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Auf Spurensuche

 
     
 
Margit Eschenbachs Film "Eigentlich sind wir (auch) von hier" schildert auf sehr persönliche, emotionale und stellenweise auch poetische Art die Heimkehr einer 1948 in Lübeck geborenen Ostpreußin in die Heimat ihrer Familie. 30 Jahre nachdem sie ihre Großmutter mütterlicherseits gebeten hat: "Fahr wenigstens einmal in die alte Heimat, damit sie nicht auch noch in unserem Gedächtnis verlorengeht", erfüllt die Enkelin diesen Wunsch.

Über die Ostsee begibt sie sich als erstes nach Braunsberg, der Geburtsstadt ihrer Mutter. Auf der Suche nach den beiden Häusern, welche die Großeltern in der Stadt nacheinander bewohnt haben, bedient sie sich der Hilfe des Polen Leo, der sich darauf spezialisiert hat, "erinnerungsgetriebene Deutsche" bei deren Spurensuche zu unterstützen. Die deutsche Filmemacher
in läßt den Polen seine und die Geschichte seiner Familie erzählen. Leo entstammt aus der Gegend von Wilna und entspricht damit dem in der Bundesrepublik aus geschichtspolitischen Gründen bewußt verbreiteten Klischee vom in Ostdeutschland lebenden Polen, der selber seine Heimat verloren hat. Eschenbach läßt allerdings einen wichtigen Unterschied zwischen den Schicksalen nicht unerwähnt. Die "Ostpolen" hatten als Alternative zur Vertreibung die Russifizierung in der Heimat. Eine derartige Alternative wurde den Ostdeutschen in der Regel nicht geboten.

Über Leo lernt Margit Eschenbach und damit auch der Zuschauer Eva kennen, die eher nolens denn volens in einem deutschen Haus wohnt. Die gastfreundliche alte Frau gehört zu jenen in Polen wie in der Bundesrepublik gerne totgeschwiegenen Ukrainern, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Polen aus ihrer Heimat vertrieben und in Ostdeutschland zwangsangesiedelt wurden. Von den aus ihrer Heimat vertriebenen Polen spricht man gerne, von den vertriebenen Ukrainern hingegen nicht. Sie passen nicht zum Klischee des polnischen Opfers. Zudem desavouieren sie die Lüge von der Vertreibung der Deutschen als gerechte Strafe, denn den Ukrainern werfen nicht einmal deren Feinde einen singulären "Kulturbruch" vor. Es ist interessant zu sehen, wie der eloquente Leo gegen Evas Widerstand die Behandlung der Ukrainer im heutigen Polen schönredet.

Über das nahegelegene Guttstadt, in der Vorfahren der Filmemacherin als Ärzte und einer auch als Bürgermeister wirkten, geht es zurück. Eschenbach ist enttäuscht über die "erschreckende Abwesenheit von Ästhetik", aber das Interesse für die Herkunft ist geweckt. Sie besucht ihre Tante Irmgard, die für sie Familienfotos von überall her zusammengetragen hat, und dann werden Bilderalben gekuckt, der Zuschauer mit den Verwandtschaftsverhältnissen der Familie von Eschenbachs Mutter vertraut gemacht. Es folgt die bemerkenswerte Selbstreflexion eines Flüchtlingskindes einschließlich selbstkritischer Abrechnung mit der Einstellung der 68er gegenüber dem Leid der Eltern- und Großelterngeneration

Die nächste Ostdeutschlandreise führt Eschenbach nach Königsberg. Wie wohl fast jeder beklagt auch sie, was aus der einst schönen Stadt durch angelsächsische Bombenangriffe, die anschließenden Bodenkämpfe zwischen Wehrmacht und Roter Armee sowie die sowjetische Politik geworden ist. Sie nennt das Leid der Deutschen unter der sowjetischen Besatzungszeit beim Namen und scheut sich auch nicht, politische Verantwortlichkeiten hierfür aufzuzeigen. Bei dieser Ostdeutschlandreise lernt der Zuschauer nun auch den väterlichen Teil von Margit Eschenbachs Familie kennen. Von ihm sucht sie vergebens Spuren in der Pregelmetropole. Vielleicht tröstet es manchen ihrer Landsleute, der vergebens in der Heimat die Stätte seiner Kindheit gesucht hat, wenn sie sagt: "So bleiben mir die schmerzhaften Gefühle erspart, die ausgelöst werden, wenn man den Verlust konkret vor sich sieht." Abgestoßen von Königsberg geht es über Rauschen, wo die Familie mütterlicherseits regelmäßig Urlaub machte, nach Frauenburg, wo der Theologe Edwin von Geheimnissen aus der Zeit des Kriegsendes zu berichten weiß. Den Schluß bildet ein melancholisches, besinnliches, kritisches und selbstkritisches, bescheidenes, dankbares Resümee, das einen betroffenen, nachdenklichen Zuschauer zurückläßt. D. Beutler

 
     
     
 
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