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Schrumpfte unsere Sonne, die einen Durchmesser von fast 1,4 Millionen Kilometern hat, in einem maßstabgetreuen Modell zur Größe einer Aspirintablette, dann läge der nächste Stern 140 Kilometer von ihr entfernt. Und verkleinerte man jeden Stern der Galaxis, in der wir leben, auf den Umfang eines Reiskorns, analog dazu die Raumdistanzen, so paßte eine solche Spielzeug-Milchstraße gerade noch in die Lücke zwischen Erde und Mond! Auch die kühnste Phantasie kann sich die Dimensionen des Universums nicht wirklich ausmalen, weder kosmologisch noch im subatomaren Bereich.
John Gribbin, Gastdozent der Universität Sussex, resümiert den astronomischen Wissensstand der Gegenwart. Der Autor erläutert komplexe Zusammenhänge, indem er Wort und Bild vorzüglich kombiniert . Allein die bizarre, faszinierende Schönheit der Fotos und bildlichen Darstellungen fremder Wel- ten lohnt die Lektüre.
Wie eigentlich mißt man die Abstände zwischen Sternen und Planeten? Frühere Astronomen stellten trigonometrische Berechnungen an, während man heute die Leuchtkraft eines Sterns analysiert, um herauszufinden, wie viele Lichtjahre er von uns entfernt liegt. Das von Sonnen ausgesandte Licht erlaubt es ebenso, mittels der Spektralzerlegung festzustellen, welche chemischen Elemente sie enthalten.
Im Universum entstehen und verschwinden unablässig Sterne, die ihre Geburt einer simplen Konzentration von Wasserstoffatomen verdanken. Wegen der Schwerkraft verschmelzen sie zu Helium. Dabei verwandelt sich ein Teil der Masse in freigesetzte Energie; sie wirkt der Anziehungskraft entgegen und verhindert, daß der Stern kollabiert. Sobald der Wasserstoff verbraucht ist, beginnt die Endphase des Sternenlebens. Je nach Größe der Sonnenmasse verläuft dieses Stadium sehr unterschiedlich.
Unsere Sonne, ein eher kleiner Stern, hat bereits die Hälfte seiner Lebensdauer, die rund zehn Milliarden Jahre beträgt, zurückgelegt. Eines Tages wird sie sich zum "´Roten Riesen" aufblähen und die Erde verbrennen. Dann kollabiert die Sonne und fristet ihr Dasein als "Weißer Zwerg" von extrem dichter Neutronenmasse. "Ein Fingerhut voll Neutronensternmaterie" enthält "genauso viel Masse wie die Körper aller Menschen zusammengenommen".
Noch mehr beeindruckt der Todeskampf weit größerer Sterne, sofern sie mit einer Supernova-Explosion enden. Ein solcher Stern schleudert innerhalb weniger Minuten hundertmal mehr Energie in den Raum als unsere Sonne in zehn Milliarden Jahren! Gewaltige Druck-wellen fluten durch das All, welche die Bildung neuer Sterne initiieren. Daran sind auch relativ schwere Elemente wie Kohlenstoff und Sauerstoff beteiligt, die, gebacken im Inneren großer Sonnen, die Evolution des Menschen ermöglichten.
Am Ende des Supernova-Prozesses bleibt ein großer Neutronenstern übrig, den enorme Schwerkraft beherrscht, die ihn zu einem winzigen Punkt schrumpfen läßt, "Singularität" oder "schwarzes Loch" genannt, das vielleicht bemerkenswerteste Phänomen des gesamten Kosmos. Unsere Erde "müßte auf die Größe einer Erbse zusammengepreßt werden", wollte man einen solchen Gravitationskollaps provozieren. Schwarze Löcher sind in sich geschlossene Universen, deren besondere Eigenart darin besteht, daß sie extreme Krümmungen von Raum und Zeit verursachen und sogar Licht absorbieren. Viele Astronomen glauben, daß schwarze Löcher Verbindungskanäle zu anderen Universen darstellen oder neue (Baby-) Universen quasi gebären. In unserer Galaxis soll es etwa 100.000 schwarze Löcher geben.
Die gesamte Masse des Alls, das viele Milliarden Galaxien enthält, war ursprünglich in einem Punkt konzentriert, den man sich weit kleiner als ein Atom vorzustellen hat. Erst mit dem "Urknall" vor etwa 15 Milliarden Jahren entstanden Raum, Zeit und Licht. Undenkbar kleine "Rippeln" innerhalb der Singularität, hervorgerufen durch Quantensprünge mancher Energiewellen, verklumpten später Teile der Materie, bis die Gravitation diese Anhäufungen zu Galaxien formte.
Seit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie von 1916 wissen wir, daß Raum, Zeit und Gravitation wie verschiedene Seiten des gleichen Phänomens zu betrachten sind. Die Schwerkraft krümmt den Raum, und mit der Expansion des Raumes bewegt sich der "Zeitpfeil" nach vorn, das heißt in die "Zukunft".
Das Universum wächst immer schneller und schwächt die Gravitation, so daß irgendwann alle Sterne verglühen werden. Obgleich dem Universum der Kältetod bevorsteht, können wir uns dennoch trösten, weil unser Weltraum beileibe nicht der einzige ist. Schwarze Löcher und die Resultate der Quantenmechanik legen eine faszinierende Hypothese nahe. In anderen Dimensionen existieren zahllose Universen und dauernd entstehen neue!
Wohl jeder hat schon darüber nachgedacht, ob sich Leben außerhalb der Erde zu etablieren vermochte. Mutmaßlich wimmeln im Kosmos zahlreiche Gestirne, die der Erde ähneln und Leben gestatten, wie wir es kennen. Bisher sah niemand Sonnentrabanten jenseits des Pluto; aber es gibt indirekte Beweise ihrer Existenz. Manche Sonnen `taumeln`; verantwortlich dafür ist die Gravitation von Planeten, die sie umkreisen.
Menschliches Leben basiert auf komplizierten physikalischen und biochemischen Bedingungen, die schon minimalste Änderungen gefährden. Laut Gribbin entstand nicht nur der Mensch, sondern auch die spezifische Ordnung unseres Weltraums dank des Mechanismus von Mutation und Selektion. Gibt es eine vergleichbare Evolution vielleicht sogar bezüglich der Abfolge der Universen? Sicher ist zumindest eines - die Lektüre des Gribbinschen Buches zeigt, welchen Genuß es bereitet, die Theorien der Astrophysiker zu studieren. Rolf Helfert
John Gribbin: "Der Weltraum. Von Urknall, Schwarzen Löchern und fremden Welten", Egmont vgs Verlagsgesellschaft, Köln 2002, 240 Seiten, 34,90 Eur |
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