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Der Zusammenhalt in der Familie gibt Halt in schwierigen Situationen

 
     
 
Nun sind unsere Kinder fast erwachsen, und meine Frau und ich spüren: Es ist an der Zeit, daß wir uns Gedanken darüber machen, wie es sein wird, wenn sie das gemeinsame Elternhaus verlassen haben. Es drängt uns, Rück-schau zu halten auf die Entwick-lung der Kinder und unser Zusammenleben in der Familie. Allem voran steht der Wunsch, daß sich die Geschwister niemals aus den Augen verlieren, daß sie zueinander halten und sich auch durch ihre Lebensgefährten, die sie einmal haben werden, und eigene Familien, die sie - so hoffen wir - gründen, nicht voneinander trennen lassen. Das Wissen um Zusammengehörigkeit möge stets als gute und stärkende Kraft in ihnen sein.

Ich weiß es wohl: Jedes unserer drei Kinder hat in gewissen Situationen die Einzelkinder in ihren Schulklassen um ihre größere Freiheit, mehr Taschengeld
, auch modischere Klamotten beneidet. Dafür sind sie in einer echten Familie groß geworden unter Geschwistern, die allein schon durch das tägliche Beisammensein bestimmte Regeln der Rücksichtnahme erlernen und akzeptieren mußten. Es konnte sich nicht ein jeder nach seinem Gutdünken ausleben. Welche Rücksicht wurde allein auf den Schlaf des kleinen Bruders genommen! Das begann schon in seiner Babyzeit. Wie sorgsam wachten seine Schwestern darüber, daß niemand seinen Schlummer störte! Denn sein Kinderbettchen stand jahrelang zwar im ruhigsten Zimmer, aber sie durften trotzdem nur leise spielen. Heute wissen wir, wie gut das dem Bruder getan hat, denn als unsere Älteste ein Kleinkind war und das Schwesterchen geboren wurde, spielte sich unser Familienleben in einem Raum ab. Erst nach einigen Jahren hatte sich die wirtschaftliche Situation soweit gebessert, daß wir uns eine größere Wohnung leisten konnten.

Es gibt noch andere Beispiele der Rücksichtnahme aufeinander. Die Schwestern erlebten jahrelang, daß das jüngste Kind immer die meiste Zeit von uns Eltern forderte und unseres besonderen Schutzes bedurfte. Ich denke aber auch an die abendliche Runde, die wir ganz bewußt als wesentliches Bindeglied unserer Familiengemeinschaft gepflegt und verteidigt haben. Ja, auch gegen uns selbst, gegen unsere eigene Bequemlichkeit, unsere Müdigkeit, unsere ureigensten Ansprüche an das Leben. Wir stellten unsere Lieder, das Vorlesen, die Gespräche in unserer Tischrunde ganz auf das Verständnis der Kinder ein. Das war nicht so selbstverständlich, wie sie es wohl häufig hingenommen haben.

Hier sei auch genannt, was unsere Kinder in ihrer Prägekraft und Bedeutung für sich vielleicht erst ganz werden abschätzen können, wenn sie selbst einmal Vater und Mutter geworden sind. Ich denke an unsere Wanderungen und Reisen, die wir unter sehr schwierigen äußeren Bedingungen durchführten, um unseren Kindern gesunde und erlebnisreiche Ferien zu ermöglichen. Auch Vater und Mutter übernachteten in Jugendherbergen, denn mehr erlaubten die finanziellen Möglichkeiten nicht. Aber wir konnten den Kindern den Blick für die Schönheiten der Natur, Landschaft und Kultur unserer Heimat und der Ferne, in die wir sie führten, öffnen.

Es war unsere Absicht, sie gleichzeitig zur Einfachheit und Dankbarkeit für die kleinen Dinge unseres Lebens zu erziehen. Manches, das wir Eltern gern unterwegs gesehen hätten, mußten wir uns versagen, um unsere Kinder nicht körperlich oder geistig zu überfordern. Wir wußten, daß sie die Geduld noch nicht aufbringen konnten, um das zu ermessen. Und auch bei den Kindern forderte das schon früh Verständnis für eine Bereitschaft, den anderen zu tolerieren. Davon war keiner ausgenommen. Es gibt Handlungen und Entscheidungen, die begreift auch ein junger Mensch rasch und richtet sich danach. Andere muß er erst durch schmerzliche Erfahrungen lernen. Meistens haben sie dann aber auch eine viel tiefergehende Wirkung.

Manche Vorkommnisse auch in der Entwicklung unserer Kinder haben uns Eltern gar nicht gefallen. Manche sind mit körperlichen Schmerzen verbunden gewesen. Ich denke hier an die Erfahrung, die unser Sohn mit Baugruben gemacht hat. Als er noch ein sehr kleiner Kerl war, übten sie einen geradezu unwiderstehlichen Reiz auf ihn aus, vor allem, wenn sich Wasser in ihnen angesammelt hatte, über das sich im Winter dann eine Eisschicht breitete. Meine Frau klagte mir einmal ihr Leid, daß sie in dieser Zeit in ständiger Sorge um seine Sicherheit sei. Damals entstand unsere sehr liebevoll angelegte Siedlung, und es gab viele Baustellen in der Nachbarschaft. Der kleine Geist unseres Jungen war Vernunftgründen noch nicht zugänglich. So mußte ich sehr handfest nachhelfen. Nachdem er dreimal an einem Tag in einer Baugrube eingebrochen war, bekam er von mir eine Tracht Prügel. Eine solche Art der Bestrafung widersprach völlig meinen Erziehungsgrundsätzen. Sie erzielte jedoch bei ihm eine starke Wirkung. Wenn er sich an sie jemals erinnern sollte, möge er bedenken, daß Prinzipien etwas sehr Ehrenvolles sein können, wir uns ihnen aber niemals sklavisch unterwerfen, sondern offen bleiben sollten für die Notwendigkeit gelegentlicher Abweichungen.

Vielleicht sollten sich auch jetzt die jüngeren Väter hin und wieder dazu bekennen, daß sie in der Familie bei der Kindererziehung manchmal die Funktion eines Gärtners ausüben müssen. Das Jäten des nicht erwünschten Krautes zwischen der Aussaat ist immer noch eine wesentliche Aufgabe der Aufzucht.

Wir Menschen leben nun einmal nicht für uns allein. In der Familie bereiten wir die Kinder darauf vor, wie sie sich später in den Kreisen, in denen sie leben und wirken werden, einrichten, daß sie lernen, mit anderen Menschen auszukommen, sie in ihrer Eigenart zu respektieren. Ich meine, ihr Lebensglück hängt davon nicht unbeträchtlich ab.

Unsere Kinder haben uns in Diskussionen mehr als einmal deutlich zu verstehen gegeben, daß wir - im Vergleich mit Erfahrungen ihrer Mitschüler - in unserer Erziehung sehr streng gewesen seien. Bei aller Selbstkritik haben wir in solcher Situation darin geradezu eine Anerkennung dafür gesehen, daß wir unsere Sache richtig gemacht haben und unserer Verantwortung gerecht geworden sind. Wenn es uns gelungen ist, ihnen so eine Art moralisches Korsett auf den Leib zu pressen, dann wollen wir zufrieden sein.

Eltern können sich nie mit einem Heiligenschein umgeben. Sie dürfen durchaus zugeben, daß sie irrende und fehlerhafte Menschen sind. Und sie wissen, daß sie in einer rechten Familiengemeinschaft immer Gebende und Nehmende sind. Ich kann nicht sagen, was für uns am Ende beglückender ist. Hans Bahrs

Rücksicht und Respekt kann man schon im Kindesalter lernen / Fröhliche Runde: Beim gemeinsamen Spiel auch fürs Leben lernen

Foto: Hasbro / Mehr Zeit für Kinder e.V.
 
     
     
 
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