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CDU: Schönbohm entgleitet die Macht

 
     
 
Es gehört ein erhebliches Maß an Naivität dazu, wenn Parteimitglieder glauben, ihre an die Partei adressierten Emails würden nicht mitgelesen. Schließlich handelt es sich bei der E-Mail um eine Kommunikationsform, die so offen auf dem Rechner einzusehen ist wie eine Postkarte, die auf dem Küchentisch liegt.

So naiv ist niemand in der Brandenburger CDU. Bei der Aufregung um weitergereichte elektronische Nachricht
en geht es um mehr, es geht um die Nachfolge von Jörg Schönbohm, dem seine Parteifreunde das Amt massiv zu verleiden versuchen.

Im Mittelpunkt der "E-Mail-Affäre" steht der 38jährige Sven Petke. Der CDU-Generalsekretär hat das Sommerloch zur Profilierung genutzt. Der Gubener ist verheiratet mit der nicht minder bekannten CDU-Bundestagsabgeordneten Katherina Reiche, die 2002 Edmund Stoibers Schattenkabinett angehört hatte.

Petke und Reiche sind Vertreter eines neuen Typus von Unionspolitikern. Sie als (ehemals) ledige Mutter; er als jemand, der mit "Ossi-Befindlichkeiten" Wähler an sich zu binden versucht. "Nicht alles war schlecht, was die Menschen gewollt und geleistet haben", steht im neuen CDU-Programmentwurf. Der Satz geht auf Petke zurück, heißt es in der Union. Außerdem sorgt sich der Generalsekretär um das "soziale Profil" der Partei - zu deutsch: Er will sie weiter nach links rücken.

Das sind ungewohnte Töne aus der märkischen CDU, deren Spitzenmann Jörg Schönbohm im vergangenen Jahr noch gegen die "Verproletarisierung" der Menschen durch die Kommunistenherrschaft wetterte. Doch die Tage des Innenministers als starker Mann in der CDU Brandenburg sind gezählt, er will im nächsten Jahr abtreten.

Ex-General Schönbohm hat schon jetzt nicht mehr viel in der CDU zu sagen. Durch die E-Mail-Affäre ist der Eindruck entstanden, er habe die Dinge nicht unter Kontrolle. Die Cottbuser Bürgermeisterwahl bestätigt diesen Eindruck nun.

Folgendes ist geschehen: Für die Brandenburger CDU haben Generalsekretär Petke und Geschäftsführer Rico Nelte - wie dies auch in anderen Parteien üblich ist - einen Unternehmer mit der Gestaltung ihrer Internetseite beauftragt. Der Dienstleister heißt Daniel Schoenland.

Schoenland war obendrein persönlicher Angestellter des Abgeordneten Petke. Die beiden arbeiteten Hand in Hand, bis es aus irgendwelchen Gründen zum Krach gekommen ist. Petke hat Schoenland gefeuert, nennt ihn neuerdings einen "Kriminellen".

Schoenland seinerseits ist Inhaber der Domain www.cdu-brandenburg.de (also der Internetadresse), die er kurzerhand abschalten ließ. Als wäre das nicht peinlich genug, behauptet Schoenland nun, Petke und Nelte hätten E-Mails, die an andere CDU-Funktionäre adressiert gewesen seien, geöffnet und gelesen. Er gebrauchte in diesem Zusammenhang den Begriff "Stasi-Methoden". Angesichts der "Nicht-alles-war-schlecht"-Rhetorik von Pekte ist dies natürlich von ganz besonderer Ironie.

Die beiden CDU-Ministerinnen Johanna Wanka (Kultur) und Beate Blechinger (Justiz) toben. Selbst die SPD heuchelt Anteilnahme, und die Presse sieht die Große Koalition in Potsdam "in Gefahr" ("Berliner Morgenpost").

In der vergangenen Woche sprach die Landtagsfraktion dem Generalsekretär mehrheitlich das Mißtrauen aus wegen der Affäre. Petke solle sein Amt ruhen lassen, lautet eine Forderung. Zumindest solange, bis die Staatsanwaltschaft, die bereits die Ermittlungen aufgenommen hat, Ergebnisse vorlegt.

Angeblich stützt Schönbohm seinen Generalsekretär nur deshalb, weil er befürchtet, daß seine Macht noch schneller erodiert, wenn der stürzt. Petke hatte unter Schönbohm "freie Hand".

Daß Schönbohm "nichts mehr zu sagen hat", sprechen aber auch seine Cottbuser Parteifreunde deutlich vernehmbar aus. Die Cottbuser CDU geht sogar noch weiter und legt es offenbar regelrecht auf einen Kampf mit dem Parteichef an: Selbst ein Anruf der Kanzlerin würde die Christdemokraten nicht von ihrem Vorhaben abbringen, mit der FDP und der Linkspartei/PDS einen gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten für Cottbus zu unterstützen, donnert eben dieser Kandidat.

Hintergrund: Holger Kelch (CDU) will am 22. Oktober zum Bürgermeister der zweitgrößten Stadt Brandenburgs gewählt werden und stützt sich dabei auf ein buntes Bündnis, das manchen an die alte Nationale Front, also an die SED und ihre "Blockflöten", erinnert. Es gibt sogar ein gemeinsames Positionspapier, die Zusammenarbeit wurde bis 2008 vereinbart.

Anders als im Fall Petke, in dem sich Schönbohm Zurückhaltung auferlegt hat, poltert er gegen die Parteifreunde im Süden des Bun-deslandes um so lauter: Das sei eine "Schweinerei", teilte er mit. Verhindern konnte der Innenminister das Bündnis trotzdem nicht.
 
     
     
 
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