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Lehren aus Wahlen müssen nur die Verlierer ziehen, die Gewinner - echte oder selbsternannte - sonnen sich in dem, was sie Bestätigung durch den Wähler nennen. Aber Vorsicht, damit ist es lange nicht mehr so weit her wie gewohnt. Der Vertrauensverlust ist immens.
Bei den Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern hat vor allem die Formation gewonnen, die sich die "Partei der Nichtwähler" nennen müßte: Sie hat inzwischen 41 bis 42 Prozent erreicht und könnte fast schon allein regieren.
Aber es herrschen die anderen, denen die Bundesbürger immer weniger Vertrauen schenken. Die politischen Parteien, das wird vor allem bei der Nachbereitung der Wahlen deutlich, nehmen die Bürgervoten eher als Schicksalsschläge denn als Bewertung ihrer Leistungen auf. Und tatsächlich: Es gibt heutzutage in der Politik weder gerechte Leistungsnoten für die Facharbeit noch Kopfnoten für Alltagstugenden wie Anstand, Aufrichtigkeit oder Vorbildcharakter. Versagen bleibt oft folgenlos.
Wahlforscher warnen die politische Klasse seit Jahren: In der Demokratie lebt Politik aus der Rechtfertigung gegenüber dem Bürger; er muß verstehen und mittragen, was in der Politik gestaltet werden soll. Aber die wichtigsten Aufgaben bleiben unerledigt: Die Sanierung der Staatsfinanzen, die dramatische Bevölkerungsentwicklung, die Sicherung von Beschäftigung und Einkommen, die Qualität der Ausbildung und die soziale Sicherung im Alter und bei Krankheit, die Sicherheit nach außen und innen. Bei diesen Kernaufgaben sind keine Fortschritte zu erkennen - weder bei der mit aller Macht ausgestatteten Großen Koalition unter Angela Merkel, noch unter den Vorgängerregierungen Schröder oder Kohl.
Die Enttäuschung der Wähler reicht weit zurück - jetzt wollen einige Politiker den Spieß umkehren - die Wähler werden den Politikern lästig. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erklärte just am letzten Wahltag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", in Deutschland werde ständig gewählt, "was, wie wir inzwischen nun hinreichend wissen, nicht nur eine Errungenschaft, sondern gleichzeitig auch ein Störfaktor für kontinuierliche Entwicklung von Politik ist". Lammert folgert weiter, die Wahlperiode zum Bundestag müsse ab 2009 von vier auf fünf Jahre verlängert werden - schließlich hätten einige Bundesländer diesen Schritt schon vollzogen.
In der Praxis würde das bedeuten, daß ein männlicher Erstwähler in seiner durchschnittlichen Lebenszeit nicht mehr 16 Mal über den Bundestag abstimmen darf, sondern nach dem Fünf-Jahres-Rhythmus nur noch zwölfmal.
Als Beispiele für diese reduzierte Mitbestimmung führt Lammert Nachbarländer an, etwa Frankreich, Italien oder Großbritannien. Aber es gibt auch andere Beispiele: In den USA werden die 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses alle zwei Jahre neu gewählt - jetzt im November. Zugleich muß sich ein Drittel der Senatoren den Wählern stellen. Das sorgt dafür, daß ein US-Präsident wie George W. Bush trotz seiner Machtfülle den Wählerwillen nicht aus den Augen verliert. |
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