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Dieses Haus bleibt uns ein fremdes Haus

 
     
 
So hatte sich der Koadjutorbischof der Diözese Meißen, Dr. Otto Spülbeck (1904–1970), den Besuch in seiner rheinischen Heimatpfarrei St. Josef in Aachen nicht vorgestellt. Als er dort am 5. September 1956 die Kanzel betrat, sah er sich veranlaßt, eine Beschwichtigungspredigt zu halten, um die gegen ihn aufgebrachten DDR-Machthaber und die zu einer Kampagne ansetzenden DDR-Massenmedien zu beruhigen.

Anlaß für diese Aufregung, die erst vor dem Hintergrund des Kalten Krieg
es recht verständlich wird, war eine Predigt, die Spülbeck vier Tage zuvor beim Deutschen Katholikentag in Köln gehalten hatte. Zwei Stasi-Offiziere, denen die Überwachung der mitteldeutschen Katholikentagsteilnehmer oblegen hatte, hatten dem Zentralkomitee der SED sofort nach der Kölner Predigt berichtetet: „Die Rede Spülbecks ist eine eindeutig klare Ablehnung einer Loyalitätserklärung … und eine Bejahung des politischen Systems der Bundesrepublik.“ Der Bischof also ein Staatsfeind!

Spülbeck hatte in seine Predigt ein fiktives Gespräch mit einem DDR-Minister eingebaut: „Herr Minister, Sie sind Marxist. Ich bin katholischer Christ. Wir haben daher in weltanschaulicher Beziehung nichts miteinander gemein. Es gibt keine Brücke von Ihnen zu uns. Aber wir leben in einem Haus, dessen Grundfesten wir nicht gebaut haben, dessen ragende Fundamente wir sogar für falsch halten. Und wenn wir jetzt in diesem Haus miteinander leben, so kann unser Gespräch nur bedeuten – … wer macht in diesem Haus die Treppe sauber? … Dieses Haus bleibt uns ein fremdes Haus. Wir leben nicht nur kirchlich in der Diaspora, sondern auch staatlich.“

Kein Wunder, daß die DDR-Presse wegen dieser klaren weltanschaulichen Abgrenzung gegen den Bischof polemisierte. Daher brachte Spülbeck nun am 5. September in Aachen Klarstellungen, die schädliche Folgen für die an sich schon schwierige Lage der katholischen Kirche in der DDR abwehren sollten. Er habe die Kölner Predigt nicht als Politiker gehalten. Das Bild vom „fremden Haus“ sei mißdeutet worden: „Mit diesen Darlegungen möchte ich unter keinen Umständen erklären, daß mit dem hiesigen Haus [Bundesrepublik Deutschland] alles in Ordnung sei. Ich bin Bewohner der DDR und spreche über das, was ich kenne. Die hiesigen Verhältnisse kann ich nicht beurteilen.“

Letzteres war eine Untertreibung, denn der gebürtige Rheinländer Spülbeck lebte zwar seit 1930 in Mitteldeutschland, hatte aber genügend Kenntnisse, um über die Zustände in Westdeutschland urteilen zu können. Ihm kam es hier darauf an, sein Fazit glaubhaft erscheinen zu lassen: „Wir sind keine Staatsfeinde.“

Der Versuch blieb jedoch vergebens. Das DDR-Regime hat ihm seine mutige Kritik nie verziehen. (Manfred Müller)
 
     
     
 
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