|
Der Bund der Vertriebenen (BdV) und die Landesgruppe Nord- rhein-Westfalen der Aktion Freies Deutschland (Freundeskreis Ostdeutschland) veranstalteten gemeinsam eine Kantfeier. Der Vorsitzende der BdV-Kreisgruppe, Herr Endres, sowie die Frauenreferentin der Landesgruppe, Heinke Braß, waren die verantwortlichen Organisatoren dieser gelungenen Feierstunde.
Der Vorsitzende des BdV-Landesverbandes NRW, Hans-Günther Parplies , dankte in seiner Eröffnungsrede nicht nur diese beiden Personen, sondern bekundete auch seine Freunde über die Mitwirkung des Ostdeutschlandchores Gütersloh unter Leitung von Ursula Witt sowie des Pianisten Johann Schröder, der Kompositionen von E.T.A. Hoffmann vortrug.
Der Freude über diese Aufführungen folgte dann allerdings die bittere Feststellung, daß zum 125. Geburtstag Albert Einsteins ein Staatsakt in Ulm unter Beteiligung von Bundespräsident Johannes Rau stattgefunden habe, der 200. Todestag und der 280. Geburtstag Kants aber kein bundesrepublikanisches Medienereignis gewesen sei. Kant sei im "Spiegel" und in der "Zeit" zwar gewürdigt worden, aber einen Staatsakt habe es für ihn nicht gegeben, vielleicht, so Parplies, weil er nie einen Fuß auf das Territorium der heutigen Bundesrepublik gesetzt hat und deshalb nicht dazu gehöre. Seine Würdigung hätten dann halt die Vertriebenen übernommen, und Parplies nannte die Kantausstellung in Duisburg im Museum Stadt Königsberg und die Kant-Gedenkveranstaltung der Freundeskreis Ostdeutschland in Berlin sowie diese Feierstunde.
Kants Wirkung aber, sei es in Südamerika, Australien, Japan oder Rußland, habe die deutsche Unterstützung offenbar nicht nötig, meinte Parplies ironisch.
Den Festvortrag hielt Professor Dr. Eberhard G. Schulz. "Der Königsbergische Weltweise - Eine Einführung in das Leben und philosophische Denken von Immanuel Kant" - unter diesem Titel machte der Referent "Neulinge" mit dem großen Philosophen bekannt und bot zugleich den Fachleuten viele neue Einblicke. Er stellte Kant als geistigen Angelpunkt der abendländischen Geschichte dar. "Einiges, was er zertrümmert hat, wird sich nie wieder erheben. Einiges, was er begründet hat, wird nie wieder verschwinden", so der Referent zu Beginn seiner Ausführungen, die er mit der Feststellung beendete: "Kants Philosophie ist ein Gedankengebäude, das durch seine Totalität und Präzision fasziniert und überzeugt."
Mit seiner Erkenntnistheorie habe Kant eine neue Epoche eingeleitet. Die Entdeckung der Kategorien Raum und Zeit führte zu einem neuen Verständnis der menschlichen Wahrnehmung. Ohne die Anwendung dieser Kategorien wäre eine Erkenntnis nicht möglich. Nur die Kategorien Raum und Zeit ermöglichen unsere Wahrnehmung. So beendete die 1781 erschienene Schrift "Kritik der reinen Vernunft" den alten Streit, ob die Sinnesorgane oder der Geist, der Verstand für Wahrnehmung und Erkenntnis "zuständig" seien.
Kant bezeichnete seine Lehre selbst als "Copernicanische Wende" in der Erkenntnistheorie. Analog zu Copernicus, der die Abhängigkeit der Erde und Planeten von der Sonne entdeckte und damit das heliozentrische Weltbild begründet hat, hat er entdeckt, daß die a priori gegebenen Verstandeskategorien von Raum und Zeit die Erkenntnis der Objekte bewirken und nicht die Objekte selbst.
Schulz machte die Bedeutung der Erkenntnistheorie für die Lehre von Freiheit und Recht klar und wies nach, daß Kants Moralphilosophie entscheidend für das Staatsrecht ist.
Der allgemein geläufige Kategorische Imperativ sei, so Schulz, bis heute Mißdeutungen ausgesetzt. Die Aufforderung: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines gesetzt werde", bedeutet nicht, daß alle Regeln verallgemeinert werden müßten. Auch die Hilfestellung, man müsse sich fragen, "Was wäre, wenn alle das täten", gehe an der wirklichen Bedeutung vorbei. Und die landläufige Heranziehung des Sprichwortes "Was du nicht willst, daß dir man tut,...", sei eine unzulässige Verlagerung ins Subjektive. Entscheidend, so Schulz, sei das Zusatzwort "zugleich", das auch im Praktischen Imperativ die Aufforderung betont, "jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel" zu brauchen. Der Mensch aber ist "Zweck an sich selbst".
Kants Lebenslauf konnten die Zuhörer ebenso verfolgen wie seine Persönlichkeit kennenlernen. Professor Dr. Schulz charakterisierte ihn als geselligen Menschen mit der "Munterkeit eines Jünglings" nach Herders Zeugnis, der seine "belehrende Heiterkeit" gepriesen habe. Der kauzige Kant sei mehr das Bild der Biographen Jachmann und Borowski, die den alten Kant beschrieben haben.
Der Stellvertretende Landesvorsitzende, Jürgen Zauner, dankte in seinem Schlußwort allen Beteiligten und stellte fest: "Es ist ein Akt der ethnischen Selbsterhaltung dafür zu sorgen, daß Kant sich nicht zu sehr aus dem Bewußtsein entfernt und heimatlos wird." P. Lautner
Mit seinen Liedern und Darbietungen sorgte der Chor für den musikalischen Rahmen der Veranstaltung: Der Ostdeutschlandchor Gütersloh unter der Leitung von Ursula Witt Fotos (2): BB
Erwiesen dem Philosophen die Ehre : Jürgen Zauner, Heinke Braß, BdV-Kreisvorsitzender Endres und BdV-Landesvorsitzender Hans-Günther Parplies (von links nach rechts)
|
|