|
Die Sozialdemokratische Partei ist ausgegangen und geht aus von jeder Ablehnung und Bekämpfung der Kollektivschuld. Das bedeutet nicht, daß sie damit individuelle Verbrechen entschuldigt oder gar zudecken will. Sie tritt für die strafrechtliche Verfolgung kriminell er Delikte ein … Aus dem Zweiten Weltkrieg sind mehr als 900000 Angehörige der Waffen-SS zurückgekehrt. Diese Waffen-SS ist weder mit der allgemeinen SS, noch mit den speziellen Organisationen der Menschenvernichtung und -verfolgung gleichzusetzen, sondern hat sich selbst als ... vierter Wehrmachtsteil gefühlt und ist damals auch so gewertet worden … Sicher sind viele junge Menschen Träger einer spezifisch hitlerischen Ideologie gewesen, ohne aber die Verbrechen der zwölfjährigen Diktatur als solche zum Bestandteil ihrer politischen Zielsetzung zu machen, sehr oft, ohne sie zu kennen oder ohne sie ausreichend zu kennen. Hunderttausende aber sind ohne ihr Zutun für die SS als Wehrmachtsteil eingezogen worden oder von anderen Formationen … gegen ihr Wollen zur Waffen-SS abkommandiert worden. Die Mehrzahl dieser 900000 Menschen ist in eine ausgesprochene Pariarolle geraten. Sie sind kollektiv haftbar für die Verbrechen des SD und der Menschenvernichtungsaktionen gemacht worden, trotzdem sie als Waffen- SS kaum nähere Berührung damit hatten als andere Wehrmachtsteile. Zu jedem totalitären System hat es gehört, mit allen Methoden der Verstrickung ein Ergebnis der Mitschuld aller zu erzeugen.
Im Falle der Waffen-SS hat man mit Bewußtsein der Welt eine totale Komplizität herbeizuführen sich ziemlich erfolgreich bemüht. Uns scheint es eine menschliche und staatsbürgerliche Notwendigkeit zu sein, diesen Ring zu sprengen und der großen Masse der früheren Angehörigen der Waffen-SS den Weg zu Lebensaussicht und Staatsbürgertum freizumachen. … Die überwiegende Mehrheit hat die NS-Ideologie verlassen.
Dr. Kurt Schumacher, damals SPD Parteivorsitzender, im Oktober 1951 in einem Brief an Professor Liebmann Hersch von der jüdischen Organisation „Der Bund“, Genf. |
|