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Von der Krone des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, der als Zwölfjähriger an der Krönung seines Vaters Friedrich I. am 18. Januar 1701 im Königsberger Schloß teilnahm, kann in der Ausstellung "Preußen 1701 Eine europäische Geschichte" in der Großen Orangerie des Schlosses Charlottenburg in Berlin nicht einmal mehr die Karkasse, auch Gestell oder Skelett genannt, gezeigt werden.
Die goldene Kronprinzenkrone, die mit 110 Diamanten, acht Brillanten, acht Birnperlen und 83 runden Perlen besetzt war, holte 1737 der "Soldatenkönig " aus dem Krontresor im Berliner Schloß, zerschnitt sie und nahm die Stücke und Juwelen an sich, ohne daß die Beamten über den Zweck Mitteilung erhielten. Im Nachlaßinventar im Geheimen Staatsarchiv Berlin heißt es dazu: "Wie Se. Königl. Majestät den 15. August 1737 ins Tresor die 300 000 Thaler brachten, so haben Sie die Krone Nr. 3 mit Herrn Brandhorstens Scheere entzwei geschnitten, und nebst zwey großen Hemdknöpffen aus dem Tresor mit oben genommen, so wie mir Herr Eversmann gesagt hat. Denn zugegen ist keiner gewesen."
Von den Kronen Friedrichs I. und seiner Gemahlin Sophie Charlotte haben hingegen die goldenen Karkassen alle Zeitläufte überdauert. Sie sind jetzt mit den übrigen Kroninsignien Szepter, Reichsapfel, Reichssiegel mit Dose, Reichsschwert und Reichshelm sowie Lederfutterale in der Berliner Ausstellung, dem "Hauptereignis des Preußenjahres 2001 in Berlin", zu sehen.
Der Hauptlieferant Friedrichs I. für Juwelen und Perlen war der Hofjude Jost Liebmann und nach dessen Tode die Witwe. Rabbiner Adolf Kober informiert 1929 als einziger genauer über den "Hofjubilirer" und seine Familie im Jüdischen Lexikon: "Der Hofjude des Großen Kurfürsten, gest. 1701, stammte vermutlich aus Halberstadt [
]. Er war besonders im Juwelenhandel tätig, Lieferant und Kreditgeber des Hofes und diente als solcher auch dem Kurprinzen Friedrich III. Um 1700 galt er mit seinem 100 000 Reichstaler betragenden Vermögen als der reichste Jude Deutschlands." Unerwähnt läßt Kober allerdings, daß Liebmanns Witwe Esther aus der Familie der Prager Schulhoff und seine Söhne 1713 in Ungnade fielen, nachdem sie nach des Königs Tod noch "eine Forderung von 106 418 Talern geltend" gemacht hatten.
Paul Seidel führt in seiner grundlegenden Abhandlung über "Die Insignien und Juwelen der preußischen Krone" im Hohenzollern-Jahrbuch von 1913 ein Protokoll vom 7. Mai 1713 an, aus dem hervorgeht, daß die "Liebmannin" und ihr Sohn Salomon Israël "verhaftet und das in ihrem Hause vorgefundene Geld, Gold, Silber und Juwelen im Werte von mehr als 100 000 Reichstalern in die Hofrentei zur Verwahrung gebracht", also beschlagnahmt, wurden. "Was der Familie [...] zum Vorwurf gemacht wurde, läßt sich", so Seidel, "aus den Akten nicht ersehen."
Daß Liebmann für die Krone der Königin leihweise Juwelen beschaffte, belegt ein Aktenvermerk vom 16. Mai 1701, daß an ihn "an Statt der Interessen so er die zu Dero hochgeliebten Gemahlin der Königin Maj. Königl. Krohne gelieferte und nachgehends wieder von Ihm zurückgenommene Juwelen prätendiret überhaupt und ein für allemahl acht tausend Thaler bezahlt werden" sollen. Die für die Krönung in Königsberg geliehenen und bald nach der feierlichen Rückkehr in Berlin am 6. Mai 1701 zurückgegebenen Diamanten und Brillanten der Krone Sophie Charlottes hatten jedenfalls ihre optische Wirkung nicht verfehlt. Oberzeremonienmeister Johann von Besser hielt als Augenzeuge in der vom König beauftragten "Preußischen Krönungs-Geschichte" von 1702/ 1712 fest, daß die Krone "auf Ihrem blossen Haupte sass, und unter den dicken Buckeln Ihres natürlich gekrollten kohlschwarzen Haares, desto heller hervorschimmerte".
Für die Krönung Wilhelms I. am 18. Oktober 1861 in der Königsberger Schloßkirche wurden die Kronkarkassen durch zwei neue ersetzt. Den Grund dafür erfahren wir aus einem Brief des Direktors des Königlichen Hausministeriums an Kronprinz Friedrich Wilhelm, in dem es heißt, "daß zu der Carcasse der neuen Krone vorzugsweise deshalb leichtes Silberblech, aber vergoldet, gewählt ist, weil die erstere bei Verwendung reinen Goldes noch schwerer sein würde als die von 1701 herstammende Carcasse, welche Seine Majestät der König wegen zu großer Schwere nicht angewendet wissen wolle".
Die Kronen von 1861 nach dem Vorbild der Kronen von 1701 und unter der Verwendung derer Juwelen und Perlen führte der aus einer Hugenottenfamilie stammende Hofjuwelier und Goldschmied George Humbert aus. Er war Eigentümer der Häuser Schloßfreiheit Nr. 1 und 2 mit dem renommierten Juweliergeschäft Humbert & Sohn, in dem er von 1830 mit seinem Vater Jean George Humbert bis zu dessen Tode 1837 zusammenarbeitete.
Schließlich ließ Wilhelm II. 1889 von seinem Hofheraldiker Professor Emil Döpler d. J. wiederum nach dem Vorbild der ersten Preußenkrone und unter Verwendung der auch nach der Krönungsfeier von 1861 aus den Karkassen genommenen Juwelen und Perlen eine neue Krone entwerfen und laut Paul Seidel ebenfalls von den "Hofjuwelieren Humbert und Sohn" ausführen. Dies müßte dann George Emile Humbert, der das Geschäft als letzter seiner Familie bis zum Abbruch der Häuser nach 1890 besaß, gewesen sein.
Heinz Biehn gibt allerdings in "Die Kronen Europas und ihre Schicksale" von 1957 an, die Kronen seien von dem Berliner "Hofjuwelier Hugo Schaper (18441915) angefertigt" worden. Nach dem "Berliner Adreßbuch" von 1889 wohnte der "Hof-Goldschmied und Juwelier" in der Potsdamerstr. 8. Im Künstlerlexikon Thieme-Becker ist 1935 der "Kunstgewerbler (Hofgoldschmied)", der Bruder des bekannten Bildhauers Fritz Schaper, verzeichnet, ohne daß wie bei George Humbert die Ausführung der Königskrone erwähnt wird.
Hingegen wird in dem Lexikon 1925 George Humberts Sohn George Emile, der die Krone im letzten Geschäftsjahr "1889" ausgeführt haben müßte, nicht vermerkt. Dieser findet sich aber im Adreßbuch von 1889, wo es zu Humbert & Sohn heißt: "Hof-Juweliere Ihrer Maj. d. Kaiserin, Juwelen, Gold- u. Silberwrhdlg. Schloßfreiheit 2. Inh. Georg Emil Humbert". Im Adreßbuch von 1893 erscheint Hugo Schaper als "Hof-Goldschmied Ihrer Kgl. Hoheit der Frau Prinzess. Friedrich Carl von Preußen". Am 25. Januar dieses Jahres wurde Prinzessin Margarete, die jüngste Schwester Kaiser Wilhelms II., mit Friedrich Karl Landgraf von Hessen-Kassel vermählt.
Der wahre Goldschmiedemeister der Krone Wilhelms II., die heute in der Schatzkammer der Burg Hohenzollern bei Hechingen in Baden-Württemberg aufbewahrt wird, dürfte aber noch durch Archivalien und/oder das vermutlich am Krongestell angebrachte Meisterzeichen zu ermitteln sein. Jedenfalls hat Vater George Humbert für die Krönung außer den beiden seit Ende des Zweiten Weltkriegs verschollenen und daher diesbezüglich nicht mehr überprüfbaren Kronen auch "eine silberne und vergoldete Dose für die Aufbewahrung des Reichssiegels" von 1701 angefertigt, die in der Ausstellung im Schloß Charlottenburg gezeigt wird und eindeutig das Meisterzeichen "Humbert & Sohn" aufweist.
Die Krone Wilhelms II. mit 142 Diamantrosen, 18 Brillanten, acht Dicksteinen, acht Birnperlen und zwei Saphiren, die 1926 in dem Gesetz über die Vermögensauseinandersetzung zwischen dem Staat und dem Königshaus den Hohenzollern als Hausvermögen überlassen wurde, überstand den Zweiten Weltkrieg unbeschadet. Sie war gegen Kriegsende in die Hohenzollerngruft des Berliner Doms ausgelagert und später in der Dorfkirche von Kleinenbremen bei Minden in Westfalen vermauert worden. 1946 wurde sie von der britischen Besatzungsmacht beschlagnahmt, gelangte aber über das Kunstgutlager in Celle 1948 wieder in den Besitz der Hohenzollernfamilie.
Leider soll dann aber in den Notzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg der Staat Preußen war 1947 von den Alliierten aufgelöst worden Wilhelm Kronprinz von Preußen, der 1951 verstorbene Lieblingsenkel Wilhelms II. und Chef des Hauses Hohenzollern, die Juwelen und Perlen und andere Pretiosen an einen Schweizer Juden verkauft haben. Mehrere zuverlässige Zeugen, die nicht genannt werden wollen, bekräftigen, daß die Königskrone von 1889 in der Schatzkammer der Burg Hohenzollern nur mehr Straß, also Edelsteinimitation aus Glas, aufweist.
Allein der sogenannte kleine Sancy, der größte und mit 34 Karat schwerste Brillant, befindet sich noch heute im Privatbesitz der Hohenzollern. Nach Paul Seidel scheint der erst 1702 nach der Krönung aus der oranischen Erbschaft des Erbstatthalters Friedrich-Heinrich von Oranien, des Großvaters Friedrichs I., in den Besitz des Königs gekommene Brillant von ihm an der Königskrone befestigt worden zu sein.
Die letzte preußische Königskrone auf der Burg Hohenzollern sollte eigentlich als Leihgabe des vormals regierenden Preußischen Königshauses für neunzig Tage einen weiteren Glanzpunkt der Jubiläumsausstellung im Schloß Charlottenburg bilden, doch scheiterte deren Ausleihe zu guter Letzt offenbar am Hause Hohenzollern.
Will man in der Hochsaison des "Preußenjahres 2001" nicht auf einen Publikumsmagneten in der Schatzkammer verzichten oder befürchtet man vielmehr bei einer Ausleihe der Krone in die ehemalige preußische Hauptstadt das "offizielle" Bekanntwerden des vor über 50 Jahren verkauften Juwelen- und Perlenbesatzes? Wer also hoffte, die für die Krone von 1889 zumindest teilweise wiederverwendeten Diamanten, Brillanten und Perlen auch der Kronen von 1701 und 1861 noch ausfindig machen zu können, dem wird dies jetzt in der Schatzkammer der Burg Hohenzollern nicht mehr gelingen.
Aber auch die ihrer Juwelen und Perlen "beraubten" goldenen Skelette der Königskronen aus dem Jahre 1701 können als Leihgaben des Hauses Hohenzollern zumal vereint mit dem Szepter und dem Reichsapfel, die ihren originalen Edelsteinbesatz bis heute bewahrt haben noch von der glanzvollen Schöpfung des Königreiches Preußen vor 300 Jahren künden.
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