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Im Jahr 1789 kaufte Carl Friedrich Graf von Klinckowstroem das Gut Korklack im Kreis Gerdauen und gründete 1814/16 Heiligenstein als neues Vorwerk, einen abseits vom Hauptgut gelegenen Wirtschaftshof. 1908 mußte die Begüterung Korklack verkauft werden. Den Grafen Klinckowstroem blieb allein Heiligenstein, das nunmehr zum Gut ausgebaut werden sollte. Der Erbe Wilhelm Graf von Klinckowstroem (1887-1934) wohnte jedoch zunächst in Potsdam und Saskoschin bei Danzig.
Beim Einmarsch der Russen im Ersten Weltkrieg wurden 1914 fast alle Gebäude zerstört, darunter auch das alte Verwalterhaus. Um den Wiederaufbau sorgte sich Wilhelm Graf von Klinckowstroem, obgleich er damals als Soldat an der Front stand. In Briefen unterbreitete er seinem Architekten und den zuständigen Behörden seine Bauideen. Er gedachte Heiligenstein nunmehr zu einem wirklich eigenständigen Gut und Wohnsitz seiner Familie einzurichten. Vor allem sollte das neue Gutshaus ein repräsentatives Äußeres erhalten. Er schrieb: "Ich habe mich an sehr schöne alte Vorbilder angelehnt und dabei vor allem einen Anklang an die Hauptbauzeit meiner Familie in der klassizistischen Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts gefunden, den ich unbedingt erhalten wissen möchte." Hier dachte der Bauherr nicht allein an das alte Gutshaus in Korklack, sondern vielmehr an die mächtige Säulenhalle, die das Schloß Stafsund der schwedischen Linie seiner Familie besaß.
Das neue Gutshaus wurde ab 1916 durch einen Architekten Meier auf einer leichten Anhöhe als eingeschossiger gelber Putzbau mit Mansarddach errichtet. Sowohl vor die Hof- als auch vor die Gartenseite wurde eine hohe Säulenhalle mit Giebel gestellt. Bis 1920 konnte das Gutshaus fertiggestellt werden. Wilhelm Graf von Klinckowstroem nahm als erstes Mitglied der Familie in Heiligenstein seinen Wohnsitz. Das Haus gehörte mit seinen harmonischen Proportionen zu den besten Beispielen des Neubarock der damaligen Wiederaufbauzeit. 1923 wurde durch den schlesischen Architekten Graf Hochberg noch ein Flügel angefügt.
Mit mehreren Möbelwagen traf man 1920 in Heiligenstein ein. Die Räume des Hauses konnten mit vielen alten Möbeln ausgestattet werden. Da gab es eine große alte Eichentruhe, einen Danziger Barockschrank, Biedermeiermöbel, und das Eßzimmer war mit Louis-XVI.-Kopien eingerichtet. Schöne echte holländische Rokokomöbel kamen aus Schloß Cappenberg in Westfalen nach Heiligenstein. Die Wände waren durch weiße Rahmen mit gelben, grünen und rosafarbenen Putzfeldern schlichter Hintergrund für Konsolen mit Meißner Porzellanfiguren, viele Ahnenbilder, gute Rubenskopien und andere Gemälde holländischer und französischer Meister des 17. und 18. Jahrhunderts. Eine große Porzellanuhr war ein Patengeschenk Kaiser Wilhelms II. für Wilhelm Graf von Klinckowstroem. Noch während des Zweiten Weltkrieges wurde die Einrichtung unter Denkmalschutz gestellt.
Von der gartenseitigen Terrasse hatte man einen herrlichen Blick in den nach 1920 von Wilhelm Graf von Klinckowstroem großzügig angelegten Park. Der Graf war ein Urgroßneffe des berühmten Gartenarchitekten Fürst Pückler-Muskau. Zum Teil zeigte sich der Garten im französischen Stil mit geschnittenen Tujabüschen, seltenen Laub- und Nadelhölzern sowie mit einem von hohen Hecken umschlossenen Stauden- und Rosengarten, dann wieder gab es große Rasenflächen, die sich weit in die Landschaft erstreckten.
So zählte das Gutshaus in Heiligenstein zu den am kostbarsten und am einheitlichsten ausgestatteten Gutshäusern des Kreises Gerdauen, und sein Park gehörte zu den modernsten Gartenschöpfungen der damaligen Zeit in Ostdeutschland.
Ende Januar 1945 wurde das Schloß bei Kampfhandlungen zerstört. Vom Inventar konnte die Familie bis auf drei Kommoden und einige Kleinigkeiten nichts retten. Nach 1945 wurde die Ruine vollständig abgetragen. Der Park ist zur Wildnis geworden, und auch vom Gutshof existieren in dieser heute armen Gegend nahe der russischen Grenze kaum noch Gebäude.
Wulf Wagner
Gutshaus Heiligenstein: Blick vom Staudengarten auf den Familiensitz der Grafen Klinckowstroem, der zu den kreisweit am kostbarsten und am einheitlichsten ausgestatteten Anwesen zählte. Foto: Wagner
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