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Ein Land als Privatbesitz

 
     
 
Die jüngere Geschichte des Kongo ist vor allem durch Kriege und den Kampf um Bodenschätze wie Erdöl, Uran, Mangan, Kobalt, Gold, Diamanten, Mangan, Kupfer oder Zink gekennzeichnet. Eine Reihe dieser Bodenschätze ist von großer strategischer Bedeutung und hat immer wieder entsprechende Begehrlichkeiten ausgelöst.

Bis zur Kolonialzeit war es aber zunächst der Sklavenhandel, der den Kongo bestimmte. Hier wurden die Sklaven gefangen, die dann nach Amerika oder Arabien verschleppt wurden, wenn sie nicht vorher schon umkamen. Im späten 19. Jahrhundert setzte dann das Interesse der Europäer ein, die das Gebiet nun fest in ihren Besitz nehmen wollten. Allen voran der belgische König Leopold II. (1865-1909), der als einer der ersten die Bedeutung der Ressourcen des Kongo erkannte.

Er war es, der am 29. Mai 1885 einen "unabhängigen" Kongostaat proklamierte und sich am 1. Au-gust desselben Jahres als dessen Herrscher ausrufen ließ. Dies konnte er allerdings nur, weil sich Frankreich, England und Deutschland nicht über eine Aufteilung des Landes hatten einigen können.

Die Trennung der Verwaltung des Kongo von Belgien hatte zur Folge, daß Leopold II. das riesige Gebiet als persönlichen Besitz vereinnahmen konnte. Entsprechend rechtlos waren die Einwohner, die sich überdies bei der wirtschaftlichen Ausbeutung des Landes durch die Konzessionsgesellschaften brutalen Exzessen ausgesetzt sahen (sogenannte "Kongogreuel"), die international
für steigende Empörung sorgten. Die Kongolesen wurden gezwungen, Massen an Kautschuk herbeizuschaffen. Verfehlten sie ihr "Plansoll", wurden sie von den Handlangern des belgischen Königs grausam verstümmelt oder getötet. Schätzungen zufolge fielen zwischen 1885 und 1920 bis zur Hälfte der anfangs 20 Millionen Kongolesen den belgischen Greueln zum Opfer.

1908 sah sich Leopold II. aufgrund des immer größer werdenden internationalen Drucks gezwungen, den Kongo dem belgischen Staat als "normale" Kolonie zu überlassen. Nach dieser Übergabe verbesserten sich die ent-setzlichen Lebensverhältnisse allerdings nur geringfügig. Die Rohstoffausbeutung stand weiter ganz oben auf der Tagesordnung. Entsprechend groß war der Einfluß der verschiedenen Wirtschaftsunternehmen, wie zum Beispiel der der Bergbaugesellschaft Union Minière du Haut Katanga.

Mit dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem spürbar größer werdenden Engagement der Vereinigten Staaten, die zunächst vor allem an den Uran-Vorräten für ihren Atombombenbau interessiert waren. Die Amerikaner wollten aber mehr, wie etwa der Politikwissenschaftler Gerhard Mollin in seiner grundlegenden Arbeit "Die USA und der Kolonialismus - Amerika als Partner und Nachfolger der belgischen Macht in Afrika 1939-1965" (Berlin 1996) anschaulich beschrieben hat. Wa-shington wollte sich den Zugriff auf alle strategisch wichtigen Rohstoffe des Kongo sichern und dabei insbesondere einem möglichen Zugriff der Sowjetunion zuvorkommen.

Als 1960 die "Demokratische Republik Kongo" gegründet wurde - die ehemalige Kolonialmacht Belgien hatte bereits 1959 mehr oder weniger schlagartig das Feld geräumt -, versuchten die Amerikaner, kongolesische Politiker in ihrem Sinne zu beeinflussen. Aus den vor allem ethnisch orientierten kongolesischen Parteien ragte eine Gruppierung heraus, nämlich die gesamtstaatlich orientierte "Kongolesische Nationalbewegung" (Mouvement National Congolais, MLC), an deren Spitze ein charismatischer Politiker namens Patrice Eméry Lu-mumba stand. Lumumba gewann die Wahlen im Mai 1960 und nahm den Platz des erste Ministerpräsidenten des Kongo ein, Staatspräsident wurde Joseph Kasavubu.

Der junge, am Tage der Unabhängigkeit, dem 30. Juni 1960, erst 35jährige Regierungschef dürfte aber von Anfang an keine Chance gehabt haben, das Land zwischen der Skylla und Charybdis der beiden Weltmächte USA und Sowjetunion hindurchzusteuern. Lu-mumbas Abrechnung mit der belgischen Kolonialherrschaft und seine Ankündigung, die Beziehungen zu Belgien einer Revision unterziehen zu wollen, wurden ihm zum Verhängnis. Lumumba fiel mit ziemlicher Sicherheit in der Folge einer US-amerikanisch-belgischen Intrige zum Opfer und wurde im Januar 1961 vermutlich von seinem erklärten Gegner Moïse Tschombé, dem Sezessionistenführer im Katanga, ermordet. Tschombé, der für ein unabhängiges Katanga kämpfte, mußte im übrigen mit seiner vorwiegend von ausländischen Offizieren geführten Katanga-Armee im Januar 1963 kapitulieren, nachdem ihm Belgien und die Union Minière die Unterstützung entzogen hatten.

Gegen die Zentralregierung in Kinshasa konstituierte sich nach der Absetzung und Ermordung Lumumbas im heutigen Kisangani (damals Stanleyville) eine Gegenregierung unter Antoine Gizenga, der vom Ostblock unterstützt wurde; diese löste sich jedoch schon im August 1961 zugunsten der neuen Zentralregierung unter Cyrille Adoula auf. Dieser Regierung gelang es mit Hilfe von Uno-Truppen, die noch auf Ersuchen Lumumbas entsandt worden waren, Katanga wieder in den Gesamtstaat zu integrieren.

Es folgte die Ära des Joseph-Désiré Mobutu, der als Stabschef der kongolesischen Armee bereits unter Lumumba zum ersten Male putschte und vorher wohl für den belgischen Geheimdienst und die CIA arbeitete. Er ergriff bereits im September 1960 die Macht, setzte aber 1961 Kasavubu wieder als Staatspräsident ein. Im November 1965 war er, vermutlich auch mit Hilfe der USA, schließlich am Ziel: Mobutu machte sich zum Präsidenten auf Lebenszeit und betrachtete den Kongo wie einst Leopold II. als eine Art "Privatbesitz". Er war es auch, der den Kongo in "Zaïre" umbenannte. Mobutu installierte eine Art "Kleptokratie" (Herrschaft der Diebe), die auf Unterdrückung und Bestechung aufbaute und einige dunkle Jahrzehnte Bestand hatte. Ein großer Teil der Einnahmen aus dem Bergbau beispielsweise floß am Fiskus vorbei direkt in die Taschen Mobutus beziehungsweise seiner Günstlinge. Anfang der 1990er Jahre stand der Kongo schließlich vor dem Bankrott. Von 1994 an entglitt dem Diktator die Lage zusehends, als sich eine Rebellenarmee unter der Führung von Laurent-Desiré Kabila zu formieren begann. 1997 war es schließlich dieser Kabila, der den inzwischen schwerkranken und international isolierten Mobutu stürzen konnte. Aus "Zaïre" wurde unter Kabila in der Folge wieder "Kongo".

Kabila gelang es allerdings nicht, das Land zu beruhigen, die kriegerischen Auseinandersetzungen währten bis in das Jahr 2003 hinein, wobei die Phase von 1998 bis 2003 ("Zweiter Kongokrieg") gelegentlich sogar als "afrikanischer Weltkrieg" bezeichnet wird, weil etliche Regierungen des Kontinents ihre Finger im schmutzigen Spiel hatten. Insbesondere Ruanda, Uganda und Simbabwe griffen ungeniert nach den Ressourcen des Kongo, die sie zum Teil bis heute hemmungslos ausbeuten.

Kabila selbst kam bei einem Attentat im Januar 2001 um, sein Sohn Joseph trat die Nachfolge an. Während sich das Regime von Kabila senior kaum von der "Kleptokratie" Mobutus unterschieden hat, verfolgt dessen Sohn eine entschieden andere Politik. Er bemüht sich zumindest, wenn auch mit geringem Erfolg, um eine Stabilisierung des zerrütteten Staates und vor allem um eine Beendigung der Ausplünderung der rohstoffreichen Ostprovinzen des 60-Millionen-Landes. Bis zu den Wahlen Ende Juli bleibt Kabila Staatspräsident und Oberbefehlshaber der Armee; allerdings sind ihm vier Vizepräsidenten zur Seite gestellt.

 
     
     
 
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