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Leserbrief zum Artikel "Wir können nicht verzeihen, weil man uns nie um Verzeihung gebeten hat" (FAZ vom 17. Juli):
"Es ist verständlich, daß Michaela Wiegel aus Oradour die offizielle französische Darstellung der Tragödie, die sich dort vor 55 Jahren ereignete, übermittelt hat. Aus deutscher Sicht muß aber gesagt werden, daß seit 1981 seriöse Forschungen von Herbert Taege vorliegen, die neuerdings durch Vincent Reynouard bestätigt wurden. Sie bringen den Indizienbeweis, daß die Kirche mit den über 200 Frauen und Kindern nicht durch Soldaten des Regiments ,Der Führer der 2. SS-Panzerdivision in Brand gesteckt wurde. Im Turm und unter dem Dach des Kirchenschiffs hatten französische Partisanen große Mengen Munition und Sprengstoff versteckt. Sie sprengten diese Vorräte, und dadurch wurden die meisten Frauen und Kinder getötet. Nur wenige konnten durch Soldaten der Waffen-SS gerettet werden.
Im Dezember 1963 besuchte der damalige Oberstleutnant der Bundeswehr, Eberhard Matthes, in Uniform Oradour, und zwei überlebende Frauen bestätigten ihm ihre Rettung durch Soldaten. In einer eidesstattlichen Erklärung vom 16. November 1980 bezeugte er diese Tatsache. Die Akten des Prozesses vor dem Höheren Militärgericht 1953 in Bordeaux wurden für die Dauer von 70 Jahren in ein Geheimarchiv überführt. Ihre Freigabe würde die Indizienbeweise durch Tatsachenbeweise ersetzen." Hubert Meyer Leverkusen "Im Jahre 1992 setzte die Bush-Regierung eine ,Richtlinie für den Verteidigungsplan in Umlauf, die wie ein nützlicher Denkzettel verstehen läßt, was die Grundabsicht der amerikanischen Außenpolitik ist. Darin wurde dargelegt, daß die Vereinigten Staaten so zu handeln haben, daß sie gleichzeitig beruhigen und abschrecken, nämlich ,mögliche Konkurrenten von einem Streben nach einer größeren regionalen oder globalen Rolle. Was sieben Jahre lang unvorstellbar schien, ist nun nach 70 Tagen deutlich geworden. Der Krieg im Kosovo hat laut den Worten von Victor Tschernomyrdin, dem früheren russischen Ministerpräsidenten, einer prowestlichen Stimme ,die amerikanisch-russischen Beziehungen um mehrere Jahrzehnte zurückversetzt.
Umfragen zeigen, daß er recht hat. 72 Prozent der Russen haben jetzt eine schlechte Meinung von den USA, während es vor dem Krieg nur bis zu 28 Prozent waren. In China haben wir einen Ausbruch von anti-amerikanischer Wut gesehen, die unheimlich an die Kulturrevolution erinnert. Und die Lehre, die Europa aus diesem Krieg gezogen hat, lautet, daß es zu abhängig von den USA ist. Am letzten Donnerstag stimmten zum ersten Mal in ihrer Geschichte die 15 Länder der Europäischen Union überein, Europa mit einer militärischen Kraft auszustatten, mit unabhängigem Kommando, unabhängiger Kontrolle und unabhängigen Truppen. Unabhängig, das bedeutet, unabhängig von den Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn im Mittelpunkt der Welt nach dem Ende des Kalten Krieges die einzigartige Macht Amerikas stand, so hat der Krieg im Kosovo die ersten Wallungen gebracht: mit einem Groll gegen die Großmacht, mit Ablehnung und Konkurrenzkampf." "News-Week", 14. Juni 1999
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