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Mit der Übernahme der Ratspräsidentschaft der EU durch Schweden rückt das Baltikum und somit auch das nördliche Ostdeutschland deutlicher ins Zentrum der europäischen Politik. Die EU-Kommission hat für diese Woche ein Strategiepapier für das nördliche Ostdeutschland angekündigt. EU-Außenkommissar Chris Patten stellte bei einem Besuch in Moskau vor wenigen Tagen am 18. Januar, also genau am 300. Jahrestag der Krönung Friedrichs I. in Königsberg der russischen Regierung das Papier vor. Chris Patten, Nato-Generalsekretär Javier Solana und die schwedische Außenministerin Anna Lindh wollen im Februar Königsberg besuchen; ob der Termin stattfinden wird, ist allerdings noch nicht klar.
Die Schweden haben sich für das erste Halbjahr viel vorgenommen. Sollte Stockholm die Ziele seiner EU-Ratspräsidentschaft erreichen, dann würde es selbst davon stark profitieren. Der schwedische Ministerpräsident Goran Persson hat die Erweiterung der Europäischen Union (EU) zur Hauptaufgabe seiner Präsidentschaft erklärt, die er am 1. Januar von Frankreich übernommen hat. "Schweden kann eine bedeutende Rolle in einem der wahrhaft großen historischen Prozesse spielen", sagte Persson.
Mit den nach dem Zerfall der Sowjetunion wieder selbständigen Staaten Estland, Lettland, Litauen und Polen sind vier der zwölf Staaten, mit denen die EU verhandelt, Ostsee-Anrainer. Hier allein könnten nach jetzigem Stand ab 2004 rund 47 Millionen neue Bürger und Verbraucher in die EU kommen. Vor allem effizient und als kleines Land mit 8,8 Millionen Einwohnern eher "auf leisen Sohlen" wollen die Schweden die EU durch die ersten sechs Monate des Jahres steuern.
Schweden würde die Aufnahme der osteuropäischen und baltischen Staaten gerne beschleunigen. Außenministerin Anna Lindh sagte zwar, auch ihr Land werde bei dem Prinzip bleiben, daß jedes Land gemäß seinen eigenen Fortschritten bei der Angleichung an die EU behandelt und aufgenommen werde. Dies gelte auch für die Beitrittskandidaten Zypern und Malta. Doch die Ostsee liegt den Schweden vor der Haustür. "Wir haben ein natürliches Interesse, daß unsere engsten Nachbarn Polen und die baltischen Staaten zur europäischen Familie gehören", sagte Frank Belfrage, Generaldirektor für EU-Angelegenheiten im schwedischen Außenministerium. So werde die Ostsee wieder zu einer Seeverbindung für Zusammenarbeit und Handel.
Aus Sicht des schwedischen Industrieministers Leif Pagrotsky muß sich der Blick der EU nun auch auf Rußland richten. Stockholm will mit Moskau Gespräche führen, denn wenn die baltischen Staaten und Polen in der EU sind, wird es ein kleines Gebiet an der Ostsee geben, das nicht zur EU gehört: das Königsberger Gebiet, das bis zu den 1991 unter anderem von Helmut Kohl unterschriebenen Grenzbestätigungsverträgen juristisch als Teil des deutschen Staates und damit auch der EU anzusehen war.
Wenn die EU erweitert werde, müsse Rußland verdeutlicht werden, daß davon keine Bedrohung ausgehe, so Industrieminister Leif Pagrotsky. Fragen der Reinhaltung der Ostsee, der Entsorgung von Atommüll, der Bekämpfung der Kriminalität und der Grenzkontrollen seien nur mit Rußland zu lösen Die Stockholmer Regierung hat deshalb bereits einen hochrangigen Beamten damit beauftragt, während der schwedischen Ratspräsidentschaft den Kontakt zu Rußland zu halten.
Wünschenswert ist dabei aus deutscher Sicht, daß bei diesen Verhandlungen über das nördliche Ostdeutschland auch die Betroffenen die vertriebenen Ostdeutschland selber mit einbezogen werden.
Regierungschef Persson hofft, daß er zum Ende der schwedischen Präsidentschaft den neuen US-Präsidenten George W. Bush und Außenminister Colin Powell vor oder nach dem Gipfeltreffen Mitte Juni in Göteburg in Schweden begrüßen kann. Dann werden die Schweden die Amerikaner sicher auch über den Stand ihrer Verhandlungen mit Moskau über das Königsberger Gebiet unterrichten. Friedrich Nolopp
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