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Dem Eindruck, der schwelende Konflikt zwischen Nord- und Südkorea hätte sich aufgrund des bevorstehenden Gipfeltreffens am 12. Juni entspannt, ist in seiner aktuellen Ausgabe (22. Mai) das auf militärische Fragen spezialisierte US-Periodikum "Aviation Week" entgegengetreten. So stellt der Autor des Beitrages, Robert Wall, gleich zu Beginn seiner Ausführungen fest: "Trotz der Zustimmung Nordkorea s zu einem Gipfeltreffen mit Südkorea, das von US-Sicherheitsexperten begrüßt wird, haben sich die Sorgen vor einem militärischen Konflikt auf der koreanischen Halbinsel keineswegs vermindert."
Wall zitiert in diesem Zusammenhang einen US-Regierungsbeamten, der darauf hinweist, daß es keinen Ort auf der Erde gebe, der ein größeres Potential an Massenvernichtungswaffen aufweise. Beunruhigt seien die USA insbesondere über die nordkoreanischen Truppen an der Grenze zu Südkorea, die innerhalb kürzester Zeit mobilisiert werden könnten. Dazu kommt, daß deren Bestand in jüngster Zeit nochmals erhöht wurde, was die USA als Indiz für mögliche kriegerische Absichten Nordkoreas deuten. Wall spekuliert in diesem Zusammenhang über eine nordkoreanische "Blitzkriegs-Strategie", mittels derer die nordkoreanische Armee große Geländegewinne realisieren könnte, bevor die USA überhaupt reagieren könnten.
Südkorea und die USA haben deshalb ihre militärische Aufklärungstätigkeit trotz des anstehenden Gipfeltreffens nicht verringert. Das Ziel dieser Aufklärung besteht in der Sammlung von Erkenntnissen über mögliche Mobilisierungsmaßnahmen der nordkoreanischen Armee. Im Einsatz befinden sich derzeit U2-Aufklärer sowie der Truppenbeobachter E-8C Joint-Star, der bereits im letzten Jahr in Korea im Einsatz war und zur Beobachtung des Wintermanövers der nordkoreanischen Armee herangezogen wurde. Dieser Truppenbeobachter wertet derzeit unablässig die nordkoreanischen Aktivitäten aus.
Weiter haben die USA zwei B-1-Bomber auf den südkoreanischen Stützpunkt Osan delegiert, um, wie Robert Wall es ausdrückte, "Stärke zu demonstrieren". Diese B-1-Bomber müßten, so Wall weiter, im Zusammenhang mit größeren Aktivitäten der US-Luftwaffe gesehen werden, den Bestand an Kampfflugzeugen in Südkorea aufzustocken. Auf den Stützpunkten in Osan und Kunsan befänden sich inzwischen auch Kampfflugzeuge, die bereits im Golf- und im Kosovokrieg zum Einsatz gekommen seien. In erster Linie handele es sich um Flugzeuge vom Typ F-16 und A-10 Thunderbolt, die als Luftunterstützung für Bodenoperationen eingesetzt würden. Die in Kusan stationierten F-16, die nur am Tag operieren könnten, sollen im Laufe des Jahres durch nachteinsatztaugliche F-16 ergänzt werden. Die A-10 Thunderbolt sollen, so Wall, am Tag zur Panzerbekämpfung und in der Nacht zur Bekämpfung der Artillerie eingesetzt werden.
Falls es zu einem Angriff nordkoreanischer Truppen kommen würde, könnte die US- und die südkoreanische Luftwaffe in den ersten Tagen ca. 1500 Einsätze fliegen. Nach fünf bis sechs Tagen würden die Einsätze auf ca. 2500 gesteigert werden, was der doppelten Einsatzzahl entspricht, die im Kosovokrieg realisiert werden konnte. Die amerikanischen Militärplaner gehen dennoch nicht davon aus, daß sie innerhalb der ersten Tage eines möglichen Konfliktes die Luftüberlegenheit über ganz Nordkorea erringen könnten. Ziel sei es, zunächst bei lokalen Militäroperationen die Luftüberlegenheit zu erringen.
Wenig furchteinflößend sind aus Sicht der US-Strategen die Möglichkeiten der nordkoreanischen Luftwaffe, die zum großen Teil aus veralteten MIG-Kampfflugzeugen bestünden. Diese könnte man innerhalb von drei Tagen ausschalten. Dessen sind sich die US-Militärs nach Ausführungen Walls sicher.
Als schwierig hat sich bisher die Aufklärung möglicher nordkoreanischer Kriegspläne erwiesen. Nordkorea sei ein Land, in dem sich weder nennenswerte Funktelefone noch Computer befinden würden, zitiert Wall einen Regierungsbeamten. Dies erschwert insbesondere die weitreichenden Möglichkeiten der USA im Hinblick auf die elektronische Aufklärung. Ziel der US-Strategie sei die Ausschaltung der nordkoreanischen Informationsinfrastruktur. Wenn dieses Ziel realisiert sei, werde die Kommunikation zwischen den nordkoreanischen Bodentruppen und ihren Befehlszentralen unterbrochen sein. Den USA käme dabei entgegen, daß die Kommandostruktur der nordkoreanischen Armee in großen Teilen zentralisiert ist.
Abzuwarten bleibt, inwieweit die Ausführungen Walls über die angeblichen nordkoreanischen Pläne nicht doch Spekulation sind. Nordkoreas Diktator King-Jong-II wird wissen, daß ein Krieg, in dem die USA als Kriegsteilnehmer auf seiten Südkoreas auftreten, das Ende seiner Herrschaft bedeuten könnte.
Ausschlaggebend aber für die Gesamtheit der oben beschriebenen Aktivitäten sei die Absicht der USA, das Vorfeld zu Rotchina beeinflussen zu können.
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