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In der deutschen Politik haben die jenseits der Staatsgrenzen in aller Welt verstreute Landsleute nur sehr wenig zu melden. Das ist keineswegs selbstverständlich in einer Zeit in der die modernen Informationstechniken, die globalisierten Wirtschaftsstrukturen un die Massenmobilität räumliche Trennungen relativ leicht überwinden lassen.
Es gibt zahlreiche Beispiele für die Einflußnahme ethnischer Diaspora-Gruppen auf die Politik des Herkunftslandes. Man denke hier an die irischen, jüdischen und armenische Lobbies in den USA, die Kurden in Deutschland oder den Niederlanden, die Polen in Frankreich, Palästinenser in Tunesien oder die Tschetschenen in Jordanien und de Türkei.
Fernsehen, Telefax und E-Mail "verstärken das Engagement der Diaspora, j polarisieren es mitunter durch ständigen Kontakt mit der früheren Heimat", stellte der in den Vereinigten Staaten lebende Politologe Khaching Tololya 1994 fest. Außerdem betonte er, daß die "frühere Heimat" einen anderen ungleich größeren Stellenwert bekommen hat, als dies noch vor ein paa Jahrzehnten der Fall war.
Wie virulent die Frage der politischen Einbeziehung von außerhalb der eigenen Grenze lebenden Landsleuten ist, zeigt sich in Europa gerade sehr deutlich am Beispiel Kroatiens Beide Kammern des kroatischen Parlaments haben Ende Oktober ein neues Wahlgeset beschlossen. Dieses garantiert künftig die Repräsentanz der Auslandskroaten in de Volksvertretung der Adriarepublik mit ihren 4,8 Millionen Einwohnern.
Die Zahl der für sie in Zagreb bereitstehenden Mandate hängt allerdings von de Wahlbeteiligung der mehrere hunderttausend Personen starken Diaspora ab (allein in de Bundesrepublik waren 1998 rund 210 000 Kroaten registriert).
Gleichzeitig wurden die für die zusammengeschmolzene serbische Minderheit reservierte Sitze von bisher drei auf einen gekürzt. Gegen den Widerstand der Opposition und trot Kritik aus den USA sowie seitens der EU verschaffte sich die regierende Kroatisch Demokratische Gemeinschaft (HDZ) mit der Aufwertung der traditionell HDZ-freundliche Diaspora einen möglicherweise entscheidenden Vorteil für die am 22. Dezember anstehende Parlamentswahlen.
Im mitteleuropäischen Raum beschäftigt das gleiche Thema in diesen Tagen besonder die Ungarn. Ministerpräsident Orban erklärte am 1. November gegenüber Journalisten daß sein Kabinett eine Ergänzung des Wahlgesetzes beabsichtige, die die Stimmabgabe vo Auslandsungarn ermöglichen soll. Allerdings schränkte Orban die Tragweite der Plän sogleich ein, indem er sie nur auf ungarische Staatsangehörige bezog.
Damit würden vor allem die politischen Flüchtlinge von 1956 erreicht allei bis zum Ende des Revolutionsjahres waren ungefähr 200 000 Ungarn über die damals noc offene Grenze nach Österreich abgehauen. Nicht inbegriffen wären die großen ungarische Volksgruppen in Rumänien, der Slowakei und der Wojwodina.
Das Vorhaben wird von der Mitte-Rechts-Regierung sowie der rechtsradikalen Partei fü Gerechtigkeit und Leben unterstützt, während Sprecher der linken Opposition bereits ihr Ablehnung signalisierten. Wie in Kroatien gilt auch die ungarische Diaspora politisch ehe als national-konservativ. Ganz ohne Zustimmung aus den Reihen der Linken wird die geplant Änderung aber nicht durchkommen, denn sie bedarf einer Zwei-Drittel-Mehrheit de Abgeordneten.
Anschauliche Beispiele für die Gestaltung staatlicher Politik durch Angehörige de Exils liefern die baltischen Republiken. Im Zweiten Weltkrieg flüchteten etwa 32 00 Esten nach Schweden und 40 000 nach Deutschland. Letztere zogen wenig später zu Großteil in die USA (20 000), nach Kanada (19 000) und Australien (5000) weiter.
Das lettische Exil umfaßt ungefähr 150 000 Personen, von denen 30 000 in Schweden un fast 15 000 in der Bundesrepublik Deutschland leben. Die vergleichsweise geringe Zahl vo einigen tausend außerhalb der UdSSR zwangsumgesiedelten Litauern konzentriert sich au das Staatsgebiet Polens.
In Kopenhagen befand sich jahrzehntelang eine Kanzlei der estnischen Exilregierung, un in Washington arbeiteten noch bis zum Umbruch im Osten Gesandtschaften der legale estnischen und lettischen Volksvertretungen.
Gigantisch sind die geschätzten Zahlen über die baltischen Opfer der stalinistische Deportationen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren: Demzufolge sollen 140 000 Esten, 15 000 Letten und 285 000 Litauer nach Osten verschleppt worden sein über zeh Prozent der angestammten Bevölkerung.
Die geringe Volkszahl sowie die teilweise Liquidierung der alten Führungsschichte durch die Kommunisten machte nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit die Einbeziehun des intellektuellen Potentials aus dem Exil zu einer besonders wichtigen Aufgabe. Obwoh offenbar keine der drei Republiken spezielle Statistiken über die Rückkehrer führt hinterließen diese doch unübersehbare Spuren.
Sowohl die im Juni 1999 neugewählte lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga als auch ihr litauischer Amtskollege Valdas Adamkus und der estnische Außenministe Tomas-Hendrik Ilvers sind Rückkehrer. Während die Heimat Adamkus noch stärker präge konnte, war das bei der 1937 geborenen Vike-Freiberga nur ansatzweise der Fall. Si besuchte zwischen 1945 und 1949 eine lettische Grundschule in einem Lübecke Flüchtlingslager. Danach ging es für Jahrzehnte nach Kanada. Ilvers kam sogar erst in schwedischen Exil seiner Familie zur Welt.
Auch ein früherer estnischer Sozialminister und eine Reihe von Parlamentariern in allen drei Staaten wuchsen im Ausland auf.
Ihre Einbeziehung, ja selbst der Aufstieg in höchste Ämter ist öffentlich nich problematisiert worden, da sie als selbstverständlich gilt. Allein in Lettland, wo die Rückkehrbewegung am größten ist, sind Vorbehalte gegenüber den Landsleuten aus de Fremde spürbar.
Insgesamt dürfte es sich bisher nur um mehrere tausend Heimkehrer handeln. Die Zah der aus Deutschland an den Finnischen Meerbusen übergesiedelten Esten geht nach Angabe der Botschaft beispielsweise in die Hunderte. Ältere Exilanten waren zu einem solche Neuanfang gesundheitlich häufig nicht mehr in der Lage, und ihre vom Heimatverlust nich unmittelbar betroffenen Kinder und Kindeskinder wollten diesen Schritt nicht gehen.
Dafür dürften manche der letzteren noch auf lange Zeit eine wichtige Brückenfunktio zwischen dem Land der Vorfahren und dem neuen Zuhause ausüben. Nötig haben das die kleinen, vom großen Rußland potentiell noch immer gefährdeten baltischen Republike allemal.
Seit dem Untergang des Ceause cu-Regimes Ende 1989 wandelt sich in Rumänien das Bild des jahrzehntelang verfemte Machthabers im Zweiten Weltkrieg, Marschall Ion Antonescu.
Der im September 1940 von König Carol II. mit der Regierung betraute Generalstabsche wird nicht nur von Historikern, sondern immer wieder auch in der breiten Öffentlichkei kontrovers diskutiert.
Zuletzt sorgte der "Fall Antonescu" im siebenbürgischen Klausenbur (rumänisch: Cluj-Napoca, ungarisch: Kolozsvár) für Aufregung. Ende Oktober stimmte de Stadtrat einem Vorschlag von Bürgermeister Gheorghe Funar zu, ein Denkmal de autoritären Staatslenkers aufzustellen. Zuvor waren elf Anläufe zu einer solchen Ehrun fehlgeschlagen. Die Einigung kam zustande, weil der durch seine rhetorischen Ausfäll gegen die ungarische Volksgruppe bekannt gewordene Funar den Skeptikern aus de gemäßigten Mitte-Rechts-Parteien "eigene" Gedenkstätten zubilligte.
So sollen in den nächsten Jahren in Klausenburg auch Denkmäler für den einstige Führer der Nationalliberalen Partei, Ion C. Bratianu, den Bauernparteichef Iuliu Mani sowie für König Ferdinand entstehen. Dennoch ist der Kompromiß in erster Linie als ei Erfolg für Funars radikal-nationalistische Partei der Rumänischen Nationalen Einhei (PUNR), die ähnlich ausgerichtete Großrumänische Partei (PRM) von Corneliu Vadim Tudo und verschiedene Veteranenverbände zu bewerten.
Ceausescus einstiger Ghostwriter Vadim Tudor legte am 30. Oktober demonstrativ eine Kranz an der bereits vorhandenen Antonescu-Statue in Slobozia an der bulgarischen Grenz nieder.
Als kompromißlose Gegner der Klausenburger Antonescu-Ehrung blieben schließlich nu die linksgerichtete Allianz für Rumänien sowie der Ungarnverband (RMDSZ) übrig.
Die Ungarn in Siebenbürgen stören sich vor allem an der großrumänischen Nostalgie die bei der Renaissance des am 1. Juni 1946 von den Kommunisten hingerichteten Marschall mitschwingt. Darüber hinaus erscheint ihnen jedes neue rumänische Denkmal in Klausenbur als ein weiterer Schritt der völligen geistigen Aneignung des Landes durch die heutig rumänische Mehrheit.
Symbole der ungarischen Kultur in Klausenburg waren im letzten Jahrzehnt wiederhol Angriffen des nationalistischen Bürgermeisters Funar ausgesetzt. Den Höhepunkt bildete Forderungen nach einer Versetzung des Reiterdenkmals von König Matthias I. Corvinus in ein weniger zentrales Stadtviertel.
Den jüngsten Beleg für die nach wie vor angespannte Atmosphäre zwischen beide Volksgruppen lieferten am 6. Oktober die Unruhen in Arad (Banat). Anti-ungarisch Demonstranten sprengten dort die Enthüllungszeremonie für ein Denkmal zu Ehren de ungarischen Heroen der 1848er Revolution.
Solche Spannungen könnten sich für Rumänien neben der desolaten wirtschaftliche Lage als größte Hindernisse für baldige EU-Beitrittsverhandlungen erweisen. Um s willkommener waren in Bukarest die jüngsten Geldzusagen des für die Osterweiterun zuständigen EU-Kommissars Verheugen.
Verheugen kündigte am 28. Oktober an, daß die Union für Rumänien bis 2006 jährlic 600 Millionen Euro bereitstellen werde. Mit diesen gewaltigen Summen sollen da Transportwesen, die Landwirtschaft und der Umweltschutz quasi im Schnelldurchgang au Vordermann gebracht und so der Weg nach Brüssel geebnet werden. |
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