|
Es hat Jahrzehnte gebraucht, bis die amerikanische wie auch die europäische Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen hat, daß während des Zweiten Weltkrieges in den USA etwa 100.000 Bürger japanischer Abstammung jahrelang aus ihren Wohnungen vertrieben und in Internierungslager gesperrt worden waren. Erst vor wenigen Jahren hat sich das offizielle Amerika bei seinen Bürgern mit japanischen Vorfahren dafür entschuldigt und eine eher symbolische als sachlich ausreichende Entschädigung gezahlt.
Immer noch aber will die Öffentlichkeit nicht wahrhaben, daß genau das gleiche von 1941 bis 1948 in den USA mit den dort lebenden Bürgern mit deutschen Vorfahren geschah. 11.000 Deutsch-Amerikaner und 3.200 Italo-Amerikaner sowie eine kleinere Anzahl amerikanischer Bürger mit Vorfahren aus Bulgarien, Rumänien, Ungarn, aber auch aus Polen und der Tschechoslowakei wurden von Beamte n des FBI aus ihren Wohnungen und von ihren Arbeitsstätten geholt, um - wie die japanischstämmigen US-Bürger - in Internierungslager eingeschlossen zu werden. 68 solcher Lager soll es in den Grenzen der USA gegeben haben. Für Hunderte von Internierten endete die Haft nicht mit dem Kriegsende; sie wurden erst 1948 entlassen. Nachdem in der letzten Zeit in den USA darüber eine fundierte Literatur erschienen ist (zum Beispiel von Arthur D. Jacobs „The Prison Called Hohenasper“ oder Stephen Fox’ „America’s Invisible Gulag“ oder von Arnold Krammer „The Untold Story of America’s German Alien Internees“), hat am 3. August 2001 der demokratische Senator von Wisconsin, Russ Feingold, unterstützt vom republikanischen Senator Charles Grassley aus Iowa und vom demokratischen Senator Edward Kennedy aus Massachusetts, die Bildung eines Ausschusses beantragt, der untersuchen soll, wie in der Kriegszeit „europäische Amerikaner und europäische Einwohner Südamerikas“ behandelt worden sind. Speziell soll das Schicksal der Amerikaner deutscher und italienischer Herkunft sowie anderer US-Bürger mit europäischen Vorfahren geklärt werden. Außerdem wird dem Ausschuß die Aufgabe gestellt, die Politik der damaligen US-Regierungen ge- genüber Flüchtlingen aus Europa, die zwischen 1933 und 1939 die Einreise in die USA anstrebten, zu erforschen.
Feingold erinnert daran, daß die USA wie auch andere Länder seit Jahren die Ansicht vertreten, es ehre ein Land, wenn es auch die dunklen Seiten seiner Geschichte aufdecke. Es mag überraschen, daß der Ausschuß sich auch befassen soll mit Bürgern deutscher Abstammung, die damals in Südamerika lebten. Tatsächlich setzten die USA mehrere südamerikanische Regierungen unter Druck, dort lebende Bürger mit deutschen Vorfahren nach Amerika auszuliefern, obgleich sich jene südamerikanischen Staaten nicht im Krieg mit Deutschland befanden. Feingold gibt in seinem Antrag zur Bildung des Ausschusses einen Überblick über die bisher bekannt gewordenen Tatsachen: Danach begann das FBI bereits einige Tage, bevor der Kriegszustand zwischen dem Deutschen Reich und den USA herrschte, damit, US-Bürger deutscher und italienischer Abstammung in rigoroser Weise, häufig von der Straße weg, festzunehmen und in Lager abzuschieben. Oft wurden Familien auseinandergerissen. Sie erfuhren nicht, wo ihre festgenommenen Angehörigen geblieben waren. Nach welchen Gesichtspunkten man diese Bürger einfing, ist bislang nicht bekannt. Die Gründe wurden den Inhaftierten nicht mitgeteilt. Sie wurden in mit Stacheldraht umzäunten Lagern in Baracken untergebracht, miserabel behandelt, schlecht ernährt und permanent gedemütigt.
Neben diesen eingesperrten Zivilisten mit Vorfahren aus Ländern, mit denen die USA jetzt im Krieg standen, unterlagen weitere 300.000 Amerikaner deutscher Abstammung und 600.000 Bürger italienischer Abstammung, die nicht in Lagern interniert wurden, staatlichen Schikanen. Sie durften keine Kameras besitzen wie auch keine Radiogeräte, die zum Empfang von Kurzwellensendern geeignet waren. Es wurde ihnen verboten, sich von ihrem Wohnsitz weiter als fünf Meilen zu entfernen. Jederzeit mußten sie einen Sonderausweis mit Foto bei sich tragen, damit man sie leicht kontrollieren konnte.
Senator Feingold gesteht der Regierung eines jeden Staates zu, sich gegen feindliche Ausländer zu schützen. Hier aber wurde einem großen Teil der amerikanischen Bürger jede Freiheit genommen, welche die Verfassung der Vereinigten Staaten gewährt, ohne daß dafür sachliche Gründe vorgelegen hätten. Niemand hat sich bisher darauf verstehen können, sich bei den Leidtragenden zu entschuldigen und eine Entschädigung anzu- bieten, wie es bei den japanisch-amerikanischen Betroffenen Ende der 80er Jahre geschehen ist.
Aber Feingold und seine Unterstützer richten das Augenmerk auch auf die Tatsache, daß zwischen 1933 und 1939 etwa 300.000 Deutsche, die meisten von ihnen Juden, um Einwanderung in die USA nachgesucht hatten, die Vereinigten Staaten aber nur 90.000 die Einreise genehmigten. Das gehöre ebenfalls zu den dunklen Punkten der amerikanischen Geschichte, die jetzt aufgeklärt werden sollten, damit dergleichen nie wieder passieren könne, so der Antragsteller.
|
|