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Das Bürgerliche Berlin - Bilder einer Großstadt" unter diesem Leitmotiv zeichnet ein neu eingerichteter Rundgang im Märkischen Museum den Aufstieg der Stadt zur modernen Industriemetropole nach. Die Infrastruktur der Metropole, aber auch der "Berliner" modernen Typs entstehen aus dem bürgerlichen Leben der Epoche zwischen Befreiungskriegen und Kaiserreich. Nicht aus der Perspektive der "großen" Politik, sondern aus dem Blickwinkel der Berliner werden kulturhistorische Veränderungen und Eigenheiten der Stadt dokumentiert.
Wer waren die Bürger, die im 19. Jahrhundert die entstehende Metropole bevölkerten? Wie und wo lebten sie? Wie gestalteten sie ihre Stadt, ihre Arbeit, ihr geselliges Leben?
Geprägt von den Impulsen der Aufklärung und gefördert durch die Errungenschaften der Städte-reform von 1809 erkämpfte das Bürgertum sich im Lauf des 19. Jahrhunderts kommunale Selbstverwaltung, wirtschaftlichen Einfluß und kulturelle Hegemonie. Die neue, bürgerliche Schicht der Berufsbeamten, der Angestellten, der Gewerbetreibenden und der Angehörigen freier Berufe bestimmte den Weg Berlins hin zur modernen Metropole. Das Stadtmuseum kann in diesem neu gestalteten Abschnitt seiner Dauerpräsentation auf den wohl reichsten Teil seiner Sammlungen zurückgreifen - eine Gelegenheit, bisher Verborgenes zu zeigen und prominente Kunstwerke in ein neues Licht zu rükken. Vielfalt und Gegensätzlichkeit - die Charakteristika Berlins - bestimmen auch die Ausstellung. Den Mittelpunkt einer Galerie zur 1898 gegründeten Berliner Secession bildet das lebensgroße Porträt des Politikers, Industriellen und Mäzens Walther Rathenau, gemalt von Edvard Munch, das zugleich an den "Munch-Skandal" von 1892 erinnert, in deren Folge sich die moderne Richtung in Berlin formierte. Gemälde der Impressionisten Lovis Corinth, Walter Leistikow, Max Liebermann und Lesser Ury sowie der Expressionisten Max Beckmann, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein illustrieren den in der Secession gepflegten Reichtum an Stilen und Themen.
Neben Munch ist mit Lyonel Feininger ein weiteres der sogenannten korrespondierenden Mitglieder der Secession vertreten. Ergänzt wird die Präsentation durch bildhauerische Arbeiten von August Gaul und Louis Tuaillon.
In einem eigenen Raum wird auf das private Salonwesen eingegangen, das der Moderne in Berlin zum Durchbruch verhalf. Eine umfangreiche Künstlerkorrespondenz läßt den Salon der Frau Geheimrat Dohme im Zeichen deutsch-jüdischer Symbiose auferstehen.
Ein Möbel aus dem noblen Eßzimmer im Reformstil, das Henry van de Velde 1911 schuf, erinnert an dessen Freundschaft mit dem neoimpressionistischen Maler und Sammler Curt Herrmann. Im Gegensatz dazu steht das kleinbürgerlich-proletarische Milieu der Mietskasernen. Dort entfaltete sich das typische Berliner "Miljöh", das Heinrich Zille, Hans Baluschek und Franz Skarbina reiche Bildmotive bescherte.
Die Stadt Berlin entwickelt sich zum Moloch. Walther Rathenau faßt dies zusammen: "Spreeathen ist tot und Spreechicago wächst heran." pm
Die Ausstellung im Märkischen Museum, Am Köllnischen Park 5, 10179 Berlin-Mitte, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs von 12 bis 20 Uhr geöffnet.
Gegensätzlichkeit und Vielfalt bestimmen das Bild |
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