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Während alle Welt sich um die rätselhafte Lungenkrankheit sorgt, an der - vor allem in China - Tausende erkrankt sind, grassiert in Hamburg eine nicht so gefährliche, aber genauso rätselhafte Epidemie: Urplötzlich, ohne jeden warnenden Hinweis fachkundiger Mediziner, wurden Hunderte von Pädagogen von geradezu unbeschreiblichen (und folgerichtig auch gar nicht genauer beschriebenen) Leiden befallen. Kein Arzt konnte sagen, was den Lehrerinnen und Lehrern eigentlich fehlte.
Hingegen konnten etwa 4.000 Hamburger Schulkinder sehr genau sagen, was ihnen fehlte: große Teile des Lehrpersonals. An einer Gesamtschule hatten sich 37 von 90 Lehrern krankgemeldet, an einer Grundschule waren nur zehn von 22 Pädagogen angetreten. Ganze Klassen mußten geschlossen nach Hause geschickt werden.
Hintergrund der wundersamen Epidemie: Der Senat will ein neues Arbeitszeitmodell einführen, das möglicherweise zu etwas längeren Arbeitszeiten führt.
Dies zu kritisieren und dagegen zu protestieren ist das gute Recht der Lehrer und ihrer Berufsvertretung. Der Rechtsstaat sieht eine ganze Reihe von Methoden vor, mit denen man - zumal als direkt Betroffener - seine Meinung und seine berechtigten Interessen in die öffentliche Dis-kussion und in den politischen Entscheidungsprozeß einbringen kann. Organisiertes "Blaumachen" gehört bislang nicht dazu. Und organisiert war diese Krank-heitswelle auf jeden Fall. Schließlich gingen ihr anonyme Telefonate und SMS voraus, mit dem sinnigen Text: "Stellt euch vor, am 6. und 7. Mai fiele der Unterricht aus ..." Auffällig auch, daß die Lehrergewerkschaft GEW hinterher bekundete, sie sei "nicht bereit, sich von diesen Aktionen zu distanzieren". So leicht ist es also, sich aus der Verantwortung zu stehlen.
Weit schlimmer aber als der massenhafte Verstoß gegen Arbeits- und Beamtenrecht ist es, daß hier eine berufsständische Auseinandersetzung auf dem Rücken und zu Lasten der Kinder ausgetragen wird. Wer die ihm anvertrauten Schüler zur Durchsetzung seiner eigenen Interessen mißbraucht, muß sich fragen lassen, ob er die richtige Berufswahl getroffen hat. Denn diese Massen-Krankmeldung ist keineswegs eine besonders "pfiffige" Protestaktion, sondern eine verachtenswerte Form der Erpressung.
SPD-Generalsekretär Olaf Scholz, der ja bis zur letzten Wahl selber dem Hamburger Senat angehörte, fordert, die Diskussion um die Bildungschancen unserer Kinder "offen und ehrlich" zu führen - und wirft den Lehrern vor, genau das Gegenteil von "offen und ehrlich" zu praktizieren. Dankenswert klare Worte, die hoffentlich auch in Spät-68er-Kreisen vernommen und beher-zigt werden. Denn deren "langer Marsch durch die Institutionen" (in diesem Fall die Institution Schule) hat, wie PISA lehrt, schon mehr als genug Unheil angerichtet. Die Blaumacher-Methode, mit der Schulkinder quasi als Geiseln genommen werden, ist eine unerträgliche Steigerung der systematischen Demontage unseres Rechtsstaates - wehret den Anfängen! Schulen als "rechtsfreier Raum" - nein, danke! |
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