbindungseinstellung als "beispiellose Verschlechterung" und forderte einen neuen Fernzug von Köln über Berlin mindestens bis Danzig, um den "Heimatbesuchsverkehr" "wenigstens teilweise auf der Schiene zu halten".
Besonders der Interregio "Berlin" zwischen Berlin und Allenstein, der im Sommer sogar bis Lyck fuhr, sei ein bequemer, relativ preisgünstiger und schneller Zug gewesen, die einzige Tagverbindung nach Ostdeutschland überdies. In zehn Stunden von Berlin nach Allenstein und weiter ohne Umsteigen bis nach Lyck sei besonders für deutsche Touristen ein attraktives Angebot gewesen.
Daher befürchtet man in Ostdeutschland, namentlich in Masuren, gravierende Nachteile im Touristenverkehr. Schon von Lyck aus sei der Zug zu 80 Prozent ausgelastet gewesen, von Allenstein war er sogar regelmäßig überfüllt. Reizvoll, gerade für Touristen, war die Möglichkeit, Kajaks und Fahrräder im Zug mitzuführen.
So sei denn auch Jochen Elsner von der deutschen Volksgruppe sehr überrascht von der Entscheidung der DB gewesen, berichten selbst polnische Zeitungen. Er habe immer den Eindruck gehabt, so Elsner, diese Zugverbindung sei gerade unter deutschen Touristen sehr beliebt gewesen, da diese die Bequemlichkeit am Tage sehr geschätzt hätten, so Elsner. Schließlich hätten wegen der vielen Autodiebstähle immer noch etliche Deutsche Angst, mit dem eigenen Pkw zu kommen.
Der Linienbusverkehr ist zwar nach Elsners Meinung preislich wohl eine Alternative, käme aber wegen der langen Reisedauer und der Umständlichkeit für ältere Reisende oft nicht in Frage. Auch er sieht daher große Einbrüche im Tourismussektor auf Ostdeutschland zukommen.
Tatsächlich ist die Fremdenverkehrsbranche im südlichen Ostdeutschland in einer schwierigen Lage. Seit einigen Jahren schon sinkt die Zahl der auswärtigen Touristen, von denen 80 Prozent Deutsche sind, drastisch. Allein im letzten Jahr ging der Besucherstrom um 24 Prozent zurück. Man fürchtet nun durch die Einstellung der direkten Zuglinie nach Ostdeutschland eine weitere Verschlechterung der Situation. Immerhin überlegt die Allensteiner Bahndirektion nun, selbst wenigstens zwischen Allenstein und Stettin einen Ersatz zu schaffen.
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