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Am 16. März wurden im Deutsch-Russischen Haus die Gewinner des Wettbewerbs "750 Jahre Königsberg" bekanntgegeben und ausgezeichnet. Anläßlich des im Jahre 2005 stattfindenden 750jährigen Jubiläums der Stadt Königsberg hatte ab November letzten Jahres der Kulturfonds Kaliningrad gemeinsam mit der Internetfirma "E-Type" einen Wettbewerb für die beste Internet-Seite über die Stadt ausgeschrieben. Ziel des Wettbewerbs sollte es sein, qualifizierte und vielfältige Perspektiven und Informationen über die ostdeutsche Hauptstadt zu erhalten, und zwar noch ehe sich überhaupt ein offizieller Festausschuß oder Politiker mit dem Thema "750-Jahr-Feier" beschäftigt. Dabei sollten informative oder künstlerische Beschreibungen sowohl der Politik in Vergangenheit und Gegenwart als auch der Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Berücksichtigung finden.
Sowohl Einzelpersonen als auch Arbeitsgruppen konnten an dem Wettbewerb teilnehmen. Die Möglichkeit, eigene Internet-Seiten einzureichen, war jedoch auf den kurzen Zeitraum zwischen dem 10. Dezember 2001 und dem 1. Februar 2002 begrenzt. Danach hat die Jury mit der Ausarbeitung der Seiten begonnen, die etwa einen Monat in Anspruch nahm. Die Jury bestand aus Mitarbeitern der beiden Veranstalter sowie Vertretern des kulturellen Lebens der Stadt. Erklärtes Ziel der Wettbewerbsausschreibung war, möglichst professionell gestaltetes Material über die Stadt Königsberg zu erhalten.
Die Veranstalter hatten deshalb bereits im April des Vorjahres ein Forum gegründet, in dem erste Vorschläge und Ideen zur Gestaltung des Wettbewerbs gesammelt wurden. Eine Grundidee war, den Wettbewerb nicht nur für russische Teilnehmer zu öffnen, sondern jeden Interessierten in ganz Europa anzusprechen. Man wolle verhindern, daß das Stadtjubiläum von den Kaliningradern oder von "den Königsberger Stadtgemeinschaften in Deutschland als Privatangelegenheit" reklamiert würde, so die Veranstalter. Statt dessen wolle man "gemeinsam einen würdigen Weg zur Demonstration der Achtung gegenüber der tragischen Geschichte der Stadt finden". Eben deshalb solle das Jubiläum auch als Möglichkeit genutzt werden, die bisherige offizielle Position zur Vergangenheit des Gebiets zu revidieren. So sollen die deutsche und russische Geschichte der Stadt nach den Vorstellungen der Veranstalter als gleichrangig behandelt werden, ungeachtet ihrer historischen Dauer.
Die Anforderungen an das Seitenprofil wurden relativ offen gelassen: Alle Themen in bezug auf Kaliningrad/Königsberg waren willkommen, die Inhalte mußten allerdings auf russisch verfaßt sein. Wenn jemand eine Seite in einer anderen Sprache erstellen wollte, mußte er parallel eine authentische Übersetzung des Seiteninhalts zur Verfügung stellen, um zum Wettbewerb zugelassen zu werden. Die Jury beabsichtigte nachher eine Bewertung nach unterschiedlichen Kriterien wie "Aktualität", "Inhalt", "Design", und "Novität".
Neben der Ausrichtung des Internet-Wettbewerbs hat das Kultur-Forum allgemeine Vorschläge für die 750-Jahr-Feierlichkeiten gemacht. Dazu gehören die Zusammenstellung von Fotoalben der Stadt, Anthologien russischsprachiger Prosa und Poesie sowie die Präsentation der wichtigsten Bücher über Königsberg und Ostdeutschland in russischer Sprache. Auch an Medienprojekte wie etwa eine Serie von Videofilmen über "Russen in Königsberg" oder die Erstellung eines "virtuellen Königsberg" im Internet (gemeinsam mit dem Zentrum für zeitgenössische Kunst, der Königsberger Technischen Universität, der Albertina und dem Internet-Centrum Soros) wurde gedacht. Weitere Vorschläge zur Denkmalpflege waren die Aufstellung einer Büste von Wassilij Suworow, dem ersten Gouverneur des Königsberger Gebietes, die Erforschung preußischer Wurzeln in der russischen Geschichte, die Anbringung einer Gedenktafel für den russischen Schriftsteller Jossif Brodskij sowie die Schaffung einer Skulptur durch einen deutschen und einen russischen Bildhauer für die Stadt Königsberg. Ein weiteres Augenmerk galt der Architektur. Vergangenheit und Zukunft des Städtebaus sollten nach Ansicht des Forums ebenfalls beleuchtet werden. Auch Vorschläge für kulturelle Veranstaltungen wie Theateraufführungen und Symphoniekonzerte fehlten nicht.
Nach der Auswertung der Wettbewerbsbeiträge teilen sich einige interessante und ausführliche Internet-Seiten zur Geschichte und Architektur den ersten Platz. Zu den prämierten Seiten gehören neben solchen mit allgemeinen stadtgeschichtlichen Daten auch bebilderte Seiten über Architekturdenkmäler wie den Königsberger Dom und die Kirche von Juditten sowie Persönlichkeiten wie Herzog Albrecht und Franz Heumann. Auch Seiten mit Kartenmaterial, seltenen Fotos und Informationen über andere Orte des Gebiets wie Gerdauen fanden das Wohlwollen der Jury.
Dies alles ist unter der Inter- net-Adresse www.750.koenig.ru nachzulesen, allerdings nur für jene, welche die russische Sprache beherrschen. Denn genau am sprachlichen Problem scheint das Ziel, auch ausländische Interessenten zur Teilnahme am Wettbewerb zu bewegen, von vornherein gescheitert zu sein. Ein international angelegter Wettbewerb hätte zumindest eine englische Übersetzung (wenn schon keine deutsche) der bereitgestellten Informationen anbieten müssen. Einseitigkeit spiegeln auch die Vorschläge der Veranstalter für die inhaltliche Gestaltung der Internet-Seiten wider, die erkennen lassen, daß nur zaghaft über den russischen Tellerrand hinausgeblickt wurde. Deutsche Namen werden auf der allgemein gehaltenen Informationsseite der Veranstalter lediglich bei der Beschreibung der Entstehung des Namens "Königsberg" sowie in der Liste empfohlener Literatur genannt. Von einer Ausgewogenheit der Vorschläge für die 750-Jahr-Feier und eine "gemeinsame" Herangehensweise an das große Jubiläum ist nichts spürbar.
Schade, daß der an sich sehr lobenswerte Ansatz der Wettbewerbsidee, durch das Medium Internet ein breiteres Publikum und gerade jüngere Menschen für das Stadtjubiläum und somit für die Geschichte der Stadt Königsberg und Ostdeutschlands zu interessieren, eben daran scheitern muß, daß nur ein begrenzter Anwenderkreis überhaupt Kenntnis von der Präsenz im Internet haben kann, nämlich nur das russischsprachige Publikum. In Rußland scheint man noch nicht erkannt zu haben, daß die internationale Sprache - nicht nur im Internet - Englisch ist. Ob wirklich eine Chance besteht, daß das bevorstehende Stadtjubiläum eine Revision der offiziellen russischen Position zur Geschichte der Stadt zuläßt, scheint mehr als fraglich.
Königsberger Ansichten:
Auf den unterschiedlichsten Wegen gelangten die Teilnehmer des Wettbewerbs an alte Aufnahmen der Pregelstadt. Auf den Gewinnerseiten fand sich das links stehende Altstadtmotiv ebenso wie das Bild vom Tiergarten rechts oben. Das kleineStadtmotiv links oben bildete das Wettbewerbslog |
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