|
Schlagzeilen über Todesfälle sind meist auch Anklagen. Bei "Hitzetoten" lassen sich zwar keine Täter ausmachen, doch säumige Behörden sind immer da. Und im konkreten Fall gibt es noch die angeblichen Verursacher des angeblichen Treibhaus-Effekts.
Aber was sind eigentlich "Hitzetote"? Todesursachen liefern einander einen gnadenlosen Konkurrenzkampf, denn jeweils nur eine schafft es in die Statistik. Bei Fremdeinwirkung (Unfall, Verbrechen etc.) ist dies eindeutig. Bei natürlichem Ableben - Epidemien eingeschlossen - wird es schwieriger. Denn selbst wenn Herzinfarkt im Totenschein steht, waren vielleicht auch die Leber, der Magen und die letzte Grippe beteiligt. Oder der Ärger über Regierung und böse Nachbarn. Oder die Hitzewelle. Doch zu wieviel Prozent?
Die "Hitzetoten" selbst lassen sich in zwei Gruppen gliedern: Die größere umfaßt ältere Menschen, die es eben nicht mehr schafften. Es sind keine klassischen "Pflegefälle", sondern meist alleinstehende Personen, die in der gegebenen Situation überfordert waren. Vielleicht hätte es gereicht, ihnen das Einkaufen abzunehmen. Oder sie an aus- reichende Flüssigkeitsaufnahme zu erinnern. Oder das "Temperatur-Management" in der Wohnung zu besorgen, nämlich das mühsame Öffnen und Schließen von Fenstern und Jalousien - rechtzeitig und zweimal am Tag. Das Ableben dieser Personen hat somit eine starke soziale Komponente, die bedeutsamer sein könnte als die medizinische.
Die andere Gruppe umfaßt Menschen, die sich überschätzten. Sonne, Anstrengung, Reizüberflutung, Schlafmangel, Alkohol und Aufputschmittel konnten - vor allem in Kombination - zum "Hitzetod" führen. Auch das ist ein gesellschaftliches Problem, doch - fast grotesk - nur die "Spitze des Eisbergs": Denn die Mitglieder der Spaßgesellschaft, inspiriert durch mediale Trugbilder von Sonnenbräune, Ballermann, Extremsport und Abenteuerreisen, kommen meist mit dem Leben davon und dürfen sich in ihrer Vollkasko-Mentalität darauf verlassen, daß Krankenstand, Behandlung, Rück-transport und Invalidenrente von der Allgemeinheit getragen werden.
Rein statistisch betrachtet gleichen sich hitzebedingte "Vorzieh-Effekte" in kurzer Zeit wieder aus. Auch Verschiebungen von einer Todesursache zur anderen ändern nicht die Zahl der Toten. Wohl aber bedeuten sie unterschiedlich hohe Verluste an restlicher Lebenserwartung, und genau da muß angesetzt werden! Natürlich nicht in dem Sinn, daß sich eine "Behandlung nicht mehr auszahlt", sondern daß vorrangig jene potentiellen Todesursachen - sprich: Risikofaktoren - anzugehen sind, bei denen es sich am meisten auszahlt. Und das sind nicht unbedingt immer jene, die Schlagzeilen machen. Man sollte einmal ausrechnen, wie sich der durch unsinnige Verkehrsschikanen ausgelöste Frust als Lebensverkürzung auswirkt, und dies in Summe mit der restlichen Lebenserwartung von angeblich eingesparten "Verkehrstoten" vergleichen.
Im übrigen haben "Hitzetote" so wie Alterskrankheiten auch etwas Tröstliches an sich: Sie beweisen, daß man heute vieles überlebt, woran man einst schon in jungen Jahren gestorben wäre. RGK |
|