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Das größte börsennotierte Industrieunternehmen Österreichs, der Öl- und Gaskonzern OMV, und der größte Stromproduzent des Landes, die Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG, kurz "Verbund" genannt, hatten Anfang Mai Fusionspläne bekanntgeben. Die sind nun gescheitert - am Widerstand der Bundesländer. Die fortdauernden heftigen Debatten zeigen wieder einmal deutlich, daß selbst in Grundsatzfragen wie Privatisierung und Bundesstaatsreform Risse quer durch die Parteien gehen.
Die OMV ist "der größte Tankwart Mitteleuropas" mit Beteiligungen an der Bayernoil (50 Prozent), der rumänischen Petrom (51 Prozent), der türkischen Petrol Ofisi (35 Prozent), an Vertriebsgesellschaften auf dem Balkan sowie an Chemieunternehmungen. Hauptaktionäre der ursprünglich staatlichen OMV sind heute die staatliche Holding-Gesellschaft ÖIAG (31,5 Prozent) und der staatliche IPIC-Fonds des Emirats Abu Dhabi (17,6 Prozent).
Der Verbund betreibt die Laufkraftwerke an Donau, Mur und Drau sowie in Gemeinschaft mit anderen Eigentümern auch die an Salzach, Inn und Enns, desweiteren die Großspeicherkraftwerke in den Hohen Tauern, neun thermische Kraftwerke und das gesamte Höchstspannungsnetz Österreichs. Hauptaktionär ist wiederum die ÖIAG mit 51 Prozent, doch die Landesgesellschaften von Wien, Niederösterreich und Tirol halten zusammen eine Sperrminorität.
Die Bundesländer in Österreich haben zwar weniger Befugnisse als die in Deutschland - der Chef einer Landesregierung heißt auch nur "Landeshauptmann", nicht Ministerpräsident. Die Praxis zeigt aber, daß die "Hausmacht" der Parteiführer ausschlaggebend ist, und die residiert nicht in den Parteizentralen, sondern in den Bundesländern. In der SPÖ geht daher nichts ohne den Landeshauptmann von Wien, Bürgermeister Häupl, und in der ÖVP fast nichts ohne den niederösterreichischen Landeshauptmann Pröll. Die Macht der Landeshauptleute manifestiert sich ganz wesentlich in der Vergabe von Posten und Aufträgen. Privatisierungen von landeseigenen Betrieben reduzieren diese Macht und werden daher eher nur zum Stopfen von Budget-Löchern vorgenommen, weniger aus wirtschaftlichen Gründen.
Der Haken beim Fusionsprojekt war, daß der Staatsanteil am Verbund durch ein Verfassungsgesetz festgeschrieben ist. Zu dessen Änderung wäre eine Zweidrittelmehrheit und damit die Zustimmung der SPÖ nötig. SPÖ-Chef Gusenbauer ließ erkennen, daß sich die Partei auch mit einer staatlichen Sperrminorität von 25,1 Prozent begnügen würde. Doch dann lief die Sache schief: Wirtschaftsminister Bartenstein (ÖVP) forderte die Bundesländer auf, sie sollten die Beteiligungen auch an ihren Landesgesellschaften auf 25,1 Prozent reduzieren. Und die Landeshauptleute ihrerseits forderten - über alle Parteigrenzen hinweg - einen Staatsanteil von 51 Prozent an der aus OMV und Verbund entstehenden neuen Gesellschaft. Was auf Wiederverstaatlichung hinauslaufen würde.
Prompt wurde gewitzelt, die OMV habe sich beim Fusionsplan von Gasprom inspirieren lassen, die "Landesfürsten" aber vom bolivianischen "Verstaatlichungs"-Präsidenten Morales. Die Frage Privatisierung oder Verstaatlichung läßt sich heute allerdings nicht mehr so eindeutig beantworten wie früher. Denn es ist zwar empirisch bewiesen, daß Privatisierungen die betriebliche Rentabilität erhöhen. Doch ebenso, daß dies nicht immer ein Vorteil für die Volkswirtschaft ist: In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit werden die hinwegrationalisierten Mitarbeiter weniger für andere produktive Tätigkeiten "freigesetzt", als vielmehr dem Sozialsystem überantwortet.
Jüngste Ereignisse wie die Gaskrise der Ukraine haben auch die Versorgungssicherheit wieder in den Vordergrund gerückt - und da ist immer der Staat gefragt, denn Sicherheit ist "unrentabel". Die Privatisierung von Infrastruktur erweist sich als besonders heikel, denn Rentabilität geht dabei entweder zulasten der Qualität oder der Versorgungsdichte. Marktöffnung und Konkurrenz führen zunächst zwar zu Verbesserungen und Verbilligungen - Musterbeispiel Telekommunikation. Doch laufend neue Fusionen von Anbietern lassen durchaus begründete Ängste entstehen, daß sich früher oder später wieder Monopole entwickeln - noch dazu private und vielleicht sogar ausländische. Auch wenn im aktuellen Fall die "Landesfürsten" durchaus eigennützig agiert haben mochten, so ist doch unverkennbar, daß sich selbst im bürgerlichen Lager ein "nationalistisches" Umdenken in den Fragen Privatisierung und Globalisierung abzeichnet. |
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