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Die derangierte CDU in NRW begreift die Wendezeit nicht

 
     
 
Ihre Realitätsblindheit ist ein Elend für die "neue CDU im Westen" des Jürgen Rüttgers: Da lädt der Landesverband der Vertriebenen in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Frühjahr den gerade zum Landesvorsitzenden seiner Partei am Rhein Gekürten zu einer Großveranstaltung des Verbandes in Düsseldorf ein, und Jürgen Rüttgers versäumt es, in seiner Ansprache ein Wort des menschlichen Verständnisses für ihr Schicksal und für ihr Wirken an die in großer Zahl versammelten Vertriebenen zu richten. Doch es bleibt nicht bei dieser ungenutzten Gelegenheit: Auch die seit jener Kundgebung
bestehende Zusage für ein Gespräch mit der Verbandsspitze im Lande ist bis heute, fast ein Jahr danach, uneingelöst.

Dem Ganzen setzte nun die Aufstellung der Landesreserveliste der Partei für die Landtagswahl am 14. Mai die Krone auf. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes und wohl auch in der Geschichte aller Flächenstaaten unter den deutschen Bundesländern wurde kein einziger Vertreter der Vertriebenen auf einen aussichtsreichen Listenplatz gesetzt, obwohl es genügend Kandidaturen gab. Damit nicht genug; der stellvertretende Landesvorsitzende der Vertriebenen im Lande, Rüdiger Goldmann (58), der die Anliegen der Ostdeutschen in drei Legislaturperioden im Landtag vertreten hat, fand sich auf dem geradezu beleidigenden Platz 138 wieder. Als einigermaßen sicher gelten die Plätze 60 bis 64.

Dieser Vorgang ist um so gravierender, als weitere vier Abgeordnete der CDU, die die ostdeutschen Angelegenheiten im Parlament mitgetragen haben, diesmal nicht mehr zum Landtag kandidieren. Entsprechend scharf hat der BdV-Landesverband auf diese Entwicklung mit einer Erklärung reagiert, die ein breites Echo sowohl in der regionalen wie in der überregionalen Presse gefunden hat (Das berichtete). Folgen für die Wahl können da gar nicht ausbleiben, sofern jetzt nicht "in letzter Stunde" noch ein überzeugendes Signal erfolgt.

Tragisch für die "neue CDU" ist, daß die aus dem "System Kohl" Hervorgegangenen wie Jürgen Rüttgers es offensichtlich schwer haben, die Lage, wie sie tatsächlich ist, zu realisieren. Sie leben in einer virtuellen Welt, wenn sie im Blick auf das Wählerpotential davon ausgehen, ihre Kohl-geschaltete "Ost- und Mitteldeutsche Vereinigung" (OMV) repräsentiere die Vertriebenen. Wenn man die Vertriebenen erreichen will, muß man schon mit deren Verbänden selbst sprechen. Das ist gewiß in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich, wie das Beispiel Hessen zeigt. Dort hat Roland Koch die Landtagswahl am 7. Februar 1999 auch deswegen gewonnen, weil sogleich mehrere profilierte Vertreter der Freundeskreisen – so der Ostpreuße und jetzige Landesjustizminister Christian Wagner – auf aussichtsreichen Plätzen der Landesliste abgesichert waren.

Im krassen Gegensatz zu diesem gerade erst bewährten Beispiel von Hessen spielt die OMV in Nordrhein-Westfalen eine eher unglückliche Rolle, so daß die Partei dort – anders als noch zu Zeiten von Norbert Blüm als Landesvorsitzendem – jetzt den realen Kontakt zu den Vertriebenen im Lande verloren hat. Auch mit seiner Aussage vor der OMV, für den Fall seines Wahlsieges eine Aufbesserung der mehr als mageren Landesmittel für die ostdeutsche Kulturarbeit nicht zusagen zu können, war Rüttgers schlecht beraten. Nun steht er blamiert da, nachdem am vergangenen Wochenende Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) die Erhöhung der Mittel um den nicht gerade überwältigenden, aber psychologisch wichtigen Betrag von 130 000 Mark noch für das laufende Jahr öffentlich mitgeteilt und eine weitere Steigerung für das Jahr 2001 angekündigt hat.

Wenigstens diese Blamage hätte die Wahlkampfleitung der Landespartei ihrem Kandidaten leicht ersparen können. Da war die Verbandsspitze augenscheinlich besser informiert. Sie hätte der CDU schon vor Wochen eine entsprechende Ankündigung des Ministerpräsidenten vorhersagen können, die ja nicht ohne Vorbereitung in der Verwaltung entsteht. Die Bekanntgabe erfolgte jetzt auf einer Pressekonferenz im Anschluß an ein Gespräch von Wolfgang Clement und der zuständigen Landesministerin Ilse Brusis mit Vertretern des Verbandes im "Haus Oberschlesien" in Ratingen bei Düsseldorf. Die Zeichen müssen nun schon sehr deutlich sein, um die Stimmung bis zum 14. Mai noch zu wenden. Die Vertriebenen im Lande warten. Hans-Günther Parplies

 
     
     
 
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