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Nach Briten und Franzosen sind jetzt also auch Deutsche in Afghanistan. Eine gute Woche zuvor hatte der einsatzfähige Teil der deutschen Flotte abgelegt, um in drei Wochen am Horn von Afrika aufzukreuzen und dort im Krieg gegen den Terrorismus Seerouten abzusichern. Zur See liegt Deutschland zu Hause nun bloß, zu Land ist seit der Entsendung von ein paar tausend Mann auf den Balkan auch nicht mehr viel los, und der Luftwaffe fehlt der Treibstoff für Übungsflüge, von den nur zweitklassigen, weil billigeren Sicherheitsvorrichtungen in den Tornados ganz zu schweigen. Deutschlands Wehrfähigkeit zeigt Anzeichen der Erschöpfung.
Kann so ein Land im Konzert der Großen mitreden? In Zeiten des Friedens wäre das noch möglich. Dann zählte eben stärker die Wirtschaftskraft und der technologische Standard, obwohl auch hier Deutschland merklich nachläßt. In Zeiten des Krieges aber reicht es hinten und vorne nicht. Auch die anderen Europäer sehen bescheiden aus im Vergleich zu den USA. Ein paar Dutzend Niederländer, eine Hundertschaft Franzosen, britische Flugzeuge und Schiffe - in der Summe ein nicht übersehbarer bunter Haufen, aber die Amerikaner wären auch ohne sie ausgekommen. In entscheidenden Momenten haben sie auch auf die Europäer verzichtet, selbst auf die Briten. Braucht Amerika uns eigentlich noch? Wird es mit dem Terror und der Welt nicht alleine fertig?
Die Antwort lautet: Amerika braucht uns, und zwar wegen Amerika selbst. In seinem Standardwerk „Die Vernunft der Nationen“, das die Mechanik der Weltpolitik beschreibt, hat Henry Kissinger einmal das Dilemma der Weltmacht Nummer eins aufgezeigt: Amerika schwanke zwischen Hegemonie und Moral. Andere strategische Denker formulieren es so: Die Mächtigen der USA schwanken immer zwischen Reich und Republik, zwischen Herrschen und Regieren. Das Herrschen aber gewinnt zur Zeit die Oberhand. Fast zwangsläufig. Denn die Welt befindet sich in einem Moment machtpolitischer Schwäche der Weltorganisation Uno und regionaler Zusammenschlüsse wie EU oder OSZE, und da hat Amerika keine Wahl. Es muß hegemonial sein, wenn die Krisen dieser Welt eingedämmt werden sollen.
Washington ist gefragt als Weltpolizist, aber auch als Feuerwehr. Die Amerikaner sind die Römer von heute, sie garantieren eine Ordnung, die pax americana. Das Problem ist, daß diese Ordnung das Gemeinwohl mit dem Wohl einer Nation zu verwechseln droht. Hier sind die Europäer gefragt, starke Europäer, die Amerika auch mal Paroli bieten, damit die Ordnung demokratisch bleibt und somit freiheitlich. Hegemonie und Moral sind keine Gegensätze, sie brauchen einander. Und wenn die Amerikaner es sich selber nicht mehr sagen, dann müssen es die älteren Brüder tun. Deshalb braucht Amerika die Europäer. Selten war ein starkes, einiges Europa so nötig. Auch die Deutschen sollten sich das etwas kosten lassen, wenn sie weiter mitreden wollen.
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