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Mission im Herzen der Finsternis

 
     
 
Wer davon spricht, daß er sich der "Verantwortung" nicht entziehen werde, falls er um die Entsendung von Truppen gebeten werden sollte, der wird irgendwann beim Wort genommen. So ergeht es jetzt Berlin, das in der Vergangenheit des öfteren signalisiert hat, sich bei einem EU-Einsatz im Kongo militärisch, sprich: mit der Entsendung von Bundeswehrsoldaten
, engagieren zu wollen. Was möglicherweise nur rhetorisch gemeint war - nationale Interessen müssen im Kongo nämlich nicht unbedingt verteidigt werden -, wird jetzt immer wahrscheinlicher, auch wenn sich die Mehrheit der europäischen Staaten am vergangenen Dienstag noch dagegen entschieden hat. Doch der deutsche Verteidigungsminister Franz-Josef Jung sieht die Operation nicht als gescheitert an. Es hätten zahlreiche Staaten signalisiert, sich an dem Unternehmen beteiligen zu wollen. Nach Angaben von Diplomaten sind das Spanien, Portugal, Schweden, Frankreich, Österreich, Polen und Belgien. EU-Chefdiplomat Javier Solana soll nun ersteinmal mit der kongolesischen Führung in Kinshasa das Anforderungsprofil an die vermutlich 1000 bis 1500 Mann starke Truppe abklären.

Unklar ist, unter welcher Führung diese Mission stattfinden soll, die derzeit weder Frankreich noch Deutschland übernehmen will. Zusammen könnten sie allerdings gut 400 Soldaten stellen. Möglicherweise wird deshalb so verfahren, wie es in derartigen Fällen üblich ist: Es könnte für das EU-Kontingent mehrere Führungsnationen geben.

Der zuständige Sprecher des Verteidigungsministeriums betonte vor kurzem, daß sich die Bundeswehr weder an einer "Battle Group", wie sie die Briten bevorzugen, noch mit der deutsch-französischen Brigade an einer Intervention im Kongo beteiligen werde. Ähnlich äußerte sich mittlerweile Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Als "Battle Groups" werden EU-Eingreiftruppen bezeichnet, die weltweit kurzfristig einsetzbar sind. Von diesen gibt es aber derzeit nur eine einzige, die aus 1500 deutschen Fallschirmjägern in Regensburg und vier Franzosen, die Stabsdienste versehen, besteht. Verständlich, daß das Verteidigungsministerium von einer derartigen Option wenig begeistert ist, müßte Deutschland dann doch die Last der Verantwortung so gut wie alleine tragen. Genau dies aber würden offensichtlich die Briten gerne sehen, denn anders kann ihr Vorschlag, im Kongo "Battle Groups" einzusetzen, nicht gedeutet werden.

Die Bundesregierung knüpft jedoch Bedingungen an eine Teilnahme. Der Kongo müsse eine klare Anforderung an die EU richten. Die Vereinten Nationen müßten der Truppe ein Mandat geben. Zudem will Berlin, daß der Einsatz auf die Hauptstadt Kinshasa begrenzt bleibt und höchstens bis zur Wahl in vier Monate läuft. Die EU-Soldaten sollen die bereits in Kongo stationierten 16000 UN-Soldaten unterstützen.

Aus deutscher Sicht spricht allerdings so ziemlich alles gegen einen derartigen Einsatz, ist man doch aktuell in zehn Auslandseinsätze involviert, die vom Hindukusch bis zum Sudan und von Pakistan bis nach Georgien reichen. Fast 7000 deutsche Soldaten tun im Rahmen dieser Einsätze in Krisengebieten Dienst.

Mit diesem Auslandskontingent sind vor allem die finanziellen Möglichkeiten Deutschlands erschöpft. Verteidigungsminister Jung hat deshalb vorsorglich durchblicken lassen, daß ein Kongo-Einsatz unmöglich aus seinem Etat bestritten werden kann.

Ausgelöst wurde die Diskussion um einen möglichen Einsatz der EU im Kongo durch die Bitte der Vereinten Nationen, eine Mission zur Sicherung der Präsidentschaftswahl im Kongo zu entsenden. Die EU hat zugesagt, die im Land befindlichen UN-Blauhelm-Soldaten und Zivilbediensteten bei den anstehenden Wahlen zwischen März und Juni dieses Jahres im Kongo zu verstärken. Es wären dies die ersten freien Wahlen seit 1965. Die Blauhelm-Soldaten haben allerdings nicht verhindern können, daß zwischen 1998 und Anfang 2005 3,8 Millionen Menschen im Kongo gewaltsam umkamen (so die Angaben von "International Rescue Commitee").

Die Demokratische Republik Kongo, bis zur Unabhängigkeit des Kongos im Jahre 1960 als "Belgisch-Kongo" und von 1971 bis 1997 als "Zaire" bezeichnet, ist der drittgrößte Staat Afrikas. Konkret bedeutet dies, daß der Kongo etwa so groß wie ganz Westeuropa ist. Vor diesem Hintergrund wäre selbst die Entsendung der oben angesprochenen "Battle Groups" in ihrer derzeitigen Stärke eine zu vernachlässigende Größe, was die hier und da gestellte Frage nach dem Sinn eines derartigen Einsatzes berechtigt erscheinen läßt. Sollte es überdies zu Unruhen kommen, was in diesem unruhigen Land jederzeit geschehen kann, sähen sich Bundeswehrsoldaten möglicherweise mit der Problematik konfrontiert, auf die immer noch anzutreffenden "Kindersoldaten" zu schießen.

Durch Korruption und Bürgerkrieg hat die Verwaltung und Infrastruktur des Kongos erheblichen Schaden genommen; der Staat ist insbesondere im Osten des Landes nicht mehr präsent. Zahlreiche Bodenschätze in den verschiedenen Provinzen des Landes werden inzwischen durch Nachbarstaaten wie Uganda, Ruanda oder Burundi ausgebeutet, um nicht zu sagen: ausgeplündert. Der desolate Zustand des Kongos mag das hier und da gefällte Urteil, daß es sich hier um einen "zerfallenden Staat" handelt, berechtigt erscheinen lassen. Staatspräsident Joseph Kabila, der nach der Ermordung seines Vaters Laurent-Désiré Kabila Mitte Januar 2001 zunächst die Amtsgeschäfte und dann auch die Stellung des Staatspräsidenten übernahm, ist es bisher nicht gelungen, die territoriale und administrative Autorität des Kongos wiederherzustellen. Laurent-Désiré Kabila war es, der 1997 den alternden Diktator Joseph Mobutu stürzen konnte. Befrieden konnte er das Land aber nicht, da Nachbarstaaten wie Ruanda und Uganda an einem stabilen Kongo nicht interessiert sind und deshalb Rebellionen gegen Kabila unterstützt haben. Den fragilen Friedensprozeß überwacht seit dem Jahre 2000 eine Mission der Uno (Monuc). Im Mai 2005 verabschiedete das im August 2000 installierte Übergangsparlament eine Verfassung, die in einem Verfassungsreferendum Mitte Dezember 2005 angenommen wurde. Diese Verfassung wurde Mitte Februar 2006 von Kabila in Kraft gesetzt. Die Wahlen sollen bis Juni 2006 durchgeführt werden.

EU-Soldaten im Kongo 2003: Werden auch dieses Jahr wieder Europäer dort eingesetzt?
 
     
     
 
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