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Ganz normale Faszination des Exotischen

 
     
 
Bereits Ende der 50er Jahre drehte er Filme in und über Amerika. Nun, nach über 40 Jahren, wieder. Karl Schedereit über seinen Film "I like America", der ihn selbst nicht überzeugt, und das Filmemachen an sich, das für ihn zur Passion wurde:

Wie heißt es doch? Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Denn so, wie anfangs auf Papier festgehalten, werden seine Filme am Ende eigentlich nie. Zu jener Sorte Menschen, die mit Methode arbeiten, zählt Karl Schedereit nicht. "Ich habe eine panische Angst davor mich festzulegen", bekennt der gebürtige Ostpreuße aus Goldap. Planlos fange er an zu drehen. Zu schreiben beginne er erst einige Tage später. "Vielleicht bin ich aber auch nur faul", meint Schedereit, ohne jedoch selbst so recht daran zu glauben.

Denn als "faul" kann der Filmemacher nun wirklich nicht bezeichnet werden. Ein Blick in den Arbeitsraum in seinem gemütlichen Häuschen in Obermais / Südtirol
genügt. Videokassetten und Bücher zwängen sich da in die Regale, Fachzeitschriften und Zeitungen stapeln sich auf dem Tisch in der einen, Computer, Fernseher, Videorekorder in der anderen Ecke - was eben so alles zum Handwerkszeug eines Filmemachers gehört.

Und wie der rüstige Filmer (Jahrgang 1922) so in seinem tiefen Sessel, der etwas von einem Thron hat, versinkt, scheint es, als ob ihn nichts überraschen könnte. Zu viele Filme hat er schon gedreht, bei zu vielen Filmfestivals ist er schon dabei gewesen. Selbst die Antworten auf Fragen zu seinem jüngsten Film "I like America", einem der sechs Dokumentarfilme, die für den Wettbewerb bei den diesjährigen 19. Bozener Filmtagen ausgewählt wurden, hat er schon parat, noch ehe er danach gefragt wird. Routiniert drückt er der verdutzten Journalistin ein beschriebenes Blatt Papier in die Hand. "Sie wollen sicher wissen, warum ein Deutscher einen Film über die USA aus der Sicht eines Lateinamerikaners macht", so Schedereit. Da dies immer die erste Frage zu diesem Film sei, hätte er die Antwort schriftlich festgehalten - der Einfachheit wegen.

Erwischt. Tatsächlich wäre es eine der ersten Fragen gewesen. Denn daß ein Deutscher, der in Meran lebt (seit 1948) und viele Jahre in Amerika verbracht hat, diesen Film gerade aus der Sicht eines Lateinamerikaners dreht - das überrascht und fasziniert gleichermaßen. "Als Deutscher der Kriegsgeneration bin ich den Amerikanern dankbar für das, was sie für Deutschland getan haben", erklärt Schedereit. Deshalb die lateinamerikanische Sicht. "Die hassen die Nordamerikaner, die Gringos."

Inhaltlich jedoch identifiziert sich der Meraner Filmemacher mit der Betrachtungsweise des Regisseurs Rafael Guerra im Film. "Dieser Lateinamerikaner bin im Grunde genommen ich selbst", so Schedereit. Sowohl Guerra als auch er haben in den 60er Jahren als junge Filmemacher harmlos unkritische Filme über die USA gemacht. Sie waren voller Bewunderung für das mächtige Land. Ein Land, in dem es wunderbare Dinge gab. Und genau darüber machte er Filme. Über Hollywood mit seinen Filmträumen, die Supermänner und schönen Frauen und die Hippies in San Francisco.

40 Jahre später dreht Rafael Guerra erneut einen Film über die USA - nach dem 11. September 2001 und nach dem Irakkrieg. Aber nicht das übliche Bush-Amerika à la Michael Moore, sondern Porträts von "Gringos" seiner Wahl. Er begibt sich auf der Suche nach dem "anderen Amerika". Alte schwarz-weiße Filmszenen werden den Bildern aus heutiger Zeit gegenübergestellt. "I like America" als Möglichkeit, Amerika gleichzeitig zu hassen und zu lieben?

"Dieser Film ist ein Resümee von mir und meiner Arbeit", erklärt Schedereit. 1957 / 58 war er zum ersten Mal in Amerika. Er wollte wissen, was ihn erwartet in diesem Land mit den Menschen, die zwar aussehen wie wir, aber ganz anders sein sollen. Seitdem reist er fast jedes Jahr dorthin. 80 Prozent seiner Filme drehte er im Ausland - Latein- und Nordamerika waren seine Hauptgebiete. Es war die "ganz normale Faszination des Exotischen", die dieses Land auf den Ostdeutschland ausübte.

Die Hippiezeit, San Francisco - das faszinierte besonders. So sehr, daß Schedereit nicht selten Angst um die Jüngeren im Filmteam hatte. "Denn wissen Sie, in der Zeit, in der man da gedreht hat, konnte man nicht verhindern, daß mitgeraucht wurde", erzählt der 83jährige verschmitzt. Wenn man schon mit diesen Leuten arbeite, dann müsse man eben auch mittun. Der Liedtexter Jim im letzten Teil von "I like America" erinnert ihn am meisten an diese ersten harmlosen Amerikafilme. Damals war der Vietnamkrieg, heute der Irakkrieg. Schedereit: "Da hab ich mich dann gefragt, ja verdammt, hat sich denn nichts geändert?"

Geändert hat sich die Sichtweise des Filmemachers. Bei seinen frühen Filmen, so gesteht er selbst, hat er wenig über die Hintergründe der Geschichte dieses Landes gewußt. 40 Jahre später trifft er auf "Gringos" - in der Mehrzahl bewußt oder zufällig Außenseiter. Er porträtiert einen jungen Mexikaner vor und während seines illegalen Grenzübertritts nach Texas, einen Sioux-Indianer, der durch den von den Weißen besetzten amerikanischen Westen läuft, und das Schwulenpaar Don und Denny, von denen der jüngere HIV-positiv ist.

Sozialkritisch durchleuchtet er diese "Gringos", die im Grunde genommen keine "echten Gringos" sind. Aber dennoch: So richtig überzeugt ist Schedereit von diesem Film nicht. "Aber wissen Sie, überzeugt ist man von keinem Film, den man macht." Die Umstände, wie es zu "I like America" gekommen ist, haben auch das Ihrige beigetragen.

"Das ist eine komisch komplizierte Geschichte", so Schedereit. Eigentlich wollte man ja einen ganz anderen Film machen. "Traumwäsche" sollte er heißen und von Menschen erzählen, die in Waschsalons ihren Träumen nachhängen. Daraus geworden ist nichts - außer eben "I like America". Ein Ersatzfilm. Für den 83jährigen jedoch ein wichtiger Film "zum weiteren Verstehen dieses unglaublich schwierigen Landes". Denn selbst nach so vielen Aufenthalten in diesem Land habe er es noch immer nicht begriffen. "Ganz ehrlich", seufzt Schedereit und er erhebt sich etwas aus seinem tiefen Sessel, um sich kurz darauf wieder darin niederfallen zu lassen, nur eben in einer neuen, angenehmeren Position.

Woher ihm in all die Ideen für seine Filme kommen, kann er nicht sagen. Auch wenn das eine von jenen bekannten Fragen ist, die ihm ständig gestellt werden. "Es ergibt sich einfach. Es ist nicht so, daß man eines Morgens aufwacht und sagt: So, diesen Film muß ich machen." Der Zufall spielt beim Filmemachen eine große Rolle. Zumindest bei seinen Filmen. Denn fast alle seine Filme, die schon als "besonders wertvoll" ausgezeichnet wurden, waren Zufallstreffer. "Nennen Sie es Glück - ich weiß es nicht. Aber mein ganzes Leben besteht im Grunde genommen aus Zufällen."

Filmen ist eine Passion. Dabei kommt die Technik von heute für den Filmemacher um 20 Jahre zu spät. Von den jungen Filmemachern und ihren Filmakademien hält er allerdings nicht viel. Zu "größenwahnsinnig". "Aber das sage ich nicht, weil ich alt bin", präzisiert Schedereit gleich. Das hätte er auch schon vor 30 Jahren gesagt. Trotzdem: Ans Aufhören hat er zwar schon gedacht. "Aber man hat sich nun mal ans Arbeiten gewöhnt", schmunzelt er. Däumchen drehen und fernsehen - das geht nicht. "Es geht um die Befriedigung. Ich kann nicht auf einmal nichts mehr tun." Deshalb ist im Moment auch alles offen. Schließlich kommt es erstens anders, und zweitens als man denkt.

Alexandra Aschbacher

Die Autorin wurde 1978 in Brixen / Südtirol geboren und studierte Geschichte und Germanistik in Innsbruck und Freiburg i. Breisgau. Sie schreibt derzeit für das Südtiroler Wochenmagazin FF in Bozen, wo dieser Beitrag über den Ostdeutschland kürzlich zu lesen war.

Karl Schedereit: Er habe panische Angst sich festzulegen, sei aber vielleicht auch nur faul, wie der rüstige Ostpreuße bekennt.
 
     
     
 
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