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Wenn in den nächsten Wochen die Urlauber aus nah und fern an den Küsten von Nord- und Ostsee ihre schönsten Tage des Jahres verbringen, dann denken die meisten wohl nicht daran, daß diese Gefilde auch so manche Gefahren bergen. Bei Sonnenschein und frischer Brise an eine Sturmflut denken - wo käme man da hin? Auch haben Binnenländer kaum eine Vorstellung von der Kraft des Meeres, allenfalls eine Idee, wenn sie an der Nordsee bei Flut sehen, mit welcher Geschwindigkeit das Wasser während der Ebbe verlassenes Land wieder in Besitz nimmt, wie das Wasser unaufhaltsam in den Prielen steigt und gierig alles überschwemmt, was sich ihm in den Weg stellt. Wie anders doch bei einer Sturmflut! Die Küstenbewohner und die Unverwüstlichen, die gar auf einer kleinen Hallig leben, wissen ein Lied davon zu singen. Ohne Deiche wäre das Land oft verloren. Wie wichtig Deiche (oder Dämme) sind, das haben auch die Menschen während der großen Flut in Mitteldeutschland erleben müssen, als die braunen Wassermassen Haus und Hof und viele Existenzen zerstört haben.
In der Literat ur hat Theodor Storm mit seiner Novelle "Der Schimmelreiter" (1888) diesen Kampf des Menschen mit der Natur besonders eindrucksvoll geschildert. Sein Deichgraf Hauke Haien versagt jedoch, als er einen Deich nur notdürftig reparieren läßt, anstatt ihn zu erneuern. Frau und Kind kommen in den Fluten um, der Deichgraf geht mit seinem Pferd, einem Schimmel, in den Tod. Als gespenstischer Schimmelreiter muß er fortan umgehen.
Die Sage des Schimmelreiters hat immer wieder die Menschen beschäftigt. Paul Barz ging ihrem Ursprung nach und entlarvte den "wahren Schimmelreiter", so auch der Titel seines Buches aus dem Convent Verlag, als eine Gestalt aus der Sagenwelt des Weichsellandes, wo er oft kopflos die Menschen erschreckte und gar Unheil anrichtete. Auch in Ostdeutschland kannte man die Gestalt des Schimmelreiters, der mit seinem Gefolge in den "Raunächten" zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige sein Unwesen trieb.
Das Buch von Barz gelangte durch einen Zufall in die Hände des Malers Michael Zimmermann, dessen Elternhaus in Elbing stand und der seit einigen Jahren auf der Nordseeinsel Föhr lebt und arbeitet. Kein Wunder, daß ihn die Welt des Hauke Haien in ihren Bann zog. In zwei Jahren entstanden knapp 1.000 Arbeiten - auf Papier und auf Leinwand. Im September wird dieser außergewöhnliche Zyklus unter dem Titel "Die Rückkehr des Deichgrafen" zunächst im Speicher des Kulturhistorischen Museums Stralsund zu sehen sein. "Ich möchte mit meinen Bildern weg von dem mystischen Sumpf, in dem der Schimmelreiter zu versinken droht. Hinter der Figur steckt mehr. Sie verkündet auch die Botschaft, die Natur zu respektieren und mit ihr in Einklang zu leben", so Zimmermann. "Nur in Achtung und Beachtung der Gesetze unserer Schöpfung vermag der Mensch auch vernünftig und sicher zu leben."
Die Rückkehr des Deichgrafen an die Gestade der Ostsee hat auch bei Michael Zimmermann eine Besinnung auf seine Wurzeln bewirkt. Der Maler, der auf die unterschiedlichsten Stationen in seinem Lebensweg zurückblicken kann (von Jamaica bis Rügen), möchte sich verändern, möchte wie sein Schimmelreiter zurückkehren nach Osten, nicht nach Elbing, aber die Ostsee sollte es schon sein. Ein Haus, ein Resthof vielleicht, in Mecklenburg-Vorpommern, das er auch gern selbst wieder auf Vordermann bringt, ist sein Traum. "Ostseenähe sollte sein, ohne See kann ich gar nicht mehr leben." Zimmermann würde aus diesem Haus dann im Zusammenwirken mit der Gemeinde ein Kulturhaus mit öffentlichen Veranstaltungen, mit Malurlaub und Kunstkursen machen. Wer dem engagierten Maler weiterhelfen kann, wende sich bitte direkt an Michael Zimmermann, Postfach 1573, 25933 Wyk auf Föhr. - Über die Ausstellung in Stralsund und den Schimmelreiter werden wir zu einem späteren Zeitpunkt gewiß noch einmal berichten. Peter van Lohuizen Michael Zimmermann: Die Auseinandersetzung mit den Naturgewalten schlug sich in seinem Werk nieder (Skulpturengruppe "Die Ertrinkenden")
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