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Auch eine Kostenfrage

 
     
 
Irgendwann wird man sagen, angefangen hat es mit der Arbeitsgruppe des Justizministeriums. Unter dem schönen Namen "Patientenautonomie am Lebensende" hat sie Vorschläge ausgearbeitet, die nun in Gesetzesform gegossen werden sollen. Sämtliche Formen der passiven und indirekten Sterbehilfe sollen straffrei
gestellt werden. Das ist der Anfang der Euthanasie. Wir bewegen uns auf das verminte Gelände zu, in dem sämtliche Restwerte gesprengt werden.

Der CDU-Experte Hubert Hüppe sieht in den jüngst vorgelegten Vorschlägen einen Paradigmenwechsel. Aktive Sterbehilfe bleibe zwar formal verboten, nur der erklärte Wille des Patienten zur Unterlassung lebensverlängernder Maßnahmen soll stärkere Berücksichtigung finden. Vorher aber galt das Prinzip, der Patient, der sich nicht mehr äußern könne, sei mit lebensverlängernden Maßnahmen einverstanden. Jetzt muß eine Erklärung vorliegen, damit der Arzt handeln kann. Aber was passiert, wenn es keine Erklärung gibt oder wenn der Patient seine Meinung geändert, die ursprüngliche aber vergessen hat (Alzheimer)? Oder wenn Emotionen den Willen ausschalten und verdunkeln wie bei der Verzweiflung des Selbstmörders? Nach den Vorschlägen ist möglich, daß ein anwesender Arzt nicht mehr gegen den Selbsttötungsversuch einschreiten darf. Auch die künstliche Ernährung, etwa bei jugendlichen Magersüchtigen, wird nun kritisch gesehen. Jeder neunte oder zehnte Jugendliche leidet heute an Magersucht, in manchen Fällen muß künstlich ernährt werden. Den jugendlichen Patienten in die Entscheidung mit einzubeziehen kann in solchen Fällen heißen, den Tod zur Beratung heranzuziehen. Insgesamt werden, so Hüppe, "Interpretationsspielräume eröffnet", die nahelegen, es gebe Ausnahmen vom Tötungsverbot.

Der Trend ist trotz aller Beteuerungen der Justizministerin klar: Die Vorschläge der Arbeitsgruppe stufen den Vorrang des Lebensschutzes herunter. Angesichts der Debatte über beschränkte Ressourcen oder leere Kassen wächst zudem der Druck auf potentielle Patienten und ihre Angehörigen, mit der Einwilligung in teure medizinische Maßnahmen zur Lebensverlängerung zurückhaltend zu sein. Das ist das Sterben nach Kassenlage, eine Vorstufe zur Euthanasie.

Die Ministerin wünscht eine breite gesellschaftliche Debatte. Man kann nur hoffen, daß diese auch einsetzt. Zum Beispiel darüber, daß ihr Wunsch nach einem Ausbau der Palliativmedizin (schmerzlindernde Maßnahmen) schon daran scheitert, weil kein Geld dafür bereitgestellt wird. Dabei wäre das in einer alternden Gesellschaft ein Gebot der Stunde. Diese Diskussion ist auch die Stunde der Kirchen. Das Christentum ist die einzige Religion, die dem Leiden und Sterben eine zentrale Funktion bei der Erlangung des Heils oder des letzten Ziels zuweist, der jetzige Papst hat schon 1984 eine Enzyklika geschrieben mit dem Titel "Das heilbringende Leiden". Aber je mehr der prägende Einfluß des Christentums nachläßt, um so stärker greift die Ansicht um sich, Leiden sei überhaupt sinnlos und solle am Ende des Lebens auch nicht verlängert werden. Das ist ein Gedankenprozeß, der de facto die Annäherung an die aktive Sterbehilfe, mithin die Euthanasie, bedeutet. Am Ende des Lebens relativiert sich manches. Die Chance auf ein gutes, ein heilbringendes Ende sollte es den Kirchen wert sein, intensiv in diese Debatte einzugreifen. Schaden kann es jedenfalls nicht.

Sterbehilfe: Humanität, Moral und Religion widersprechen sich.
 
     
     
 
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