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Das Böblinger Menetekel

 
     
 
Am Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit will die Regierung Schröder gemessen werden. Wenn sie bis zum Ende der Legislaturperiode nicht deutlich zurückgegangen sein sollte, haben wir versagt, sagt der Kanzler. Und sein vorsitzender Finanzminister Lafontaine nennt konkret die Zahl von drei Millionen. Derzeit weist Nürnberg viereinhalb Millionen Arbeitslos
e aus.

Da hat sich die Regierung Großes vorgenommen. Daß sie ihr Ziel erreichen könnte, ist schwer vorstellbar. Das liegt nicht nur an der zu befürchtenden investitionsfeindlichen Steuerreform, sondern mehr noch an der unverantwortlichen Tarifpolitik jener Spitzenfunktionäre von IG Metall und ihrer Partner auf der Arbeitgeberbank, die unter der problemblinden Moderation des einstigen SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel den sogenannten "Böblinger Kompromiß" vereinbart haben: ein Bündnis gegen die Arbeitslosen.

Porsche, Bosch und Daimler/Chrysler mögen diese gut vier Prozent Lohnerhöhung aus ihren gewinnberstenden Schatztruhen verteilen können, der großen Masse der mittelständischen Betriebe gehen solche und vergleichbare Lohnabschlüsse an die Substanz. Oder deutlicher: an die Existenzfähigkeit. Aber darum schert sich die IG Metall nicht. Sie droht sogar, mit einem "Häuser-kampf" Böblingen durchzusetzen, was nichts anderes bedeutet als kompromißlose Streiks gegen jedes widerspenstige Einzelunternehmen.

In den neuen Bundesländern flüchten bereits – satzungsrechtlich abgesichert – Unternehmen zuhauf aus den Arbeitgeberverbänden, um dem für sie ruinösen Flächentarifvertrag zu entkommen. Die mittelständischen Unternehmen in Westdeutschland, die satzungsrechtlich keine Möglichkeit haben, kurzfristig auszuscheren, werden sich auf den "Häuserkampf" nicht einlassen. Sie werden zahlen, damit ihnen nicht in den Streiktagen die ausländische Konkurrenz die Aufträge wegschnappt.

Der Preis für die Arbeitslosen, für viele Arbeitnehmer – und für die Regierung: Kein einziger neuer Arbeitsplatz wird geschaffen, Tausende aber werden vernichtet. Denn nur dann können diese Unternehmen konkurrenzfähig bleiben, wenn sie durch exzessive Rationalisierung ihre Lohnkosten einigermaßen stabil halten.

Dies wußten die verantwortungslosen Verhandler von Böblingen! Sie mußten auch wissen, daß der "Böblinger Kompromiß" für andere Gewerkschaften das Lohnziel setzt. So geschieht es denn auch: Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes verlangen 5,5 Prozent Lohnerhöhung und demonstrieren Streikentschlossenheit. Und das alles bei leeren Bundes-, Länder- und Gemeindekassen.

Diesen sozialdemokratischen Ge-werkschaftsführern stehen ausschließlich sozialdemokratische Minister und Bürgermeister gegenüber. Eine fatale Situation für die SPD-geführte Bundesregierung. Die millionenschwere Wahlkampfhilfe des DGB für Rotgrün erweist sich als vergiftetes Zubrot für die Regierung Schröder. Wenn der Kanzler nicht die Kraft findet, Bund, Länder und Gemeinden zu einem klaren Nein zu diesen Forderungen zusammenzubinden, kann er gleich sein Scheitern zu Protokoll geben; denn dann steht ihm auch im öffentlichen Dienst tausendfache Arbeitsplatzvernichtung ins Haus.

 
     
     
 
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