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Es wird heute viel von einer Entmythologisierung unseres Lebens gesprochen. Elektronische Medien beherrschen durch Musik, Bilder und Wortpolemik den Freizeitbereich der meisten Menschen auf dem europäischen Kontinent. Ich bewundere die Resultate der Forscher, zolle den Wissenschaftlern höchsten Respekt, fürchte aber den großen Einfluß der nach hohen Einschaltquoten oder Verkaufszahlen heischenden Medien. Unterhaltsam Oberflächliches hat einen früher nicht vorstellbar hohen Rang eingenommen.
Vieles ist beweisbar geworden. Ich widerspreche aber jenen klugen Leuten, die unser Verhältnis zueinander in allen Bereichen des Daseins nur rational erklären wollen und dabei verkennen, daß in unserem Leben auch noch andere Kräfte wirken, die wir nicht so einfach analysieren können, die aber dennoch mächtig und fruchtbar sind. Bedenken wir die Menschheitsgeschichte vor allem der letzten 150 Jahre in unseren Breiten: Wir sind eine Arbeitsgesellschaft geworden, die sich den technischen Fortschritt so sehr zu Diensten gemacht hat, daß sie dem arbeitenden Menschen Streß und Hektik diktiert, daß er darüber krank wird, wenn er nicht als Gegenwert die mitmenschliche Wärme in seiner Familie und Sinn-erfüllung auch in Freizeitgemeinschaften findet. Aber darüber will ich hier nicht schreiben.
In meinem Brotberuf habe ich viel mit jungen Menschen zu tun, die vor dem Abschluß ihrer Schulausbildung stehen. Ihnen stelle ich wiederholt vor Augen, daß Menschen glücklich sind, die einen Beruf ergreifen wollen oder dürfen, der ihren Fähigkeiten entspricht, in dem sie sich entfalten, das heißt ihre Kräfte ausschöpfen können und müssen, in dem sie sich gebraucht, gefordert wissen und möglichst auch Anerkennung erringen.
Jeder Mensch bedarf des Zuspruchs, selbst jener noch, der in der Besessenheit seines Dienens als einer der Großen unter den Künstlern, Wissenschaftlern und Predigern sich selbst vergessen mag, wenn es um seine Aufgabe geht. Es gehört auch heute noch zum Wesen des Berufes, daß der, der ihn erwählt, sich auch ein wenig dahin gerufen fühlt, berufen ist, gerade diese Arbeit zu erlernen, um sie dann meisterlich zu tun. Das schreibe ich hier mit Vorbedacht in aller Bescheidenheit und wohl wissend, daß der Mensch unserer Zeit durch das enge Verflochtensein der uns nicht bekannten Beziehungen und die kaum mögliche Überschaubarkeit unserer arg differenzierten Arbeitswelt kaum noch "seinen" einen Beruf wählen kann, sondern im günstigen Fall einen Berufskomplex, aus dem heraus er mit ziemlicher Sicherheit mehrere Berufssparten gleich gut erfüllen könnte.
Die technische Entwicklung gestaltet in atemberaubendem Tempo unser Leben um. Der Bereich "Arbeit" ist nur ein Teil davon. Die Bedürfnisse, die heute und bestimmt auch in der Welt von morgen befriedigt werden sollen, müssen sich naturgemäß gründlich von jenen unterscheiden, die Gültigkeit besaßen, als sie uns in Kindheit und Jugend prägten. Wer die Zeichen der Zeit zu deuten weiß, stellt sich auch in seinen Erwartungen, seinen Planungen auf die voraussichtliche Entwicklung ein. Das sollte ganz besonders bei der Beratung unserer Jugend über Möglichkeiten und Grenzen ihrer Berufswahl und ihrer Vorstellung von Ansprüchen gelten. Die Arbeitswelt der Zukunft wird noch viel mehr von Automatisierung und Computertechnik bestimmt sein.
Wer in dieser Arbeitswelt dann einen ihn befriedigenden Platz einnehmen will, muß alle in ihm selbst ruhenden Kräfte voll ausbilden und dabei bedenken, daß geistig schöpferische Menschen immer neue Voraussetzungen für Ingenieure und Techniker schaffen, die als Führungskräfte morgen noch stärker und beherzter in Erscheinung treten werden als heute.
Es wird aber auch Aufgabe dieser wenigen schöpferischen Menschen sein, der Mitmenschlichkeit in einer sich verstärkt sachlich zeigenden Welt stets seine persönliche Bresche zu schlagen, damit unser Leben nicht verödet.
So gesehen wird der Berufsarbeit verstärkt der Sinn eines Dienstes am Gemeinsamen obliegen, wie sie der mittelalterliche Mensch noch in voller Tiefe durch die Geschlossenheit seines Lebenskreises erfuhr, und nicht durch eine weitere Technisierung genommen werden können, wenn wir bereit sind, das Job-Denken zu unserem Teil und an unserem Platz durch ein neues Bewußtsein der Verantwortung zu über- winden.
Wir werden es nicht erreichen, alle Menschen davon zu überzeugen, daß sie zu ihrem Beruf berufen worden sind. Das behaupten zu wollen ist vermessen. Weite Bereiche unseres Arbeitslebens aber sind nur durch ein solches Bemühen zu bewältigen. Es wird die Menschen, die zu einem solchen Verhalten befähigt sind, rufen und es läßt diese auch das Ethos ihres Berufes erleben.
In unserer dem rasenden Tempo gehorsamen Welt braucht der Mensch die erholsame Freizeit, die Begegnung mit der Natur, um seine Nervenkraft, die Augen und die Lunge für den Berufsalltag wieder zu regenerieren. Sein Beruf - und damit meine ich die vorangegangene sehr solide Ausbildung mit Vermittlung von Wissen und dem Erlernen von Vorbildfunktionen - wird, zumindest für eine noch nicht abzusehende Zeit in unseren Breiten, seinen beherrschenden Platz im Bewußtsein der Menschen behalten.
Arbeiten wollen, arbeiten dürfen ist die segensreiche Pflicht aller Erwachsenen. Hans Bahrs
Konzentration gefordert: Die Arbeit am Bildschirm verlangt viel Aufmerksamkeit. Auch Teamarbeit ist nicht einfach. Je nach Zusammenstellung der Gruppe kann die Zusammenarbeit ergiebig, aber auch anstrengend sein. Foto: repro-service
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