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Am Tag der Deutschen Einheit, dem 3. Oktober 2003, ist es genau zehn Jahre her, seit der Bundesvorstand der CDU auf Vorschlag seines Vorsitzenden, Bundeskanzler Helmut Kohl, den sächsischen Ju-stizminister Steffen Heitmann als Bundespräsidenten nominierte. Mit diesem Vorschlag sollte er die Nachfolge von Richard von Weizsäcker antreten. Damit wäre zum erstenmal ein Deutscher aus den "neuen" oder "jungen" Bundesländern zum Staatsoberhaupt gewählt worden. Heitmann hatte seine Bereitschaft zu dieser Kandidatur geäußert - doch genau 53 Tage später, am 25. November, erklärte er seinen Verzicht.
Vorausgegangen war eine beispiellose Hetzkampagne der Linken und ihrer Mitläufer gegen den konservativen Kandidaten aus Dresden, der ihnen von Grundhaltung und Überzeugung nicht paßte. So nannte der Stern Heitmanns Aussagen einen "Reihenabwurf verbaler Sprengsätze". Bis in die Reihen der CDU reichte die linke "Ablehnungs-front" gegen Heitmann. Der dem damaligen Bundespräsidenten von Weizsäcker sehr nahestehende CDU-Bundestagsabgeordnete Fried- bert Pflüger kolportierte nicht nur dessen Vorbehalte gegen Heitmann, sondern sah bei einer Wahl Heitmanns "den Grundkonsens der Republik" in Gefahr.
Tatsache ist jedoch, daß Konser-vative eher als andere die langfristi-gen gesellschaftlichen Folgen politi-scher Entscheidungen erkennen, etwa bei der Zuwanderung, zu der Heitmann sagte: "Ich halte doppelte Staatsbürgerschaft für nicht praktikabel und gar nicht erstrebenswert, so weit sind wir nicht." Erst 2003 wies dann Bundespräsident Johannes Rau auf die durch Zuwanderung entstandenen Probleme hin.
Fast ein Drittel der Schulkinder stamme nicht aus Deutschland, ihre Deutschkenntnisse seien oft unzureichend oder gar nicht vorhanden und: "Ich kann verstehen, wenn nicht nur Mädchen und junge Frauen Angst vor Anmache oder Einschüchterung haben. Schwer wird das Zusammenleben dort, wo sich manche nicht mehr zu Hause fühlen, sondern wie Fremde im eigenen Land", sagte der Bundespräsident.
Als Heitmann zehn Jahre früher, in der Form viel zurückhaltender, ähnliches sagte, wurde er landauf, landab in Reih und Glied mit dem Rechtsradikalismus gestellt, bis Kohl ihn schließlich unter diesem massiven Druck fallenließ. Der Weg ins Präsidentenamt war nun für Roman Herzog frei, "für ihn nicht unerwartet", wie der stets gut informierte ntv-Chefkorrespondent Volker Jacobs zu berichten wußte.
Bei der Suche nach Gründen für die Auswechselung der Kandidaten für die Bundespräsidenschaft, kann nur vermutet werden, daß dabei auch das Problem der Rückgabe der Boden-Reform-Ländereien und -Immobilien, die in den Jahren von 1945 bis 1950 enteignet worden waren, eine Rolle spielte. 1990 schätzte man "im Westen" die Zahl solcher Enteignungsfälle von "Schlotbaronen und Großgrundbesitzern", wie es im SED-Jargon der Nachkriegsjahre gehießen hatte, auf rund 18 000. Niemand rechnete mit über zwei Millionen.
Es entstand die Illusion, aus dem Verkaufserlös dieses nun "volkseige-nen Vermögens" einen Großteil der "Kosten der Einheit" bezahlen zu können. Darum wurde behauptet, die "andere Seite", also die Sowjet-union habe der Wiedervereinigung nur unter der Voraussetzung zugestimmt, daß diese Enteignungen nicht rückgängig gemacht würden.
Dagegen stehen aber die Aussa-gen zu diesem Thema von Gorba-tschow und allen anderen an den Verhandlungen Beteiligten der anderen Seite. Heiko Peters hat in dieser Zeitung darauf hingewiesen, daß Helmut Kohl selbst unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Moskau erklärt habe, die Sowjetunion habe der Wiedervereinigung "ohne jede Bedingung zugestimmt".
Auch die Volkskammer der DDR stimmte dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland ohne jede Bedingung zu. Sie hätte in ihrer Situation auch keinerlei Macht dazu gehabt, Bedingungen zu stellen.
Das Junktim, nach dem die Wie-dervereinigung nur dann erfolge, wenn die Enteignungen von 1945 bis 1950 nicht rückgängig gemacht werden, sowie seine rechtliche Absicherung durch eine verfassungsändernden Beschluß ist offen- sichtlich eine Erfindung der Bonner Politik. Der Deutsche Bundestag hatte unter höchstem Zeitdruck zu entscheiden, und nicht wenige Abgeordnete fühlten sich genötigt. Diesen verfassungsrechtlichen Absicherungen hatten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1991 zu folgen, dessen Präsident Roman Herzog war. Er war daran selbstverständlich auch später als Bundespräsident nicht nur rechtlich gebunden, sondern auch als Person festgelegt. Roman Herzog hatte daher allen Grund zu erwarten, daß sein Weg "auch ohne sein Zutun" in das Bundespräsidialamt führen werde, wie es Volker Jacobs wußte. Er wurde erwartungsgemäß ein Bundespräsident, der sein Amt eindrucksvoll und mit großer öffent-licher Anerkennung ausführte.
Für Steffen Heitmann aus Dresden hingegen, den Kohl zunächst ausersehen hatte, um in den neuen Ländern politisch Punkte zu sam-meln, blieb angesichts dieser Über-legungen kein Platz mehr, und er hatte daraus die Konsequenzen zu ziehen. Er war unter die Räder ei-ner politischen Interessenentschei-dung geraten. Er hat über die Jahre, seine klare und mutige Grundhaltung bewahrt, wie aus seinen Aussagen ersichtlich ist, bis hin zur Kritik an der Tatsache, daß die DDR mehr und mehr in den Medien aus dem Blickwinkel der westdeutschen Spaßgesellschaft mißverstanden wird. Deutschland aber hat noch immer keinen Bun-despräsidenten aus dem Teil Deutschlands, der nach 1945 ohne eigenes Zutun die schlechteren Karten gehabt hat, aber seinen deutschen Charakter mehr als manch anderer bewahrt hat.
Es gab nach der Einheit keine Reform, keinen Aufbau, aber Schacher
Ein Bundespräsident aus dem Osten wäre ein Glücksfall |
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