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Sind Deutsche nun zu teuer?

 
     
 
Vor kurzem warf der Bay rische Ministerpräsiden Stoiber der rotgrünen Bundesregierung vor, sie plane noch mehr Zahlungen an die Europäische Union. Gegenüber der "Bild-Zeitung" behauptete Stoiber, in Kanzleramt gebe es Pläne für einen Finanzausgleich in der EU, um die Steuer- Arbeitsmarkt- und Lohnpolitik nach Einführung des Euro zu koordinieren. Konkret sprich Stoiber hier die Möglichkeit eines innereuropäischen Finanzausgleiches an, den deutsch Regierungsvertreter bisher immer weit von sich gewiesen haben.

Dieser Angriff Stoibers hat Bedeutung über die parteipolitische Polemik hinaus, wei er schlaglichtartig den erheblichen gesamtwirtschaftlichen Problemhorizont der geplante Euro-Einführung in das Bewußtsein rückt. Daß mit der Einführung des Euro eine Reih tiefgreifender Veränderungen zu gewärtigen sind, darauf machte bereits die Deutsch Bundesbank
in ihrer "Stellungnahme zur Konvergenzlage der Europäischen Union" vom 26. März 1998 aufmerksam.

Die Bundesbank stellt in ihrem Bericht unter anderem fest, daß "di Währungsunion einschneidende Veränderungen ... für die Wirtschaftspolitik und die Unternehmen mit sich bringen" werde. "Die längerfristig erwartete Wohlfahrtsgewinne durch die Währungsunion", so die Bundesbank weiter, "werde sich nur (!) realisieren lassen, wenn sich insbesondere die Lohn- und Sozialpolitik rasc und umfassend auf die neuen Gegebenheiten einstellen. Gerade vor dem Hintergrund der hohe Arbeitslosigkeit in den meisten Teilnehmerstaaten" sei – und dies ist de entscheidende Hinweis – "eine hinreichend flexible Reaktion der Güter- un Arbeitsmärkte auf unterschiedliche Produktivitätsentwicklungen und gravierend Marktveränderungen unverzichtbar".

Im Hintergrund der Argumentation der Bundesbank steht die Tatsache, daß nac Einführung der Währungsunion die Lohnstrukturen im erheblichen Maße die Funktion de Wechselkurse übernehmen werden. Eine Folge der "neuen Gegebenheiten", auf die die Bundesbank abhebt: Es wird zu einem wesentlich härteren Wettbewerb de unterschiedlichen Tarif- und Abgabensysteme innerhalb der EU kommen.

Bisher bildeten die Wechselkurse einen flexiblen Mechanismus, der auf unterschiedlich nationale Konjunkturzyklen beziehungsweise selbständige Bewegungen in der Steuer- un Tarifpolitik entsprechend reagierte. Lohn-, konjunktur- und steuerpolitische Alleingänge die zu einer Verteuerung der Produktionsfaktoren führten, konnten in der Vergangenhei über Wechselkursanpassungen (Stichwort: "Abwertung der Währung") abgefange werden. Fällt der Wechselkursmechanismus weg, dann fehlt dem deutschen Währungsraum in Zukunft diejenige Schleusenfunktion, die der Wechselkursmechanismus bisher zwische unterschiedlich entwickelten Gebieten geleistet hat. Ohne Wechselkursmechanismus werde Anpassungen an wirtschaftliche Entwicklungen in Zukunft über die Faktorkosten (z. B Maschinen, Arbeit und Energie) realisiert werden müssen.

Diese Entwicklung heißt aber nicht mehr und nicht weniger, als daß der Wettbewer zwischen den unterschiedlich entwickelten Standorten innerhalb der EU brutale Züg annehmen wird. Dafür ein Beispiel: Setzen die deutschen Gewerkschaften bei den zentrale Tarifverhandlungen z. B. einen Lohn durch, der nicht den Marktverhältnissen entspricht dann wird die Arbeitslosenzahl massiv nach oben schnellen. Daraus kann auch abgeleite werden: Eine wirkliche Tarifautonomie kann es letztlich nur unter der Bedingung flexible Wechselkurse geben. Fällt dieser weg, dann wird der Bewegungsspielraum der nationale Tarifpolitik im Grunde genommen ausgehebelt und die Gewerkschaften ziemlich zahnlos.

Noch ein anderer wesentlicher Aspekt muß in diesem Zusammenhang beachtet werden: Die südeuropäischen Regionen der EU, die im Hinblick auf Produktivität und Standortkoste hinterherhinken, werden dem Leistungsdruck in einem gemeinsamen Währungsraum kaum lang standhalten können. Diese Regionen werden daher von Seiten der EU dauerhaf subventioniert werden müssen. Geschieht dies nicht, ist mit einer Massenabwanderung de Arbeitskräfte aus den südeuropäischen (und demnächst osteuropäischen) Regionen zu rechnen, die im erheblichen Maße auch auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen werden.

Die Aufnahmefähigkeit des deutschen Arbeitsmarktes ist freilich schon aufgrund de Sprachgrenzen begrenzt. Damit ist aber eine Grundvoraussetzung eine "optimalen  Währungsraumes" nicht erfüllt. Ein "optimale Währungsraum" ist nämlich durch eine größtmögliche Mobilität, d.h. durch ei Maximum an Wanderungsfähigkeit der Produktionsfaktoren bestimmt. Diese Mobilität is eine Bedingung dafür, daß die Währungsunion im europäischen Maßstab überhaup funktioniert. Da aber die Mobilität im EU-Maßstab erheblichen Einschränkunge unterliegt, kann ein Wirtschaftsgleichgewicht im EU-Rahmen nur durch gigantisch Transferzahlungen bzw. Dauersubventionen erzielt werden.

Die Vertreter der deutschen Unternehmer verkennen bis heute diese Problemlage, sons würden sie die Währungsunion nicht ohne Wenn und Aber begrüßen. So verkündet beispielsweise der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans-Pete Stihl, im Rahmen seines Vortrages "Mehr Wettbewerb und Stabilität" schon am 26 Oktober 1995 im Landtag von Baden-Württemberg:

"Wer den weniger entwickelten Regionen der Gemeinschaft den Zugang zu unsere Märkten versperrt, der nimmt ihnen die Chance, sich aus eigener Kraft unseren Standard anzunähern. Wir dürfen deshalb nicht dem leisesten Versuch nachgeben, den Wettbewer durch Dirigismus oder Transfers, durch Intervention und Umverteilung zu ersetzen." Und weiter: "Unterschiedliche soziale Bedingungen spiegeln die Unterschiede be Produktivität, Einkommen und allgemeinem Wohlstand innerhalb der Gemeinschaft wieder. Si sind natürliche Wettbewerbselemente, ohne die sich der Aufholprozeß der ärmere Regionen zu einer Umverteilungsveranstaltung entwickeln müßte."

Stihls Argumentation hebt ganz offensichtlich auf die Voraussetzung eine "optimalen Währungsraumes" ab, der nach Lage der Dinge niemals zustande komme kann. Es wird vielmehr aus den oben genannten Gründen zwangsläufig zu jener Umverteilun kommen müssen, die Stihl so wortreich ausgeschlossen haben will.

Noch ein weiterer Effekt ist im Zusammenhang mit den für eine Währungsunio notwendigen flexiblen Tarifsystemen zu gewärtigen: Je flexibler sich nämlich die Tarifsysteme entwickeln, desto größer wird der Zuwanderungs- und damit de Konkurrenzdruck auf dem deutschen Arbeitsmarkt werden. Dadurch wird der Anpassungsdruc des Lohnniveaus nach unten weiter forciert werden. Genau diese Entwicklung hatte Stih wohl im Auge, als er von der "ungehinderten Konkurrenz der Arbeitnehmer" schwärmte.

Aus Unternehmersicht verspricht die Währungsunion in der Tat ei beschäftigungspolitisches Eldorado zu werden. Begriffe wie "Volkswirtschaft" oder gar "Nationalökonomie" werden vor diesem Hintergrund allerding gegenstandslos. Weder gibt es dann noch ein "Volk", das etwas erwirtschaftet noch eine Ökonomie, die "national" genannt werden kann.

Kommt es in Deutschland aufgrund der starren Tarifsysteme nicht zu "Flexibilisierung der Märkte", dann wird die daraus resultierende Steigerun der Arbeitslosenzahl zwangsläufig steigende Staatsausgaben nach sich ziehen. Dazu kommt daß im Zuge der Verwirklichung der Währungsunion damit gerechnet werden muß, da Investitionsströme verstärkt aus Deutschland weggelenkt werden, um Lohndifferenzen in EU-Raum auszunutzen. Natürlich geht dies voll zu Lasten der deutsche Beschäftigungssituation und zu Lasten des Steueraufkommens.

Diese Entwicklung läuft darüber hinaus einer Geldpolitik entgegen, welche die Stabilität der Währung garantieren soll. Das heißt, die Gefahr, daß der Eur "weich" wird, steigt proportional zu nicht marktkonformen Güter- un Arbeitsmärkten. Diesen Punkt hat die Bundesbank deutlich gemacht, als sie davon sprach daß "ein übermäßiger Schuldenstand den künftigen Handlungsspielraum de Finanzpolitik beeinträchtigt und leicht in Konflikt mit der Geldpolitik" gerate.

Insofern, so die Bundesbank, stellen übermäßige Schulden "ein Risiko für die künftige Geldpolitik dar". Konkret gesagt: Sollte es mit der Einführung des Eur aufgrund erhöhter Staatsverschuldung auch nur ein Prozent Inflation geben, hätte die aus deutscher Sicht bereits den Verlust von 30 Milliarden D-Mark ersparten Vermögens zu Folge.

Dies bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß es zur "Flexibilisierung de Arbeitsmärkte" – sollte sie halbwegs umgesetzt werden können – kein Alternative gibt. Daß dies trotzdem nicht von erheblichen Transferzahlungen an die ärmeren EU-Partner entlastet, wurde oben bereits dargelegt. Genau auf diesen Sachverhal hat der oben zitierte Bayerische Ministerpräsident abgehoben, als er der rot-grüne Regierung Pläne für einen Finanzausgleich zwischen den EU-Staaten unterstellte.

Ökonomen haben bereits ausgerechnet, was in einem derartigen Falle auf Deutschlan zukommen könnte: Jährliche Zahlungen in Höhe von 150 bis 200 Milliarden D-Mark. Das is in etwa die Summe, die derzeit von West- nach Mitteldeutschland fließt.

Daß diese Pläne, sollten sie existieren, aufgrund der dargelegten Gründe ein zwangsläufige Folge der von der christlich-liberalen Koalition zu verantwortende Währungsunion ist, sagt Stoiber indes nicht. Er sagt auch nicht, daß auch e letztendlich dem Maastrichter Vertrag zugestimmt hat und damit mitverantwortlich für die Folgen der Umsetzung dieses Vertrages ist.

Erschwerend zur geschilderten Problemlage kommt aus deutscher Sicht hinzu, daß auc ein "flexibilisierter Arbeitsmarkt" erhebliche Negativfolgen hat. Die umlagefinanzierten Sicherungssysteme werden durch den starken Wettbewerbsdruc ausgehöhlt, weil die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältniss zwangsläufig zurückgehen wird. Daß diese Entwicklung mit ziemlicher Sicherheit auch die Gefährdung des Sozialstaates deutscher Prägung nach sich ziehen wird, versteht sich vo selbst.

Wie man die Auswirkungen der Euro-Einführung auch dreht und wendet: Der abhängi beschäftigte deutsche Arbeitnehmer wird der große Verlierer der Währungsunion sein. E wird Einkommensverluste erleiden und einem noch stärkeren Konkurrenzdruck auf de Arbeitsmarkt ausgesetzt sein. Wie Hohn klingt da das, was Bundespräsident Herzog in eine Rede vor dem Europäischen Parlament verkündete:

"Ich will auch sagen, was uns droht, wenn wir diesen Weg (der Einführung de Euro, d. V.) nicht finden. Es drohen Abwertungswettläufe, Handelskriege, Protektionismus Renationalsisierung der Wirtschaftspolitik, Deflation, vielleicht sogar Depression." Die Frage, was den Deutschen droht, wenn die Währungsunion aufgrund unüberbrückbare innerer Spannungen zerbricht, hat Herzog bisher mit keinem Wort angesprochen.
 
     
     
 
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