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Es war noch dunkel an jenem Sonntag morgen und trotz oder wegen des Sturms hatte der Tag am 14. Januar gut begonnen. Kurz nach 6 Uhr: Der Sturm wehte derart heftig, daß der Strompreis an der Leipziger Strombörse für eine Stunde auf 0,00 Euro je Kilowattstunde (kWh) gesunken war. Die überall in Deutschland aus den Äckern und Wiesen sprießenden Windräder produzierten einfach zuviel Energie für nur wenige Abnehmer - die Menschen schlummerten noch in ihrer Sonntagsruhe. Am 14. Januar kostete der Strom im Durchschnitt insgesamt nur 1,87 Cent je kWh.
Traumhafte Zahlen? Ja, und sie sind real. Ebenso real ist aber auch, daß die Flauten in den Sommermonaten und im Landesinneren, wo der Wind generell schwächer als an der Küste weht, die Räder oft und lange stillstehen lassen. In der Sommerhitze haben auch die Großkraftwerke oft noch unter knappem Kühlwasser zu leiden, und so steigt der Strompreis schnell auf abstruse zwei Euro je kWh.
Ein hochtechnisierter Industriestandort wie Deutschland kann sich solche Stromschwankungen nicht leisten. Wir sind auf konstante Energieversorgung angewiesen. Die Gefahr des wirtschaftlichen Zusammenbruchs wäre schlicht programmiert, würde man die deutschen Atomkraft werke herunterfahren, wie es sich Ökofundis wünschen. Derzeit sind 17 solcher Kraftwerke ans Netz angeschlossen, die im Vorjahr knapp 1500 Terrawattstunden, das sind 1,5 Billionen Kilowattstunden, produziert haben. Dem steht bei schon über 18000 Windrädern eine Leistung von gerade einmal 26,5 Milliarden Kilowattstunden gegenüber.
Selbst, wenn man die Energiegewinnung aus Braun- und Steinkohle, aus Wasserkraftwerken, aus Sonnenenergie und aus Biomasse hinzuaddierte, müßte man feststellen: Hinter jeder Alternative zum Nuklearstrom steht zur Absicherung im letzten Glied der Grundlieferant Atomkraftwerk, denn Reservekapazitäten müssen vorgehalten werden. Die Katze beißt sich hier in den Schwanz, will es aber nicht wissen. Und so ruft alles nach der erneuerbaren Energie. Laut einer Forsa-Umfrage befürworten 62 Prozent der Bundesbürger den Ausbau der Windparks. Die Politik macht es möglich. Dank der rot-grünen Ökopolitik können auf Freiflächen schneller Windparks entstehen als manchen lieb ist. Denn auch Befürworter der gigantischen Rotoren sehen sie nur ungern von der Frühstücksterrasse aus. Dennoch kann man sich nur schwer zur Wehr setzen, wenn der Flächennutzungsplan erst einmal Freiflächen als "Vorrangzonen" ausweist. Hier räumt Paragraph 35 des Baugesetzbuches den Windkraftanlagen Priorität gegenüber anderen Projekten ein. Selbst der Windenergie skeptisch gegenüberstehende Kommunen legen Wert auf Einrichtung wenigstens einer Vorrangzone. Nur so können sie nämlich den Wildwuchs entsprechender Bauvorhaben eindämmen. Selbst Naturschutzgebiete sind nicht generell für Windräder tabu. So hat etwa das Verwaltungsgericht Frankfurt entschieden, daß bei einem Bauordnungsverfahren durchaus Spielraum bestehe, "um Prioritäten zugunsten der Windenergie zu setzen". Schlaue Kommunalpolitiker suchen da lieber gleich den am wenigsten schmerzlichen Standort für die Windräder aus. Auch Bauernschläue hilft gegen die Windenergie-Lobby nicht weiter. Verwaltungsgerichte haben schon ganze Flächennutzungspläne für nichtig erklärt und so den Bau von Windrädern in Rekordhöhen erst möglich gemacht, da die festgesetzten niedrigen Bauhöhen für nichtig erklärt worden waren.
Gleichwohl wurden die Hürden für den Bau der Windräder etwas erhöht. Nach einer Gesetzesnovelle von 2004 müssen Investoren durch ein Gutachten nun eine Mindest-Windstärke (Referenzwert) am Standort nachweisen. Auch darf die Lärmbelästigung an der nächstgelegenen Wohnbebauung nicht über 45 Dezibel liegen.
Ästhetische Kritik lassen aber weder Behörden noch Lobbyisten gelten. "Windräder sind ein reizvoller, zeitgemäßer Kontrast zwischen Moderne und historischer Bauweise", verteidigt Wilfried Walz vom "Förderkreis Regenerativer Energien im Taunus" zwei Projekte gegen Anwohner. Schlechter Geschmack, gegen den kein Mittel existiert, denn das Gesetz gibt Lobbyisten Rückenwind.
Auch in Eisenach ist ein stürmischer Kampf um die Hochspannung entbrannt. Hier wollen Investoren im Umfeld der Wartburg vier neue Windräder errichten, deren Höhe 100 Meter und Rotordurchmesser 82 Meter betragen soll. Der Blick auf die Wartburg wäre dann vom Thüringer Wald und der Rhön aus versperrt. Diese Burg, auf der Luther einst die Bibel ins Deutsche übersetzte und auf der die Studenten des 19. Jahrhunderts sich für ein einiges Vaterland erwärmten, ist die einzige deutsche auf der Unesco-Liste der Weltkulturgüter. Der Widerstand in Eisenach ist so enorm, daß die Baubehörde sogar die Genehmigung zurückgezogen hat. Der Fall beschäftigt jetzt die Gerichte.
Die große Welle der Neuerrichtungen ist vorbei, und dort, wo viele kleine Windräder stehen, werden diese aus Effizienzgründen oft gegen wenige größere ausgetauscht. Doch auch in den nächsten Jahren ist noch mit Hunderten neuer Rotoren in windreichen Gegenden zu rechnen. Auf Atomstrom wird die Industrienation dennoch in den nächsten 50 Jahren nicht verzichten können.
Foto: Energieproduzent mit Tücken: Ein vom starken St |
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