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Das war der Traum des Joseph Goebbels: Nach dem Reichstagsbrand sollte das Anfang 1933 seiner völligen Entmachtung entgegen taumelnde Parlament in die Potsdamer Garnisonkirche umziehen, als symbolischen Akt der Vereinnahmung der edelsten Traditionen Preußens durch die Politik des neuen Regimes.
Ihm stellte sich ein Mann in den Weg, der Geschichte machen sollte: Otto Dibelius (1880 bis 1967), 1933 noch Generalsuperintendent der Kurmark. Die Rache folgte bald. Noch im selben Jahr wurde der streitbare Lutheraner seines Amtes enthoben. 1938 stieg Dibelius indes ins Leitungsgremium der Bekennenden Kirche Preußens auf, wurde nach dem Krieg Bischof von Berlin-Brandenburg und von 1954 bis 1960 gar Präsident des Weltkirchenrats.
Die symbolträchtige Kirche vom Zangengriff von Politik und Ideologie fernzuhalten, das war Dibelius Sieg und sein Erbe. Ein Jahr nach seinem Tod ließen die Kommunisten das barocke Bauwerk 1968 zerstören. Seinem Geist, den der tote Bischof so wacker verteidigt hatte, konnten sie nichts anhaben.
In Dibelius Sinne hatte die "Tradionsgemeinschaft Potsdamer Glocke nspiel" (TPG) seit 1986 fast sechs Millionen Euro Spenden gesammelt, um das Meisterwerk neu zu errichten. Die Tradition, der sie sich verpflichtet fühlte, war jene, für die Dibelius stand: Ein Gotteshaus sollte es werden, daß sich um keinen Preis hergibt als politische Bühne des Zeitgeistes, woher auch immer der gerade wehen mag.
Mit dem Ende der DDR schien die Zeit gekommen. Viel Zuspruch aus Volk und Politik und die unermüdliche Arbeit der TPG ließen das Spendenaufkommen steigen und mit ihm die Hoffnung, das Gotteshaus bald neu errichten zu können. Widerstand kam von unerwarteter Seite: Die Evangelische Kirche sträubte sich zunächst ganz gegen den Bau, weil eine preußische Traditionskirche nicht in ihr ideologisches Konzept paßte. Schritt für Schritt jedoch mußten die Kirchenoberen ihre Position "überdenken", ein Schock war für sie, als sich plötzlich die Katholische Kirche anerbot, eine neuerrichtete Garnisonkriche in ihre Obhut zu nehmen, falls die Protestanten sie denn partout nicht haben wollten.
Prompt schlug die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg vor, ein "Internationales Versöhnungszentrum" statt einer richtigen Kirche in dem erwünschten Neubau (in alter Gestalt) zu errichten. Auf derlei Politisierung wollte sich die Traditionsgemeinschaft nicht einlassen. Mit Erfolg, wie es lange schien. Vor allem CDU-Landeschef und Vize-Ministerpräsident Jörg Schönbohm stärkte der TPG demonstrativ den Rücken.
Noch kurz vor Weihnachten 2003 war die TGP voller Optimismus, daß die von Dibelius einst erfolgreich verhinderte politische Inanspruchnahme auch unter heutigen Vorzeichen zu verhindern ist. Doch was unter ungleich schwereren Bedingungen solange verhütet werden konnte, nun wird es offenbar doch beklemmende Wahrheit. Unter der Schirmherrschaft des EKD-Ratsvorsitzenden und Landesbischofs Wolfgang Huber sowie des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) und - besonders überraschend - von Jörg Schönbohm wurde die Tradionsgemeinschaft dieser Tage ausgebootet von einer neuen Stiftung, welche die massive Politisierung der Garnisonkirche durchdrücken will - wenn dafür genug Mittel zusammenkommen. Einziehen soll nun also das "Internationale Versöhnungszentrum", das sich mittels einer Dauerausstellung vor allem der Vergegenwärtigung der NS-Geschichte widmet. Für Andachten ist lediglich eine kleine Kapelle vorgesehen.
Die in jahrelangem Gezerre krisenerfahrene Traditionsgemeinschaft bleibt erstaunlich gelassen. TPG-Vorsitzender Max Klaar betonte dergegenüber zunächst die positiven Seiten: Immerhin sei nun für 2005 endlich ein konkreter Baubeginn vereinbart worden. Zudem bleibe abzuwarten, ob dies schon das letzte Wort sei. Die Evangelische Kirche habe sich von der Totalablehnung bis zum jüngsten Beschluß schon ein ganzes Stück bewegt. "Erst wollten sie die Kirche gar nicht. Dann nur mit dem Nagelkreuz von Coventry als Spitze statt der alten mit Sonne und Adler, nun haben sie auch darauf verzichtet. Wir bleiben optimistisch, daß der Lernprozeß weitergeht," so Klaar.
Zum plötzlichen Sinneswandel von Jörg Schönbohm meinte Klaar hingegen kühl: "Dazu nehme ich keine Stellung." Eines jedoch bleibe unverändert: "Unsere Spenden haben wir für das im besten Sinne preußische Gotteshaus gesammelt, und allein dafür werden wir das Geld unserer Spender hergeben." Unter diesen Bedingungen sei man auch weiter zur Kooperation bereit. Im März würden die Spender hinsichtlich der Zukunft der TPG befragt.
Besonders die plötzliche Kehrtwende von Brandenburgs CDU-Chef Schönbohm hinterläßt Verwunderung:
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD, li), Bischof Wolfgang Huber (mi) und Vize-Ministerpräsident Jörg Schönbohm (CDU, re) am 15. Januar im Potsdamer Industrieclub mit einem Modell der Garnisonkirche. |
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