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Vertrauen besteht, wenn der Souverän, in einer freiheitlichen Demokratie also das Volk, sich von seinen in freien Wahlen gekürten Trägern politischer Mandate wirklich vertreten sieht. Das soll ja nicht heißen, daß gesellschaftlichen Gruppen oder dem einzelnen Bürger von der Politik jedweder Wunsch erfüllt wird, sondern daß Politik einen Ordnungsrahmen schafft, der den Menschen und Unternehmen berechenbare und verläßliche Grundlagen und Eckwerte für die selbstverantwortliche Gestaltung ihres Lebens liefert. Der Staat soll nicht tun, was der Einzelne tun kann, wie schon Abraham Lincoln warnte.
Genau hier beginnt unsere Krise: Der Staat, das heißt die politischen Entscheidungsträger, haben - aus welchen Beweggründen auch immer - dem Bürger immer mehr Spielraum aus der Hand genommen und behördlich regeln und steuern lassen. So kann sich Eigenleistung immer weniger zum Vorteil des Individuum s und des Gemeinwesens durchsetzen, der Anteil des Bruttosozialprodukts, welches behördlich erfaßt und umverteilt wird, wächst ebenso wie der Anteil der so umverteilenden Administrationen. Ein immer kleinerer Teil der Menschen im Lande finanziert durch seine Steuern und Abgaben einen immer größer werdenden, überwiegend unproduktiven Verwaltungsapparat.
Kein Wunder, daß die Verschuldung der öffentlichen Hände schon auf runde 1,5 Billionen Euro angeschwollen ist. Kein Wunder auch, daß die "politische Klasse" langsam beginnt zu begreifen, daß die Weichen seit Jahrzehnten falsch gestellt sind. Doch der Ruf an die Bürger, mehr Verantwortung zu zeigen, mehr Leistung einzubringen, Eigenvorsorge zu treffen, dieser Ruf mangelt der Überzeugungskraft, weil gleichzeitig ein großer Teil der Grundlagen und Eckwerte, die einmal geschaffen waren, nun nicht mehr hergeben, was der naive Bürger sich von ihnen versprach. Denken wir an von hoher Hand geübte Zweckentfremdung von Geldern (etwa bei Zwangsversicherungsbeiträgen, deren mißbräuchlicher Verwendung bzw. mangelndem Schutz gegen Mißbrauch) oder die oft geübte "Umwidmung" von Haushaltsposten, die ein Loch reißt, um ein anderes vorübergehend zu stopfen.
Hier bleibt Mißtrauen an den Handlungen der Politik nicht aus, hier wird Zweifel an der Qualität oder an den Zielvorstellungen der Politiker wach. Eine Tendenz, die ständig größere Dimensionen annehmen wird, je länger die vorbildgebenden Entscheidungen ausbleiben, mit denen die überflüssigen Regelungen und die hierfür geschaffenen Bürokratien Schritt für Schritt abgeschafft werden. Nur wenige Bundesländer haben hiermit begonnen, der Bund tut sich noch recht schwer, von der europäischen Zentralbürokratie ganz zu schweigen.
Die Ratlosigkeit der politischen Gremien gegenüber der offensichtlich an die Wand gefahrenen Versorgungssicherheit bei Renten und im Gesundheitswesen ist mit Sicherheit kein vertrauensbildender Faktor im Verhältnis des Volkes zu den Volksvertretern. Schließlich haben die hier Betroffenen (zu Zeiten, als weit mehr Menschen in Arbeit und Brot standen als heutzutage) ihre Renten-, Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt und meinen wohl mit Recht, einen Anspruch auf Versorgung aus dem von ihnen (plus Arbeitgeberanteil) finanzierten Fundus zu haben. Wenn die Politiker jetzt auch von Zugriffen auf private Versicherungen schwätzen, also auf Systeme, deren Nutzung sie in jüngerer Vergangenheit den Bürgern zur "Abrundung" der gesetzlich verordneten sozialen Sicherungssysteme dringend empfohlen haben, dann sollte es nicht verwundern, wenn auch die letzten Vertrauensreste der Bürger in die politische Klasse verschwinden.
Der Griff in die Tasche der Bürger hält nicht nur unvermindert an, er scheint noch keineswegs am Ende der Steigerungsmöglichkeiten angelangt. Steuerreformdebatten werden zur Witznummer, die Rechnung für Jahrzehnte politischer Fehlleistungen wird dem Bürger präsentiert. Glaubwürdigkeit in der Politik wiederherzustellen ist dennoch möglich, sofern Politiker weniger für das eigene als für das Wohl des Volkes arbeiten. |
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