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Nicht nur in Paris, sondern auch in der ganzen französischen Presse haben die korsischen Verwicklungen währen des Frühlings den Krieg auf dem Balkan auf de Titelseiten der Zeitungen und Zeitschriften ersetzt. Es war nämlich das erste Mal in Frankreich, daß ein Präfekt (die Präfekten sind die höchsten Vertreter des Staates in den französischen Départements) wegen Brandstiftung inhaftiert wurde. Wie ei unabhängiger Journalist uns sagte, hätte eine solche Angelegenheit in den meiste zivilisierten Staaten den Sturz der betroffenen Regierung herbeigeführt. In Frankreic wurde alles mit einer Abstimmung der National versammlung beendet, da die Konservativen die Verlegenheit des Premierministers und seines Innenministers nicht zu nutzen vermochten.
Der Präfekt Christian Bonnet sitzt in der Tat in Untersuchungshaft mit hohe Offizieren der Gendarmerie, weil er beschuldigt wird, einen gesetzwidrigen Bau in Korsika wo er letztes Jahr nach der Ermordung seines Vorgängers, des Regional-Präfekten Claud Brignac, ernannt worden war, sprengen zu lassen haben.
Christian Bonnet, der, soweit man übersehen kann, freie Hand von der Regierun erhalten hatte, damit der Rechtsstaat auf der Insel der Schönheit wieder funktionsfähi wird, war vollkommen der Typ jener Diener der Republik, welcher seit zweihundert Jahre überwiegend vom Jakobinismus geprägt wird. In der so prekären und verworrenen Lage de zentralen Staatsbehörden in Korsika hatte er sich kampflustig gezeigt und sic demonstrativ mit Sondereinheiten der Gendarmerie umgeben. In dem fortwährenden Strei zwischen Polizei und Gendarmerie wählte er die Gendarmerie und besonders die von ih gegründete Sondereinheit "Groupement de Peloton de Sécurité", um gegen die korsischen Kräfte zu ermitteln, die für eine Unabhängigkeit eintreten, da e argwöhnte, sie seien mitverantwortlich an der Ermordung des Präfekten Brignac im Mär 1998. Anscheinend hat die Polizei besser gearbeitet als die Gendarmen, da die Mörde Brignacs von der einheimischen Polizei und dem mächtigen Antiterroruntersuchungs-Richte Burgunder entlarvt wurden.
Der "sechseckige Durch-schnittsbürger" weiß anscheinend nich viel von den Umständen in Korsika, deren Lage seit fünfundzwanzig Jahren von Unruhen un Pariser Unentschlossenheit geprägt wird. Die französischen Regierungen un Parlamentsmehrheiten von Giscard bis zu Chirac haben sich regelmäßig die Verantwortunge gegenseitig zugeschoben und, obwohl Mitterrand ein Dezentralisierungsgesetz von seine Innenminister Deferre hatte passieren lassen, ist die korsische Regionalversammlung s aufrührerisch und in zehn Parteien gespalten, daß der Regional-Präfekt eigentlich de tatsächlich Regierende der Insel ist. Nach dem Sturz des Präfekten Bonnet wurde nun ei liberaler Präfekt an seiner Stelle von Paris aus ernannt, der Gesprächsbereitschaf signalisierte. Die meisten liberalen Mitglieder der gegenwärtig in de Nationalversammlung herrschenden linken Regierungsmehrheit fangen jetzt an, von eine Selbständigkeit der Insel zu sprechen, während die Rechten, die die Aufgabe von Algerie durch de Gaulle hatten schlucken müssen, davon nichts hören wollen. Eine Revision de Verfassung der Republik dürfte in dieser Hinsicht eine heikle Sache sein.
Der Präfekt Brignac wurde von einer Gruppe von Korsen ermordet, die das Symbol de französischen Staates bewußt treffen wollten. Der Korse, der geschossen hat, Ya Colonna, ist der Sohn eines ehemaligen sozialistischen Abgeordneten, der im Kabinet Mitterrands im Innenministerium gesessen hatte. Obwohl der derzeitige Innenministe Chevènement viel von dem Rechtsstaat ("LEtat de droit") spricht, schein die Lage in Paris und in Korsika ziemlich in einer Sackgasse, denn niemand an der Sein hat gegenwärtig die Macht oder den Willen, etwas gegen den heimlichen korsische Bürgerkrieg zu unternehmen. Es ähnelt der Lage im früheren Ostblock: einen Stein au dem Kolonialsystem herauszunehmen bedeutet sofort, das die Völker unterdrückend fremdbestimmende Kartenhaus unseres westeuropäischen Nachbarn zum Einsturz zu bringen. |
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