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Die "neue CDU im Westen", wie sie sich nennt, steht vor einer schweren Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai. Eine "alte CDU im Osten" gab es noch vor einem Jahrzehnt in der DDR. Diese tat damals das aus ihrer Sicht einzig Richtige: den Zwängen der Blockpartei entronnen, warf sie sich vor der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 der westdeutschen Kanzlerpartei an den Hals. Die wiederum war heilfroh, in der DDR wenigstens ein organisatorisches Gerippe vorzufinden, an das sich parteipolitisch anknüpfen ließ. Die SPD hatte dieses Glück nicht. Sie war einst mit der KPD zur SED geworden, und diese nannte sich jetzt PDS. 1990 verbot es sich für die SPD noch, mit den Kommunisten zu paktieren. Erst nach einer kurzen Schamfrist begann sie wieder, mit der PDS zu flirten und schließlich zu kooperieren.
Auch der CDU erschien es damals nicht opportun, nur mit Kandidaten anzutreten, die zu Recht oder Unrecht als "Blockflöten" geschmäht wurden, auch wenn sich zu ihnen einige Neuerwerbungen gesellten, welche die Ost-CDU seit 1989 gemacht hatte. In dieser Lage fielen die Blicke der CDU auf die auf neu gegründete, zunächst von der bayerischen CSU geförderte Deutsche Soziale Union (DSU) und das DDR-Eigengewächs Demokratischer Aufbruch (DA), der um Rainer Eppelmann gruppiert, seine Wurzel in der demokratischen Bürgerbewegung hatte. Auch die designierte CDU-Vorsitzende Angela Merkel hatte sich im DA engagiert. Die CDU band diese beiden Parteien in eine "Allianz für Deutschland" ein, die fortan im Wahlkampf gemeinsam auftrat. Auf dem Stimmzettel allerdings blieb jeder der drei Partner für sich. Nach der erfolgreichen Wahl, bei der die CDU 40,8, die DSU 6,3 und der DA 0,9 Prozent, die Allianz zusammen also über 48 Prozent der Stimmen erhielten, exekutierte die CDU wieder ihr altes Dogma, daß es "rechts" von der CDU keine demokratische Partei geben dürfe. Nach dem eigennützigen und zugleich bequemen Motto, daß sich im Osten alles, aber im Westen nichts zu verändern habe, wurden die Wahlkampfpartner aus- und aufgesaugt und zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Damit wurde zugleich die Chance vertan, mit der Wiedervereinigung in Deutschland bundesweit eine konservative, demokratische Partei zu etablieren, wie sie traditionell zur deutschen und europäischen Parteienlandschaft gehört.
Die CDU selbst ist nach ihrem Selbstverständnis keine konservative Partei, sondern eine Union aus Christlich-Sozialen beider Konfessionen, Liberalen und Konservativen. Als Volkspartei war sie so lange erfolgreich, wie in ihr diese Traditionen politisch und personell im Gleichgewicht waren. Dieses Gleichgewicht ist allerdings seit langem und im wachsenden Maße nachhaltig gestört. Der soziale und der liberale Parteibereich hatten und haben außerparteilich in SPD und FDP und in vielen Medien geistesverwandte Partner, mit denen sie sich politisch "die Bälle zuspielen" konnten. Das förderte und festigte ihren Einfluß in der eigenen Partei. Die Konservativen in der CDU haben solche außerparteilichen Partner nicht. Im Gegenteil, die CDU erhebt praktisch einen Alleinvertretungsanspruch für konservative Politik, ohne selbst eine solche zu betreiben. Das hat dazu geführt, daß Multikulti, Quotismus und Euromanie das Erscheinungsbild der CDU in einem Ausmaß prägen, das im Gegensatz zu den Überzeugungen der breiten Parteibasis der CDU steht. Eine konservative Partei neben der CDU wäre daher für die Partei als Konkurrent und Partner gleichermaßen von größter Bedeutung.
CDU und CSU stehen jetzt nach dem mehr als peinlichen Ende des Systems Kohl nicht nur vor dem Problem der personellen Erneuerung. Es geht mehr noch um Illusionslosigkeit hinsichtlich der Möglichkeiten, aus eigener Kraft die Regierungsverantwortung zurückzuerobern, vor allem, weil bei der FDP der Flirt mit der SPD längst begonnen hat. Es geht für die Unionsparteien um ihre Strategiefähigkeit, die davon ausgehen muß, daß "Bimbes", "Einbinden" und "Abdecken" in der Vergangenheit zum langjährigen Machterhalt dienlich waren, aber in Zukunft gewiß nicht zur Rückgewinnung verlorener Macht.
Als Parteien der Freiheit sollten sich die neue CDU im Westen wie im Osten und die auf Bayern beschränkte CSU der Allianz für Deutschland erinnern, und zwar mit dem Ziel dauerhafter Diversifikation, wie sie im linken Spektrum bereits Realität ist. Eine selbständige konservative Partei, die außerhalb Bayern mit Landeslisten kandidiert, sollte in Bayern die Chance zu mindestens drei Direktmandaten erhalten, mit der Folge, daß alle für sie im Bundesgebiet abgegebenen Stimmen bei der Mandatsverteilung im Parlament berücksichtigt werden. Diese Partei könnte ein gewiß nicht leichter, aber ein solider Partner sein. Sonst werden andere in konservativen Gefilden auf Jagd gehen, die sich jeder Zusammenarbeit entziehen.
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