|
Die Grünen sind zu ihren Ursprüngen zurückgekehrt räumlich. Wie vor 20 Jahren tagte die vorgebliche Protestpartei wieder in der Karlsruher Schwarzwaldhalle. Das Jubiläum lädt zur Bilanz: Der Marsch durch die Institutionen war erfolgreich. Mit Joschka Fischer, Jürgen Trittin und Andrea Fischer sitzen drei Grüne in der Bundesregierung. Aber Macht hat bekanntlich Preise, und die Grünen zahlen bereitwillig. Etwa die schon seit der Gründung erhobene Forderung nach einem Atomausstieg wurde geschoben.
Trittin, der alte Kämpfer gegen Alles und nunmehrige Meister in Sachen Umwelt, blickte zurück auf alte Zeiten, die sich gerade auch bei Revolutionär en immer zu verklären pflegen: Damals zogen die Grünen noch gegen Brokdorf, gegen Wackersdorf und anderswo hin und hielten bei Sitzblockaden das Strickzeug für Nicaragua-Solidaritätskleidung in den Händen. Heute strickt man nur noch an Kompromissen: 30 Jahre Gesamtlaufzeit sollen deutsche Reaktoren noch haben. Doch in den "Konsensgesprächen" zwischen Regierung und Industrie ein Ultimatum für einen Ausstieg zu stellen, entfiel. "Wir werden daran gemessen, was wir erreichen und nicht daran, wie radikal unsere Anträge sind", hatte die NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn den 750 Delegierten zugerufen. Sie weiß, wovon sie spricht: Zur Sicherung des eigenen Machterhalts in der rot-grünen Koalition von Nordrhein-Westfalen ließ sie alle grünen Beschlüsse gegen den Braunkohleabbau Garzweiler II fallen.
Daß sich Trittin so für den Atomkompromiß ins Zeug legte, erklärte der CSU-Politiker Michael Glos am besten: "Tatsache ist, daß die machtgeilen Bundestags-Grünen unter keinen denkbaren Umständen ihre Pfründe wieder freiwillig räumen werden." Dafür, daß der Bayer diesesmal recht hat, spricht das Verhalten von Außenminister Fischer, der der Gewährung von Ausfuhrbürgschaften für Atomanlagen in China durch die Regierung zustimmen ließ, es aber nicht für nötig hielt, die grüne Partei darüber zu informieren. In Karlsruhe entschuldigte und rettete er sich durch das geschwinde Anlegen des Büßerhemdes, das er in Berlin sofort wieder mit seinem noblen Maßanzug tauschte.
Natürlich hatte die SPD-Seite des Regierungslagers nichts unversucht gelassen, den kleinen Partner, den man braucht, aber nicht liebt, vor dem Parteitag zu schwächen. Über "gezielte Indiskretionen" wunderte sich denn auch Parteisprecherin Antje Radcke nicht zu unrecht. Erst tauchten Berichte über geplante deutsche Panzerlieferungen an die Vereinigten Arabischen Emirate auf, und ganz kurz vor dem Parteitag stellte die deutsche Firma Krauss-Maffei beim Bundessicherheitsrat eine "Voranfrage" auf Lieferung von 1000 Leopard-II-Kampfpanzern an die Türkei. Doch die Grünen, ursprünglich pazifistisch ausgerichtet, schafften es nicht einmal, die Frage des Panzerexports zur Koalitionsfrage zu erheben. Der Parteitag beschloß lediglich, den Waffenexport abzulehnen. Glos zeigte sich bereits überzeugt, daß Fischer die Panzer liefern könne, wenn die Türkei diese wolle und warf den Grünen Doppelmoral vor: Einerseits werde der Türkei der Beitrittskandidatenstatus für die Europäische Union verliehen, und andererseits würden die Grünen es ablehnen, dem Nato-Partner Türkei die notwendigen Waffen zur Verteidigung der Bündnisgrenzen zu liefern. Auch aus der SPD kam nur Spott: Früher hätten die Grünen erst gegen deutsche Waffenexporte protestiert und dann Geld für Waffen für Nicaragua gesammelt.
Doch auch 20 Jahre nach ihrer Gründung und der Beteiligung an mehreren Landesregierungen und an der Berliner Koalitionsregierung zieren sich die Grünen immer noch, eine normale etablierte Partei zu werden und damit die Rolle einzunehmen, die ihr Außenminister ihnen längst vorspielt. Die Trennung von Amt und Mandat wurde beibehalten mit der grotesken Begründung, die CDU führe jetzt auch schärfere Trennungen ein. Die Partei bleibt damit ein Phänomen, die mit Trittin und Fischer zwei virtuelle Vorsitzende hat, während die eigentliche Sprecherin des Vorstandes, die Hamburgerin Radcke, Politik auf Kreisklassenebene betreibt verwelktes Grün also, noch ehe das Frühjahr so richtig begonnen hat.
Die Partei geht trotz ihrer bekannten Spitzenfiguren in der Wählergunst seit eineinhalb Jahren stetig zurück. Und der Leipziger Grüne Werner Schulz stellte fest, daß die mitteldeutschen Vertreter von Bündnis 90 inzwischen gar häufiger in der CDU als bei den Grünen zu finden seien.
|
|