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Über 1,5 Millionen Auflage hatte es einst, das Organ der SED-Jugendorganisation FDJ, "Junge Welt". Der Fall nach der Wende von 1989 war so grenzenlos, daß es schien, es werde diesem Organ zunächst so gehen wie vielen anderen ehemaligen Parteiorganen der alten DDR: Galoppierende moralische Auszehrung und schließlich finanzieller Exitus. Tatsächlich wurde bald nach 1989 erstmals Konkurs angemeldet.
1995, nach einem erneuten Konkurs der alten FDJ-Zeitung, übernahm Hermann Gremliza, Herausgeber des linksextremen, antinationalen Hamburger Monatsblatts "Konkret", die "Junge Welt". Der krempelte das Blatt nach seinem Gusto um: links sollte es selbstverständlich sein, vor allem aber antinational, ganz im Sinne der West-Linken. Doch die Auflage ging weiter zurück. In Mitteldeutschland verlor man mehr Abonnenten, als man im Westen dazugewann. Schon bald zog sich Gremliza nach Hamburg zurück, nicht ohne einige getreue Aufpasser in der Redaktion zu hinterlassen. Zunächst war das "Konkret"-Mitarbeiter Oliver Tolmein, der den Chefredakteursposten erhielt, bevor auch er wieder nach Hamburg ging, dann der JW-Redakteur Jürgen Elsässer, auch er aus Hamburg entsandt.
Schon hier wurde ein qualitativer Abfall deutlich, denn es war offensichtlich, daß Elsässer seiner Aufgabe intellektuell nicht gewachsen war. Der gebürtige Schwabe gefiel sich regelmäßig in Plattheiten wie: "Die Linke ist antinational oder sie ist nicht". Intelligente Analysen: Fehlanzeige.
Das Unbehagen gegen diese antinationale westdeutsche Dominanz entlud sich schließlich 1997 in handfesten Auseinandersetzungen. Elsässer und Konsorten paßte die ganze Richtung nicht. Er und einige andere versuchten, alle Autoren, die sich ihrem aus Hamburg importierten antinationalen Konsens widersetzten, aus der Zeitung hinauszuekeln. Der Putsch der antinationalen Fraktion mißglückte. Den West-U-Booten von Über-Vater Gremliza, Chefredakteur Behnken, Elsässer und anderen, wurde gekündigt.
Dies führte zur Abspaltung der west-linken "Konkret"-Fraktion. Diese produziert seitdem bis heute ein relativ aufwendig gemachtes Wochenblatt namens "Jungle World".
Seither nahm der Druck auf die Chefredakteure Holger Becker und Werner Pirker kontinuierlich weiter zu. Kritik gab es von PDS-Chef Gregor Gysi ebenso wie von der offiziösen PDS-Postille "Neues Deutschland". Anstoß erregten bei ihnen vor allem die Artikel von Harald Wessel, der über 25 Jahre Ressortchef Wissenschaft im SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" gewesen war und der dem links-nationalen Flügel zuzurechnen ist. Besonders unbeliebt machte sich Wessel mit seinen nonkonformen Artikeln während der Walser-Bubis-Debatte.
Nationalkommunismus hielt man der Riege vor. Becker wurde die "fast tägliche Präsentation" von "nationalistischen" Artikeln vorgeworfen. Bei näherem Hinsehen ein Vorwand, der eher zeigt, wie weit ins antinationale Fahrwasser weite Teile der Linken und der PDS bereits abgedriftet sind. Der jüngste Parteitag in Münster hat bekanntlich gezeigt, wo bei den SED-Nachfolgern der Barthel den Most holt.
Der Geschäftsführer der "Jungen Welt", Dietmar Koschmieder, ebenfalls ein West-Import und Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), hatte in letzter Zeit immer öfter in die redaktionelle Arbeit eingegriffen ein Unding bei einer normalen Tageszeitung. Artikel wurden zensiert oder ganz herausgenommen, so etwa ein Kommentar über den Alt-68er Bernd Rabehl, der zuletzt ebenfalls das Thema der deutschen Nation wiederentdeckte. Später setzte Koschmieder Artikel "per Anweisung" durch. Zusätzlich sollte Chefredakteur Becker eine Aufpasserin an die Seite bekommen. Inlandschef Uwe Soukup fand sich im Impressum plötzlich mit dem Zusatz "kommissarisch" wieder. Becker und Pirker platzte schließlich der Kragen. Sie meldeten sich krank und erhielten ihre Kündigung. Zwei weitere Ressortleiter, Soukup (Innenpolitik) und Ulrike Schulz (Interview), folgten mit einer "politischen Grippe". Auch ihnen wurde inzwischen gekündigt.
Indes sinkt die Auflage der "Jungen Welt" weiterhin dramatisch. Wurden 1997 noch 17 000 Exemplare an den Mann gebracht, so sind es zur Zeit nur noch etwa 15 000. Damit läßt sich bei einer Tageszeitung kaum noch wirtschaften. Das Konzept, im Westen zusätzliche Leser zu gewinnen, hatten Becker und Pirker stets kritisiert: Viel sei dort sowieso nicht zu gewinnen. Man solle sich lieber auf die Stammleserschaft konzentrieren. Ein Projekt, in Köln mit der "Kölner Woche" eine Dependance zu gründen, wurde kurzfristig abgebrochen. Dafür reicht das Geld nicht mehr. Die hochgemute Behauptung, man sei "unbankrottbar", wird inzwischen stark relativiert. Nun heißt es: "Von wegen unbankrottbar: 1000 Abos oder Kuckuck!" Nach der Kündigung eines guten Teils der Redaktion scheint die Entwicklung der Zeitung allerdings erneut nach unten zu gehen. Viele Tränen werden der flügellahmen Zeitung wohl nicht mehr nachgeweint werden, wenn es soweit sein sollte. Für antinationale Publikationen ist der deutsche Zeitungsmarkt bereits mehr als übersättigt.
Antonia Radelbeck
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