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Der jetzt neu entfachte Streit um zweisprachige Ortstafeln in Kärnten erinnert tatsächlich an „Schilda“, er geht aber weit darüber hinaus und ist vor allem wegen der jüngsten Entwicklungen in Berlin von mehr als lokalem Interesse: Er illustriert nämlich eindrucksvoll das linke „Demokratie-Verständnis“ und den „Marsch durch die Institutionen“.
Zunächst zum Auslöser: Ein (ortsansässiger!) slowenisch-kärntnerischer Rechtsanwalt namens Vouk hatte vor Jahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet eine Strafverfügung erhalten, diese aber bis zur höchsten Instanz hinauf angefochten. Begründung: Mangels zweisprachiger Ortstafeln sei nicht erkennbar, ob man sich innerorts befinde! Deutsch-kärntnerische Schnellfahrer waren nie auf ähnliche Ideen gekommen, und daher fällte der Verfassungsgericht shof das Urteil, daß ab sofort auch Gemeinden mit weniger als 25 Prozent slowenischer Bevölkerung zweisprachig zu beschildern seien. Logisch.
Ein ähnlich weltfremder Beschluß der Regierung in Wien hatte schon zu Kreiskys Zeiten den kärntnerischen „Ortstafelkrieg“ ausgelöst. Denn die praktische Schwierigkeit liegt darin, daß eine Volksgruppenfeststellung von einigen Minderheitenvertretern und vor allem von der vereinigten Linken stets sabotiert wurde - unter anderem dadurch, daß man österreichweit dazu aufrief, sich als Slowene zu deklarieren! Mit den ortsansässigen Slowenen (etwa 10.000 bis 15.000) hatte sich die kärntnerische Landesregierung auch ohne Zählung längst geeinigt. Die neue politische Brisanz rührt aber daher, daß die jugoslawischen Ansprüche auf kärntnerisches Gebiet auch im Nachfolgestaat Slowenien weiterleben - ja sogar in Schulatlanten und Geschichtsbüchern dieses EU-Kandidaten ihren Niederschlag finden.
Das fragwürdige und praxisfremde Urteil quittierte der Landeshauptmann von Kärnten, Jörg Haider, mit dem Vorwurf, Gerichtspräsident Adamovich habe die Streitfrage mit dem slowenischen Präsidenten Kucan während dessen jüngsten Staatsbesuchs abgesprochen und sich daher „unwürdig“ verhalten. Die slowenischen Medien hatten ziemlich eindeutig über dieses Treffen berichtet, aber was ist schon von Medien zu halten, wenn die Hauptbeteiligten dementieren - ein österreichischer Richter mit serbischen Wurzeln und ein wendekommunistischer, jetzt sozialdemokratischer Staatspräsident, der nachweislich vom Auslöser, dem Rechtsanwalt Vouk, auf das Treffen vorbereitet worden war. Adamovich reagierte auf Haiders Anschuldigungen damit, daß er gegen sich selbst ein Amtsenthebungsverfahren einleitete, welches seine Kollegen prompt ablehnten. Aha!
Nun, auch Verfassungsrichter sind nur Menschen, und daher ließen sich acht der vierzehn Mitglieder des (hauptberuflich bezahlten, doch nur nebenberuflich agierenden) Gremiums von der SPÖ und die übrigen sechs von der ÖVP bestellen - auf Lebenszeit. Allerdings war es auch jahrzehntelange Praxis der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP, jene ihrer Gesetze, die das oberste Gericht als verfassungswidrig aufgehoben hatte, postwendend mit Zweidrittel-Mehrheit als Verfassungsgesetz nochmals zu beschließen und mit mehr als hundert solcher Aktionen die Bundesverfassung zu einem in sich widersprüchlichen Flickwerk zu machen. Die „allgemeine Erregung“ über Haiders Vorwurf der Parteilichkeit und über seine Bemerkung, der Verfassungsgerichtshof gehöre „zurechtgestutzt“, kommt jetzt just von jenen, die diesen selber immer zurechtzustutzen pflegten, wenn er sich nicht parteikonform verhalten hatte.
Die SPÖ, welche der jetzigen Regierung nach wie vor die (sozial-)demokratische Legitimität abspricht, kann noch locker zwei oder drei Legislaturperioden in Opposition verkraften. Denn ein halbes Jahrhundert Regierungsbeteiligung, davon die letzten 30 Jahre in führender Position, haben für nachhaltige Weichenstellungen gesorgt. In öffentlicher Verwaltung, Justizapparat, Exekutive, Sozialversicherung, Schulwesen, „moderner“ Kunst und natürlich im staatlichen Runkfunk ORF gibt es unzählige Parteigünstlinge, die de facto unkündbar und meist nicht einmal versetzbar sind.
Hinzu kommt, daß beträchtliche Teile des Volksvermögens (z. B. die Anteile an der Bank Austria) vorsorglich in „Stiftungen“ ausgelagert und so jedem Zugriff einer nichtlinken Personalpolitik entzogen wurden. Wer also dieses in Jahrzehnten natürlich gewachsene System kritisiert, der kann doch nur „undemokratisch“ sein und die „Zerschlagung des Rechtsstaats“ im Sinne haben - oder?
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