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Schlägt man in diesen Wochen die Zeitung auf, begegnet man immer wieder dem Namen eines Mannes, dem man allenfalls in der Schulzeit Aufmerksamkeit gewidmet hat: Friedrich Schiller. Mit Lesungen, Ausstellungen, wissenschaftlichen Symposien will man an den deutschen Dichter und Dramatiker erinnern, will seine Werke wieder in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Anlaß ist der 200. Todestag des Dichters am 9. Mai. Nicht jeder mag nun literat urwissenschaftliche Beiträge zum Thema Schiller lesen, nicht jeder hat die Zeit, ins Theater zu gehen und sich (wieder einmal) ein Stück von Schiller anzusehen, sollte ein solches überhaupt auf dem Spielplan stehen. Wie aber sah das Leben des Mannes aus, der dieser Tage soviel Aufmerksamkeit erhält? Wie verbrachte Schiller seine Tage, wie wurde er zu dem Dichter des Sturm und Drang?
Mit 21 öffneten sich für Schiller und seine Freunde die verhaßten Tore der Herzoglichen Militärakademie von Stuttgart. Die erlittenen Qualen, Enttäuschungen und Erniedrigungen wollten sie nie vergessen, aber ebenso ihre Freundschaft nicht. Sie versprachen sich, auch weiterhin für einander einzustehen. Schon während ihrer Akademiezeit hatten sie, um die Demütigungen und den Drill ertragen zu können, heimlich Dichterlesungen veranstaltet. In dieser Zeit begann Schiller seine "Räuber" zu schreiben, um auf seine Weise gegen den eitlen, hartherzigen und verschwenderischen Herzog Carl Eugen zu rebellieren. Zunächst mußte Schiller jedoch auf Beschluß des Herzogs als Regimentsarzt in Stuttgart bleiben. Bevor seine Freunde und er ihre Dienste antraten, feierten sie ausgiebig in den Wirtstuben von Stuttgart bei Wein, Brot und Schinken ihre Freiheit. Schwankend auf einem Stuhl stehend, gab Schiller Szenen aus den "Räubern" zum Besten. Die Gäste applaudierten und schrien wild durcheinander. Es wurde ein solches Spektakel, daß der Wirt fürchtete, die Gendarmerie würde eingreifen. Später einmal werden die Leute, wenn sie Schiller auf der Straße begegneten, sich gegenseitig voller Bewunderung und Ehrfurcht zuflüstern: "Das ist unser Dichter Schiller, der Räuberhauptmann."
Udo Weinbörner schildert in seinem Roman "Schiller" auf überaus unterhaltsame und liebevolle Art den Lebensweg des Dichters. Er erzählt von seinen Werken, die vom Kampf für die Freiheit, gegen den Despotismus und für die Liebe handeln, von seiner Flucht nach Mannheim, seiner ständigen Geldnot und seiner immer wieder aufbrechenden Krankheit, die ihn zu Schreibpausen zwingt, aber auch von seiner ersten Liebe, die unerfüllt bleibt, weil Schiller eben nur ein armer Dichter ist. Der Leser begleitet Schiller bei seinen Reisen nach Leipzig, Jena und bis nach Weimar, wo er seine letzten Jahre verbringt. Er erfährt von seiner tiefempfundenen Liebe zu seiner Frau Charlotte und seinen Kindern und von seiner widersprüchlichen Beziehung und Freundschaft zu Goethe. Mit diesem Roman wird das "Denkmal Schiller" lebendig und zu einem Lesevergnügen. B. Mußfeldt
Udo Weinbörner: "Schiller", Langen Müller, München, geb., 531 Seiten, 24,90 Euro |
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