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Chaos im Wartezimmer

 
     
 
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein neues Auto bestellt. Sie haben ein paar Monate geduldig gewartet (eigentlich sollte es nur ein paar Wochen dauern!). Endlich ist es soweit, Sie wollen Ihr stolzes Gefährt beim Händler abholen und losfahren.

Und dann dies: "Die Reifen? Da muß noch ein wenig nachgearbeitet werden." - "Das Lenkrad? Kommt wohl in drei bis vier Wochen." - "Die Bedienungsanleitung? Daran arbeiten wir noch; die japanische Ausgabe ist schon so gut wie fertig." - "Der Preis? Selbstverständlich versuchen wir, den vereinbarten Rabatt von 0,5 Prozent zu halten. Ob wir das schaffen, wissen wir noch nicht, dafür konnten wir den Anstieg der Überführungs- und Zulassung
skosten aber auf höchstens 50 Prozent begrenzen."

Mal ehrlich, liebe Leser: Würden Sie hier ein Auto kaufen? Nun, die Genossen in Berlin verkaufen keine Autos, sie "verkaufen" Politik. Das eigentlich Schlimme daran: Sie wollen nicht nur Politik verkaufen, sie machen Politik. Am liebsten Reformpolitik.

Und nachdem die Genossin Ulla Schmidt nun einmal auf nicht näher bekannte Weise zur Bundesgesundheitsministerin avancierte, macht sie am allerliebsten eine Politik, die sie als Gesundheitsreform verkaufen will. Die Kennzeichnung ist irreführend: Total bürokratisiertes, bis zur letzten Pillenschachtel durchorganisiertes Chaos wäre zutreffender.

Seit Anfang Januar herrscht in Deutschlands Wartezimmern nur noch ein Gesprächsthema: Wem wieviel Geld für welche (meist noch gar nicht erbrachten) Leistungen aus der Tasche gezogen wird. Und für viele, die es gar nicht erst bis ins Wartezimmer geschafft haben (Gehbehinderte oder Heimbewohner zum Beispiel), heißt die nächste Frage: Aus welcher Tasche? Einerseits Taxifahrten und Krankentransporte gestrichen, andererseits Zuzahlung und Praxisgebühr, egal, wie gering das Taschengeld ist - da sind oft die Taschen so leer, daß man sich den Arztbesuch nicht mehr leisten kann. Ein unglaublicher Skandal in einem Land, das trotz Konjunkturflaute immer noch zu den wohlhabendsten dieser Erde zählt!

Derweilen turnt die Gesundheitsministerin mit ihrem Alles-wird-gut-Grinsen über die Bildschirme, sieht allenfalls ein paar kleine Übergangsproblemchen und kann überhaupt nicht verstehen, worüber Patienten, Ärzte, Sprechstundenhilfen, Apotheker und Krankenkassenbedienstete sich eigentlich aufregen.

Immerhin hat die Ministerin, nach nur einer vollen Arbeitswoche im neuen Jahr, erkannt, daß es hier und da Nachbesserungsbedarf gibt: Vorrangig sollen nun die Folgerezepte für die Antibabypille ohne Praxisgebühr ausgegeben werden. Zwar hat Ulla Schmidt bislang die gesundheitspolitische Bedeutung dieses Schrittes nicht erklärt (gilt Schwangerschaft inzwischen etwa als schwere Erkrankung?). Vielleicht reklamiert Kollegin Renate Schmidt das Reformprojekt ja nun für sich - als Musterbeispiel sozialdemokratischer Familienpolitik. Juliane Meier

Ratlos: Selbst die Macher der Gesundheitsreform sind sich nicht sicher, wann die 10 Euro fällig sind.
 
     
     
 
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